Konstituierung Betroffenenrat
Am Tag der Deutschen Einheit brachte der Deutschlandfunk Kultur eine Hörspielbearbeitung der "Bilder von uns".
In dieser Bearbeitung haben die sexuelle Gewalt am Aloisiuskolleg und die Folgen für die Betroffenen eine neue künstlerische Bearbeitung gefunden. Deutschlandweit konnten die Hörer erfahren: So geht es Betroffenen.
Die Verantwortlichen von damals haben die Jesuiten noch immer nicht zur Rechenschaft gezogen. Die jüngsten Missbrauchsschlagzeilen des AKO stammen aus diesem Jahr 2017.
Wer das Theaterstück gesehen hat, weiß, dass dies Theaterstück Wahrheiten ausdrückte, die nicht nur Gültigkeit für das Ako hatten. Sehr hörenswert.
Das Hörspiel ist noch in der Mediathek
http://srv.deutschlandradio.de/…/dra…/script/aod/index.html
Es wird auch eine Hörtheater Vorstellung in Berlin geben:
http://www.deutschlandfunkkultur.de/hoertheater-bilder-von-uns.452.de.html?drem:event_id=1758
Auf unsere seinerzeitigen (22.01.2016) Berichte zum Theaterstück sei hier hingewiesen (siehe auch Historie Aktuelles):
Zum Nachlesen hier die Links:
http://unheiliger-berg.jimdo.com/aktuell/
Ein von uns geprägter Begriff wird in diesem Stück mit Fug und Recht zu einem Schlüsselbegriff: "Ich bin nicht verjährt"
Die Bonner Journalistin Hagenberg- Miliu schreibt ausführlich über das Bühnenstück "Bilder von uns" beim Evangelischen Pressedienst
"Das Theater Bonn zeigt am Donnerstag die Uraufführung des Stücks "Bilder von uns". Der Berliner Dramatiker Thomas Melle verarbeitet darin die Missbrauchsfälle am Bonner Aloisiuskolleg.
"Die Hintergründe im Stück sind den realen Ereignissen sehr ähnlich", sagte der 40-jährige Melle, der selbst Schüler am Aloisiuskolleg war, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es sei aber weder eine Fortführung der Arbeit der Betroffenenverbände noch eine Verteidigung oder Anklage der Täter, sondern eine "ästhetische Auseinandersetzung".
"Das Stück verhandelt fiktive Konflikte, die gleichwohl typisch für die Kämpfe in der Wirklichkeit sein mögen", sagte Melle.
Melle will nicht richten, sondern erhellen
Laut Aufklärungsberichten werfen 60 Betroffene 18 Jesuiten und fünf weltlichen Mitarbeitern des Kollegs sexuelle Übergriffe und Missbrauch vor, die von den 50er bis in die 2000er Jahre hinein stattgefunden haben sollen. "Ich war vor Ort, verstehe die Konflikte genau, die Abneigung, die Verteidigung, den Hass, den Stolz, alles. Und eben auch die Ambivalenz", sagte Melle. Es sei aber nicht seine Aufgabe zu richten, sondern "das Ganze mit den oft genug undurchsichtigen Mitteln der Kunst zu erhellen, eine eigene, komplexe Perspektive auf das Geschehen zu werfen".
Die Hauptfigur im Theaterstück, ein 40-jähriger Manager, wurde wie viele Kollegsschüler einst nackt von einem Pater fotografiert. "Das ganze System, in dem man aufwuchs, steht infrage, und der Kampf um die eigene Identität und Biografie setzt ein", sagte Melle, der mit seinen Romanen "Sickster" und "3.000 Euro" zweimal für den deutschen Buchpreis nominiert wurde.
Jeder geht anders mit dem Erlebten um
Wenn 40-Jährige erkennen, dass sie als Kinder von ihrem Erzieher nackt fotografiert wurden, löse das bei dem einen sehr viel aus, bei dem anderen gar nichts, sagte Melle. Dritte würden sich ein paar Wochen lang an den Kopf fassen und es dann verdrängen. "Ein Vierter dagegen ist schon längst zerbrochen", sagte der Dramatiker. Das liege auch daran, dass sich der Blick anderer Menschen auf die Opfer ändere. "Deshalb ist es ja auch so mutig von den Betroffenen, wenn sie zu reden beginnen."
Die Täter spielten in dem Stück kaum eine Rolle, sagte der Schriftsteller. Sie würden nur immer schuldiger, da sie sich nicht äußerten. "Wie schweigende, tote Götter hängen sie über der Szenerie und haben sich eigentlich schon aus dem Staub gemacht", erklärte Melle. Die Opfer müssten alles unter sich und mit sich selbst ausmachen.
Zum aktuellen Aufarbeitungsstand von realen Missbrauchsfällen an Schulen sagte der ehemalige Aloisiuskollegschüler, die betroffenen Institutionen könnten nur dann wieder funktionieren, "wenn sie offensiv damit umgehen, es nicht nur abarbeiten, um es wegzukriegen, sondern wirklich verarbeiten". Die Einrichtungen müssten "den Schandfleck in das eigene Selbstbild integrieren", sagte Melle. "Nur so geht es."
(epd-west, Ebba
Hagenberg-Miliu)
Siehe auch:
http://www.express.de/bonn/premiere-ako-missbrauch-geht-in-bonn-auf-die-buehne-23420070
http://www.theaterkompass.de/news-einzelansicht+M5752f5d82e6.html
Der WDR hat auf der Grundlage des Stückes zum Komplex der Opferidentität in bezug auf das Erinnern und Vergessern berichtet:
http://www.wdr3.de/buehne/bilder-von-uns-106.html
Wie wir aus dem Internet erfahren, wird Pater Römelt ab Jahresbeginn in seiner Funktion als Provinzial kommissarisch vertreten. Er selbst wird eine neue Funktion auf internationaler Ebene übernehmen.
http://www.stclemens.org/-DEUshownieuws-&id=247
Nachruf
Am 24.9.2017 verstarb Barbara Blaine im Alter von 61 Jahren nach einer kurzen, akuten Herzerkrankung.
Selbst betroffen von jahrelangem Missbrauch durch einen katholischen Geistlichen, gründete sie im Jahr 1988 in den USA die Organisation SNAP (survivors network of those abused by priests). Unermüdlich kämpfte Barbara Blaine seitdem international für die Belange von Missbrauchsopfern und hat vielen Mut gemacht, ihr Schweigen zu brechen und Prozesse gegen die Täter zu führen. Im vergangenen November nahm sie zusammen mit weiteren Mitgliedern einer amerikanischen Delegation die Einladung zum Kongress „Mitsprache“ in Berlin an. Wer sie kennenlernen durfte, war von ihr tief beeindruckt.
Hier ein Statement der Managerin von SNAP auf derWebsite http://www.snapnetwork.org/news:
“Few people have done more to protect kids and help victims than Barbara Blaine. Her relentless advocacy enabled millions to eventually accept a long unbelievable reality: that tens of thousands of priests raped and fondled hundreds of thousands of kids while bishops hid these heinous crimes. She started-and for almost 30 years-worked extremely hard to help build the world’s most successful organization of child sex abuse victims. Her contributions to a safer society would be hard to overstate.”
Berührend der Nachruf der Familie, der hier im Original und als Internetübersetzung zitiert sei:
ERKLÄRUNG DER FAMILIE ÜBER BARBARA BLAINE 25. September 2017 Mit tiefer Trauer verkünden wir den Tod von
Barbara Blaine. Barbara starb friedlich am Sonntag, 24. September 2017, mit ihrer Familie um sie herum. Sie starb im Urlaub in Utah mit ihrem Mann Howard. Nur wenige Tage zuvor hatte sie an
einer Herzkrankheit namens SCAD (spontane Koronararteriendissektion) gelitten, einer seltenen Notfallsituation, die ohne Vorwarnung auftritt. Barbara war bei bester Gesundheit gewesen und war
am Tag vor dem SCAD-Event ohne Probleme auf Wanderungen gegangen. Barbara liebte es, mit Howard die felsigen Utah-Kletterrouten zu erklimmen, und ihr unbeugsamer Geist war in Harmonie mit den
unerschütterlichen Aussichten. Ihr Tod ist für uns alle ein unglaublicher Schock. Barbara war eine erbitterte und unermüdliche Kriegerin für soziale Gerechtigkeit. Sie war die Gründerin und
ehemalige Präsidentin des SNAP (Survivors Network of Those Misused by Priests), das sie 1988 gegründet hat. Sie war jahrzehntelang die sprichwörtliche Stimme in der Wildnis, die sich für
diejenigen einsetzte, die sexuell missbraucht wurden und sonst vielleicht zum Schweigen gebracht worden wären. Vor ihrer Zeit bei SNAP half Barbara bei der Gründung und dem Betrieb eines
Obdachlosenheims auf der Südseite Chicagos, vertrat misshandelte und vernachlässigte Kinder vor Gericht, arbeitete in Jamaika als ehrenamtlicher Highschool-Lehrer und half Straßenkindern bei
der Suche nach Familienangehörigen. Sie erwarb Abschlüsse in Jura, Sozialer Arbeit und Theologie. Barbara begann ihren Übergang von der SNAP im Jahr 2016 und gründete kürzlich The
Accountability Project (TAP), eine Organisation, die darauf ausgerichtet war, Beamte des Vatikans dazu zu drängen, Sexualverbrechen von Priestern international zu stoppen und für die
Verbrechen und Vertuschung zur Verantwortung zu ziehen. Es war ihre Leidenschaft und Berufung, weltweite Lösungen für Missbrauch zu schaffen. Die TAP hat die Arbeit, die sie in den letzten
Jahren mit dem UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes geleistet hatte, mit der TAP koordiniert, um über die gefährlichen Praktiken der Beamten des Vatikans zu berichten, die weiterhin Kindern
und sozial Schwachen schaden. Danke euch allen für euer Ausgießen mit freundlichen Worten seit ihrem Tod. Wir wissen, dass wir nicht allein in unserer Trauer sind. Ja, Barbara könnte Tausende
führen. Aber sie war auch eine hingebungsvolle Freundin. Sie hörte wahrhaftig, einer nach dem anderen, auf den Schmerz und den Herzschlag anderer. Deine Geschichten und Erfahrungen machten
sie noch entschlossener, im Namen anderer Gerechtigkeit zu üben. Es gibt keine andere Barbara Blaine. Aber wir alle können auf unsere eigene Weise danach streben, Barbaras Geist für
Gerechtigkeit weiterzuführen, und ihre lebenslange Überzeugung, dass ein weiterer Schritt den nötigen Unterschied machen kann. Details zu einer öffentlichen Gedenkstätte werden folgen. Bei
Fragen zur Nachbereitung der Arbeit wenden Sie sich bitte an Beth Bollinger unter bethatlaw@gmail.com. Barbara's Ehemann ist auch verfügbar, wenn nötig.
Ausführlicher Bericht folgt.
Hier ein guter Bericht zur aktuellen Neuerungen und zur Verlängerung beim Fonds Sexueller Missbrauch:
Die Verlängerung der Antragsfrist im familiären Bereich und die Fortführung einiger Bereiche des institutionellen Teils des Ergänzenden Hilfesystems stellen weitere Schritte auf dem richtigen Weg dar. Auf etwas Wesentliches möchten wir besonders aufmerksam machen. Auf der Startseite des FSM heißt es:
„Die Auszahlungsdauer der Fondsmittel wurde um zwei Jahre verlängert. Die Auszahlung der Fondsmittel ist somit derzeit bis Ende 2019 möglich. Damit eine rechtzeitige Auszahlung erfolgen kann, sollten Rechnungen für bewilligte Leistungen bis zum 01.12.2019 bei der Geschäftsstelle des Fonds Sexueller Missbrauch eingereicht werden.“
http://www.fonds-missbrauch.de/
Die Befragung richtet sich an Menschen, die in ihrem Leben sexuelle Gewalt, einschließlich organisierter und/oder ritueller Gewalt erlebt haben. Ziel der Studie ist es, die Erfahrungen und das Wissen von Betroffenen zu erfassen und die Folgen organisierter und/oder ritueller Gewalt besser zu verstehen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen helfen, die Akzeptanz, die therapeutische Begleitung und die Versorgungssituation von Menschen mit diesen Gewalterfahrungen zu verbessern. Das Projekt findet im Rahmen der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (UKASK) statt.
Informationen zur Teilnahme, sowie die gesamte Online-Befragung, auch als PDF-Datei, ist zu finden über diesen Link:
https://www.limesurvey.uni-hamburg.de/index.php/survey/index/sid/399896
Informationen zum gesamten Projekt auf der Homepage der UKASK, über diesen Link:
https://www.aufarbeitungskommission.de/kommission/projekte/projekt-peer-briken/
Auch bezogen auf das Collegium Josephinum gibt es Betroffenenberichte, die eine Betrachtung nahelegen, die das Geschehen dort in die Nähe organisierter Gewalt rückt. Auch bei den Missbrauchsbetroffenen dieses Internats gibt es zudem das Phänomen der Mehrfachbetroffenen. Das heißt, wer hier missbraucht wurde, hatte möglicherweise eine gute Disposition zu nochmaligem Missbrauch bzw. zum nochmaligen Erleiden von Gewalt in Form organisierter oder ritueller Gewalt.
Hier der Link zum Anschreiben der Studie.
Der Abschlussbericht von Rechtsanwalt Weber zu Gewalt und Missbrauch bei den Regensburger Domspatzen ist öffentlich und kann hier eingesehen werden. Der Abschlussbericht enthält endlich zahlreiche Elemente, die zu betrachten oder zu erwähnen, auch wir während der Aufarbeitung immer wieder als besonders wichtig herausgestellt haben. Leider blieben unsere Bitten, diese Betrachtungsweisen/Aspekte in die Zwischenberichte aufzunehmen, aus unterschiedlichen Gründen (finanzielle Kosten, Zeitmangel und bisweilen auch Unverständnis) unerfüllt. Im Regensburger Bericht kann man nun die Effizienz solcher Betrachtungsweisen unmittelbar erkennen, um nicht zu sagen "erleben". Wir möchten mit diesen Anmerkungen nicht die seinerzeitige Arbeit von Herrn Merzbach kritisieren, sondern auf die Möglichkeiten und die Fruchtbarkeit der erweiterten Betrachtung hinweisen. Erschütternd, wie sehr die Rahmenbedingungen in den kirchlichen Internaten sich doch auf´s Haar gleichen. Besonders geht es uns um die Betrachtungsweise, die Weber "Analyse ex ante" nennt. Es ist eben wichtig, gegen alle anderen Behauptungen (z. B. Prügel war doch normal und nichts Schlimmes) festzuhalten, dass die im Internat ausgeübte Gewalt auch damals schon strafbar war, geschweige denn, dass sie geschadet hat und eine Bedingung für sexuelle Gewalt gewesen ist. Es gibt - und das wird durch diesen Bericht ebenfalls eindrucksvoll analysiert - so etwas wie eine Gelegenheitsstruktur für Missbrauch. Diese gab es in Regensburg, sie gab es im Odenwald und sie gab es im Collegium Josephinum.
Wir empfehlen ausdrücklich das Studium des Berichtes.
Kardinal Müller tritt nicht nur nach nach seiner Demission als oberster Glaubenshüter sondern bleibt auch bezüglich der Missbrauchsaufarbeitung bei den Regensburger Domspatzen ohne Einsicht und ohne Empathie. Sein Gesprächsangebot entlarvend:
„Die Erfahrung mit Missbrauchsopfern lehre ihn, führt Pater Zollner im Interview mit Radio Vatikan aus,
dass das Gespräch mit Verantwortungsträgern eine heilende Wirkung habe, von der viel Gutes ausgehe: „Die Betroffenen von Missbrauch wünschen in erster Linie, dass sie angehört werden. Das ist
das Allererste und Allerwichtigste, und für manche auch so wichtig, dass sie darüber hinaus andere Dinge wie Therapien oder Entschädigungszahlungen für sich selbst gar nicht wirklich als eine
entscheidende Geste ansehen – sondern es dabei belassen, wenn sie wirklich einmal angehört werden. Das ist etwas, was ich jedem Bischof oder Provinzial bei den Fortbildungen, die ich immer
wieder halte, sage und sehr ans Herz lege.“
Wahrscheinlich muss ein Beauftragter des Vatikans so reden. Wir finden es billig, wenn wir es in Bezug zu den letzten Meldungen setzen.
Hier der Link. Man beachte auch die zahlreichen und ausgezeichneten Kommentare:
Der Generalanzeiger schreibt wie folgt:
"General-Anzeiger Bonn, 17. Juli 2017
Vorwurf gegen frühere Patres in Bad Godesberg
Missbrauchsopfer des Aloisiuskollegs kämpft gegen Verjährung
Bad Godesberg. Ein Missbrauchsopfer des Aloisiuskollegs hat sich mehrfach an die Strafverfolgungsbehörden gewandt. Die Generalstaatsanwaltschaft und das Oberlandesgericht verwerfen nun Beschwerden.
Von Ebba Hagenberg-Miliu
Im Fall des Ex-Schülers des Aloisiuskollegs (Ako), der schwere Missbrauchsvorwürfe gegen zwei frühere Patres erhebt, hat die Bonner Staatsanwaltschaft frühere Angaben korrigiert: Der Betroffene habe sich seit November 2016 doch mehrfach an Strafverfolgungsbehörden gewandt, so Behördensprecher Sebastian Buß. Erst erstattete der Mann in seiner Heimatstadt Strafanzeige gegen die Jesuitenpatres, die ihn in den Jahren 1980 bis 1983 gemeinschaftlich missbraucht haben sollen. Einen dritten Pater zeigte er wegen gefährlicher Körperverletzung an.
Der Fall wurde an die Staatsanwaltschaft Bonn abgegeben. Die stellte das Verfahren 2016 wegen Verjährung ein. Dagegen legte der Betroffene Widerspruch ein und erklärte: Für Missbrauch gelten seit 2013 neue Verjährungsfristen bis zu dreißig Jahren. Diese Beschwerde wies im Februar 2017 der Kölner Generalstaatsanwalt als unbegründet ab mit der Begründung: In dem Fall sei die Verjährung schon vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung eingetreten.
Anwältin sieht besondere Schwere der Taten
Das aber bestritt die Anwältin des Betroffenen im März per Antrag auf gerichtliche Entscheidung nochmals: Aufgrund der Schwere der Taten müsse die längste Verjährungsfrist von 30 Jahren gelten. Das verwarf Ende März das Oberlandsgericht Köln aus formalen Gründen: Im Antrag fehle die erforderliche Sachverhaltsschilderung. Der Betroffene berichtet dem GA, er habe dem Ako Anfang 2010, als der Missbrauchsskandal ausbrach, die Taten schriftlich mitgeteilt, aber nie eine Antwort erhalten. Ako-Schulleiter Manfred Sie-burg erklärt dazu, man wisse nichts davon, dass dieses Schreiben im Ako angekommen sei. Aber das Kolleg sei tief erschüttert über die sich in den Vorwürfen abzeichnende neue Dimension der Vergehen.
Betroffener fühlt sich stigmatisiert
„Ein Opfer hat nicht den Drang, nochmals seine Täter aufzusuchen“, erklärt der Betroffene selbst. Er sei nach 2010 erst einmal nur froh gewesen, „dass ich das alles überlebt habe“. Doch er leide weiter unter den Folgen des Missbrauchs. „Ich kann oft nicht mehr klar denken, geschweige denn vernünftig laufen, habe Panikattacken, Blackouts, Schweißausbrüche, Albträume und Magenprobleme. In allen Situationen des Lebens habe ich Probleme, Beziehungen mit anderen Menschen einzugehen.“ Und er fühle sich stigmatisiert. Seit Ende 2016 kämpft der Mann um Anerkennung als Opfer. Wegen des aktuellen Falls eines möglichen sexuellen Übergriffs durch einen Ako-Lehrer habe er sich entschieden, auch an die Öffentlichkeit zu gehen: „Das muss am Ako endlich mal aufhören.“
Einer der beiden Patres, die den Betroffenen damals nackt fotografiert, gemeinschaftlich bis zur Ohnmacht gewürgt und inklusive Penetration vergewaltigt haben sollen, ist der 2010 verstorbene Internats- und Schulleiter Pater Ludger Stüper, dem bislang Taten zur Last gelegt wurden, die er allein begangen haben soll. Der 2007 verstorbene zweite Jesuit war von 1952 bis 1955 Präfekt und von 1969 bis 1995 Lehrer am Ako. In der Zeit dazwischen soll er sich dem Zinsmeister-Aufklärungsbericht von 2011 zufolge „sexueller Übergriffe“ am Jesuitenkolleg Büren schuldig gemacht haben. Für seine Jahre am Ako verzeichnet der Bericht strafbare Körperverletzungen.
Ab 1995 war der Pater Bundeskaplan einer großen katholischen Jugendorganisation. Der dritte Pater, dem gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wird, lebt heute hochbetagt in einem Heim in Köln.
Zusatz: Den Nachruf für den zweitgenannten Pater schrieb 2007 Pater Theo Schneider, bis 2010 Rektor am Aloisiuskolleg, heute Superior der Jesuitenkommunität Göttingen.
https://unheiliger-berg.jimdo.com/noch-aktueller/
Der CoJoBo- Newsletter vermeldet die Verabschiedung von Peter Billig:
"Mit dem Ende dieses Schuljahres geht unser langjähriger Direktor, Herr Peter Billig, in den Ruhestand. Seit 1980 als Lehrer für Deutsch und Philosophie am Gymnasium tätig, hat er von 1993 an in unnachahmlicher Weise fast 24 Jahre lang das Collegium Josephinum Gymnasium geleitet. Er hat der Schule dabei ein Profil von klaren Konturen verliehen und ihren weit über Bonn hinausreichenden Ruf gefestigt. Herr Billig hat seine ganz persönlichen Spuren am CoJoBo hinterlassen, und damit sind nicht nur Äußerlichkeiten wie neue Fenster oder eine neue Farbgestaltung gemeint, sondern auch Konzeptionelles: Projekte, die in der Agenda zu „CoJoBo 2020“ gebündelt sind, wurden angestoßen und vorangetrieben, Veranstaltungen wie der „Tag der offenen Tür“ komplett neu ausgerichtet und modernisiert um nur ein paar Dinge herauszugreifen. Anlässlich seiner Verabschiedung in einer kleinen Feier im Kollegenkreise stellte Karl-Albert Schmitz in seiner Rede fest, dass das Josephinum „unter diesem Direktor aus dem kanonischen Laienstande sicherlich redemptoristischer geworden [ist], als [es] es in den Jahrzehnten zuvor [war].“ Herr Billig selbst wünschte allen am CoJoBo lernenden, lehrenden und arbeitenden Menschen für die Zukunft einen „offenen Blick“ füreinander sowie „Vertrauen“ zueinander. Das gemeinsame Bestreben aller, alles „Management“ im Umgang miteinander zu meiden, also Mensch zu bleiben, sei die Grundlage dafür gewesen, dass er sagen dürfe: „Ich han dat Jeföhl, et hätt och jet Spass jemaat!“
Gesetzt, man fragte ihn, was ihm in den zurückliegenden 24 Jahren als Schulleiter mit am meisten Spaß gemacht habe, dann würde er höchstwahrscheinlich antworten: Die Aufnahme der neuen Sextaner und die Verabschiedung der Abiturienten in jedem Jahr. In diesem Jahr tat er Letzteres zum letzten Mal, und er schloss seine Rede an die scheidenden Abiturienten mit den Worten: „Passt auf Euch auf, bis wir uns wiedersehen!“ Wir wollen ihn beim Wort nehmen und hoffen, ihn beim nächsten Ehemaligentreffen begrüßen zu dürfen, denn wo gibt es am ehesten ein Wiedersehen mit alten „CoJoBoten“ als auf dem Ehemaligentreffen nach dem Weihnachtsbasar. Wir wünschen Herrn Billig alles Gute, Gesundheit, Gottes Segen und genügend Zeit für Traumtouren auf seiner Harley Davidson.
Vielleicht kommt er ja mit ihr zum Ehemaligentreffen."
Dass die Bilanz des Vereins MoJoRed zur Amtszeit des verabschiedeten Schulleiters anders ausfällt, wird die aufmerksamen Leser unserer Website gewiss nicht verwundern. Dazu später mehr. Erst soll in diesem Zusammenhang noch ein wichtiges Gespräch von Verein und Ordensleitung stattfinden.
Hier die Links zu den Berichten des Generalanzeigers:
Dazu ein ausgezeichneter Kommentar:
Vom 20.10. bis 22.10. findet in der Evangelischen Akademie Tutzing eine Veranstaltung zum Thema Aufarbeitung statt. Titel „Kindheitsverletzungen“.
KINDHEITSVERLETZUNGEN 20. – 22.10.2017 / Tutzing Sexuelle Gewalt an Kindern geschieht mitten unter uns, oft mit lebenslangen Folgen. Tatorte sind Familien, Schulen, Heime, Vereine. Wie kann heute – häufig viele Jahre nach den Taten – Aufarbeitung durch die „Unabhängige Kommission“ bei der Bundesregierung geschehen? Was müssen wir alle daraus lernen?
http://www.ev-akademie-tutzing.de/wp-content/uploads/2015/02/Homepage-JahrProg-2017-2018-klein.pdf
Ein ehemaliger Schüler des Aloisiuskollegs (Ako) , der das Gymnasium zwischen 1980 und 1983 besuchte, hat sich an den "Eckigen Tisch Bonn" gewandt und schwerste Vorwürfe erhoben.
www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/bonn-missbrauchsvorwuerfe-100.html
http://www.aloisiuskolleg.de/meldung/neue-missbrauchsvorwuerfe-aus-den-1980er-jahren/260http://www.ksta.de/region/rhein-sieg-bonn/bonn/erneut-schwerer-vorwurf-gegen-aloisiuskolleg-bonner-schueler-von-jesuiten-vergewaltigt--27856718
http://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/neue-vergewaltigungsvorwuerfe-am-aloisiuskolleg-100.html
http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/neue-missbrauchsvorwurfe-an-jesuitenschule
Der Verein "MoJoRed" hat die sog. Präventionsgespräche mit dem Orden kurzfristig abgebrochen in Anbetracht vieler ungeklärter Fragen, die insbesondere die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit bisheriger Präventionsanstrengungen betreffen. Unsere Auffassung: von Schulen, die in der Vergangenheit Sexuellen Missbrauch zugelassen haben, müssen Anstrengungen der Prävention erwartet werden, die höchstmögliche Sicherheit gewährleisten und die mindestens die geforderten Standards (siehe Bischofskonferenz und Unabhängiger Beauftragter der Bundesregierung) erfüllen und wenn irgend möglich über das gesellschaftlich übliche Maß weit hinausgehen. Wenn wir uns sicher sind, dass dieses Verständnis der Prävention zentrales Anliegen des Ordens und der Schule ist, werden auch wir unsere besonderen Erfahrungen als Betroffene wieder einbringen können.
Offensichtlich beginnen in diesen Tagen die ersten Verabschiedungsrituale für den scheidenden langjährigen Schulleiter am CoJoBo Peter Billig.
Am 1.Mai 2017 jährte sich zum vierten Mal der Tag, an dem der Fonds Sexueller
Missbrauch vom Bund eingerichtet worden ist. Dem Fondsbeirat gehören bisher zwei Mitglieder des Vereins "MoJoRed" an, Frau Witte und Herr Ponsens. Hier der Rückblick auf 4 Jahre Fonds
Sexueller Missbrauch:
Vier Jahre Fonds Sexueller Missbrauch
– ein Ergänzendes Hilfesystem für Missbrauchsopfer
Am 1.Mai 2017 jährte sich zum vierten Mal der Tag, an dem der Fonds Sexueller Missbrauch vom Bund eingerichtet worden ist. In diesem Zeitraum hat sich das Ergänzende Hilfesystem für
Missbrauchsopfer entwickelt, es wurde überarbeitet, das
Personal der Geschäftsstelle aufgestockt. Die Beteiligten engagieren sich sehr, damit die fast 10.000 inzwischen eingegangenen Anträge bearbeitet werden können und Verfahrensabläufe, soweit
als Vorgaben und Konzeption es zulassen, beschleunigt werden.
Als Betroffenenbeirat im Fonds Sexueller Missbrauch bewerten wir Folgendes positiv:
· Der FSM unterstützt niedrigschwellig Betroffene sexuellen Missbrauchs in Kindheit und Jugend. Besonders kommt dies Opfergruppen zu Gute, welchen unsere Gesellschaft bisher nicht oder nicht
angemessen hilft. Dazu gehören Kinder,
die sofort Unterstützung benötigen, Menschen mit Behinderungen, Betroffene organisierter sexueller Ausbeutung/ritueller sexueller Gewalt/sektenähnlichen Missbrauchs.
· Das System schließt ein Stück weit Lücken, die sich aus der ganz regulären, aber für Missbrauchsbetroffene sehr unzureichenden Versorgung innerhalb der gesetzlichen Regelleistungen
ergeben.
· Im Zuge der Bearbeitung der Anträge wurden Erkenntnisse gewonnen, die bestätigen, was im Feld Engagierte seit Langem wieder und wieder gegenüber den Verantwortlichen vortragen:
Kindesmissbrauch ist in dem Maß verbreitet, wie seine
Vertuschung und das Verschweigen gesellschaftlich kultiviert wird.
· Das, was wir durch die Anträge erfahren, zeigt Wege für die bessere Versorgung von Missbrauchsopfern, den Schutz von Kindern und Jugendlichen und den gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema
auf.
· Es ist ermutigend, wenn AntragstellerInnen bzw. ihre UnterstützerInnen einige Zeit nach dem Erhalt von Leistungen rückmelden, wie sehr sie von den genau auf ihre Situation zugeschnittenen
Leistungen profitieren. Für manche Betroffene ist schon allein die Tatsache, als Gewaltopfer anerkannt zu werden und Unterstützung zu erhalten, eine wertvolle und stärkende Erfahrung.
· Im Miteinander von Fachleuten für Politik, Verwaltung, Behandlung, Justiz und ErfahrungsexpertInnen ist es gelungen, etwas zu entwickeln, was administrativen Vorgaben folgt und gleichzeitig
die Bedürfnisse der Adressaten der Leistungen im
Fokus behält.
· Dass es dem Fonds Sexueller Missbrauch als Ergänzendem Hilfesystem für Missbrauchsopfer gelungen ist, das Vertrauen vieler Betroffener und ihrer UnterstützerInnen zu gewinnen, ist ein sehr
gutes Zeichen. Denn Opfer und ihre
HelferInnen sind aus nachvollziehbaren Gründen sehr zurückhaltend, wenn es um Vertrauensvorschüsse geht.
· Angehörige des FSM nehmen am Expertisenkreis Sexualisierte Gewalt in rituellen und organisierten Gewaltstrukturen teil, zu dem das Referat des BMFSFJ seit September 2016 einlädt. Das
Wissen, das sich aus der Bearbeitung der Anträge ergibt, kann so in ein wichtiges Projekt eingebracht werden.
Fortentwickelt werden sollte unserer Meinung nach:
· Das bewusst niederschwellig angelegte EHS hätte angesichts von mehreren Millionen potentieller NutzerInnen viel mehr Unterstützung verdient. Dies betrifft dessen Ausstattung, eine
notwendige gesetzliche Verankerung, als auch ideelle Aspekte und die Öffentlichkeitsarbeit.
· Es gibt leider eine Opfergruppe, die von Hilfen ausgeschlossen ist und das sind Menschen, an denen die Missbrauchstaten vor 1949 verübt wurden. Gerade für diese Betroffenen gab und gibt es
aus historischen und gesellschaftlichen Gründen besonders wenig Unterstützung.
· Menschen, die im familiären und institutionellen Bereich sexualisiert traumatisiert wurden, sind gegenüber anderen Opfern schlechter gestellt. Dies gilt insbesondere für Ehemalige
Heimkinder.
· Beim institutionellen EHS konnte das Problem des Schutzes der Persönlichkeitsrechte der AntragstellerInnen nur partiell zufriedenstellend gelöst werden. Wir führen die im Vergleich zum
familiären FSM sehr niedrige Zahl an Anträgen darauf zurück. Hier stehen der Aufwand, den das FSM betreibt und der Nutzen für institutionelle Opfer in keinem Verhältnis.
· Die drei unterschiedlich konzipierten und verorteten Ergänzenden Hilfesysteme sollten in eine dauerhafte, gesetzlich geregelte Lösung zusammengeführt werden. So könnten Synergieeffekte
genutzt und die Effizienz gesteigert werden, ohne dass die Leistungen entindividualisiert werden müssen. Die Hilfen für Ehemalige Heimkinder gehören fortgesetzt.
· Da wo nicht traumaspezifisch versorgt wird, erreichen die Leistungen oft nicht ihr Ziel. Nicht wenige Betroffene gehören zu den dauerhaftesten Klienten der Regelhilfesysteme, ohne dass sich
ihre Situation dadurch verbessert. Oft ist sogar das Gegenteil der Fall. Finanzielle und personelle Ressourcen werden zwar eingesetzt, aber sehr unspezifisch. Teils werden Sekundärschäden
dadurch erst erzeugt oder in ihrer Wirkung verstärkt und chronifiziert. Der FSM sollte noch deutlicher als bisher gegenüber den Verantwortlichen aufzeigen, dass, wo individuell, spezifisch
und fachgerecht versorgt wird, Mittel ihre größten Effekte entfalten. Dies käme der gesamten Gesellschaft zu Gute.
· Das Verfahren im FSM führte einige neue, da opfergerechte Herangehensweisen ein. Sie mit den formalen und juristischen Standards abzugleichen, ist für alle Beteiligten eine fortlaufende,
fordernde Aufgabe. Das EHS-Verfahren sollte dauerhaft etabliert und auf andere Hilfesysteme übertragen werden.
Fazit:
Wer sich den Realitäten des sexuellen Kindesmissbrauchs stellt, beweist Mut, damit gemeinschaftliche Übereinkünfte zu hinterfragen, die uns allen Orientierung geben und ein Gefühl von
Sicherheit schenken. Dies fordert Widerstände heraus, die es zu überwinden gilt. Der Betroffenenbeirat im Fonds Sexueller Missbrauch hofft, dass das Ergänzende Hilfesystem nicht nur weiterhin
unterstützt wird, sondern ausgebaut werden kann, damit es seiner wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe Rechnung trägt.
Wir möchten uns bei allen Beteiligten für die vertrauensvolle, konstruktive und engagierte Zusammenarbeit bedanken! Gemeinsam haben wir schon viel für minderjährige und erwachsene Betroffene
erreicht. Wir freuen uns darauf, auch zukünftig, gemeinsam mit den am FSM Mitarbeitenden noch mehr zu bewirken.
Im Namen des Betroffenenbeirats beim Fonds Sexueller Missbrauch
Berlin, den 13. Juni 2017
Angelika Oetken
Jörg-Alexander Heinrich
SprecherInnen
Wie wir aus der Homepage der Redemptoristen erfahren, hat der Orden zusätzlich zum männlichen Beauftragten auch eine Frau als Beauftragte berufen.
Hier die Kontaktdaten des männlichen Beauftragten:
Günter Niehüser
Sophie-Grosch-Str. 1, 55122 Mainz
E-mail: g.niehueser@rz-online.de
GSM.: +49 (0)160 87 31 567
Und hier die Kontaktdaten der neuen weiblichen Beauftragten:
Christa Pesch
Jägerstraße 30, 51503 Rösrath
christa.pesch@gmx.de
Tel.: +49 (0) 220 58 28 26
Wir begrüßen die Berufung einer zweiten Beauftragten, weiblich, sehr.
Wer sich näher über die neue weibliche Beauftragte informieren will, sei auf folgende Links verwiesen:
http://www.bibliodrama-gesellschaft.de/Christa-Pesch.106.0.html
In diesen Monaten werden die Präventionskonzepte der Schule Collegium Josephinum in Bonn durch Frau Haardt- Becker und Herrn Spitzok einer kritischen Überprüfung unterzogen. Der Verein der Missbrauchsopfer (MoJoRed) ist in diese Überprüfung beratend einbezogen.
Diese Überprüfung findet zu einem Zeitpunkt statt, in dem die kritischen Sinne des Vereins besonders geschärft sind: angesichts erneuter Vorfälle am Aloisiuskolleg und an anderen kirchlichen Schulen sind unserer Überzeugung nach alle Präventionskonzepte daraufhin zu hinterfragen, wie sie sich in bestimmten Fallkonstellationen bewähren bzw. was die bisherigen Präventionskonzepte tatsächlich bewirken können und wo der mögliche Mangel ist. Es scheint tatsächlich, als ob zentrale Stellschrauben im Präventionsalltag an den Schulen noch gar nicht angezogen sind. Der bevorstehende Wechsel in der Schulleitung des CoJoBo kann nach Ansicht des Vereins für die Umsetzung wirksamer Prävention eine besondere Chance bieten. Wir bauen insofern auf die neue Schulleitung.
Der Überprüfungsprozess verspricht also mindestens spannend zu werden. Für den Verein ist er Gradmesser für die Glaubwürdigkeit der bisherigen Aufarbeitung. Wenn man so will, entscheidet sich hier, ob der Orden und die Schule verstanden haben und ob guten Worten auch Taten entsprechen. Gut gemeinte Prävention ist uns zu wenig: ganz im Sinne des bekannten Sprichworts "Gut gemeint, ist das Gegenteil von gut". Papiergewordene Schubladenprävention ist uns auch zu wenig. Klar ausgesprochen: wir wollen mehr und stehen zu dieser "inquisitorischen" Aufgabe des Vereins.
Der Eckige Tisch Bonn, Verein der Geschädigten des Aloisiuskollegs e.V. (ETB), der Generalanzeiger und das Kolleg selber berichten von einem erneuten Missbrauchsskandal.
Zum erneuten Missbrauchsfall erschien folgende Pessemitteilung des Eckigen Tisches Bonn:
ECKIGER TISCH BONN Verein der geschädigten des Aloisiuskollegs e.V. (ETB)
zum aktuellen, erneuten Missbrauchsskandal des Aloisiuskollegs:
Kernschmelze der Prävention:
Missbrauchsbetroffene fordern unabhängige Schulleitung / Gespräche ausgesetzt.
Berlin, 09.05.2017. Unser Mitgefühl und Solidarität gelten vor allem dem Opfer eines Übergriffes.
Das Aloisiuskolleg (AKO) hat eine lange Tradition. Es ist die Schule in Deutschland, auf der seit mind.
1946, jedes Jahr, den aktuellen Mutmaßlichen eingeschlossen, mindestens ein Missbrauchstäter tätig
war, der Opferbiografien „produzierte“. Das ist trauriger Rekord in Deutschland. Die Tradition muss
beendet werden. Wir fragen uns, wie es spätestens nach Aufdeckung der Skandale 2010 nun erneut
zu Übergriffen, wieder zum Super-Gau, einer weiteren pädagogischen Kernschmelze im Umfeld des
Aloisiuskollegs zum Nachteil von Schutzbefohlenen kommen konnte. Vielen Mitgliedern des ETB mit
entsprechenden biografischen Hintergrund schmerzt diese aktuelle Nachricht gleichsam körperlich.
Wie lange wollen Elternschaft und Aufsichtsbehörden noch zusehen?
Wir glauben, dass nicht die einzelnen Missbrauchstäter der vergangenen Jahre das eigentliche
Problem des Aloisiuskollegs darstellen, sondern die dortige Kultur, die aus einer vermeintlichen
Überlegenheit und dem Streben nach dem so Besonderen, dem „Mehr“, Räume für Missbrauchstäter
offensichtlich zulässt. Wir stellen, nach den uns vorliegenden Informationen, fest, dass wieder das
außerschulische Angebot des AKO und das Internat eine hierbei ungesunde Rolle spielten.
Augenscheinlich haben es der Schulträger, der Jesuitenorden und die Verantwortlichen am AKO,
entgegen vollmundiger Bemühungen, wieder nicht vermocht, Übergriffe auf Schutzbefohlene von
diesen fernzuhalten. Ursachen hierfür sehen wir im Unvermögen/Unwillen, sich einer wirklichen,
weltlichen und externen Überprüfung – auch des Ordens – zu unterwerfen und daraus die richtigen
Schlüsse für eine sichere Schulumgebung zu ziehen und umzusetzen.
Wir fordern daher, die vakante geschäftsführende Rektorenstelle am AKO mindestens für 3 Jahre mit
einer kirchenfremden, unabhängigen Fachfrau/Fachmann mit Kompetenzen im Präventionsbereich
zu besetzen, die in der Lage ist, die Missstände zu erkennen und Strukturen zu durchbrechen. Ein
konsequenter Bruch mit einer fehlgelaufenen „Tradition“ hat auch gegen die Verrohung der Berliner
Rütli-Schule geholfen. Hierfür werden wir uns ab sofort bei den staatlichen Stellen einsetzen. Das
AKO ist eine sog. Ersatzschule. Wir fragen Ersatz für was?
Katholische Self-Made-Aufarbeitung (u.E. ein Widersprich in sich) ist gescheitert. Im vorliegenden Fall
hat, unseres Wissens nach, der mutmaßliche Täter den Präventionsleitfaden des AKO mitverfasst, für
dessen schnelle Vorlage noch 2010 man sich dort gefeiert hatte. Auch die angeblichen
Präventionsleistungen des vom AKO beauftragten Vereins Innocence in Danger mit seinem adelsalso
zielgruppendominierten Präsidium, (zudem unter Vizepräsidentschaft, der von Betroffenen stark
kritisierten ehemalige Missbrauchsbeauftragen der Jesuiten Ursula Raue), gehören ebenso
hinterfragt, wie die Beiträge des ordenseigenen Zentrums für Ignatianische Pädagogik (ZIP), welches
sog. „Reflektionstage“ zum Missbrauch vor 2010 am AKO durchführte. Ehrliche Auseinandersetzung,
wirkliche Prävention oder Augenwischerei gepaart mit jesuitischer Hybris? Das ausgestellte
Selbstbewusstsein einer Institution darf (auch indirekt) nicht zum Schaden von Schutzbefohlenen
führen und erneut die Aufsicht (das sind Eltern und Behörden) oder die Öffentlichkeit blenden.
Was bedeutet es für die Aufarbeitung der Missbrauchskultur als wichtige Präventionsmaßnahme,
wenn der ehemaliger AKO-Rektor, der vor 2010 mit seinen Freund, einem Missbrauchstäter, mit
ausgewählten Schülern jahrelang FKK Urlaube machte, zwar versetzt, aber bis heute unbehelligt einer Jesuiten-Niederlassung vorstehen kann? (Welchen Eindruck macht(e) das auf etwaige
Folgetäter?). Was bedeutet es, wenn die Kinderschutzbeauftrage des AKO – trotz mehrfacher Kritik unsererseits, an nur einem von 15 Treffen mit Missbrauchsbetroffenen der letzten Jahre
teilgenommen hat? Offensichtlich haben aber auch erneut weder Schul- noch Jugendamt in Bonn die aktuellen Parallelen zum AKO-Pro e.V. und dessen Missbrauchstäter erkannt. Was unternimmt die
Bonner Jugend-Politik? Es schmerzt uns, dass u.a. obige Kritikpunkte u.v.m., die der ECKIGE TISCH BONN seit Jahren u.a. in der sog. Dialogrunde dem AKO gegenüber äußert hat, unbeachtet
verhallt sind.
Eine Bigotterie besonderen Ausmaßes sehen wir in dem Umstand, dass, nach den uns vorliegenden Informationen, der beschuldigte Lehrer mehrere Tage vor dem Festakt zur Verabschiedung des
Rektors am 27. April 2017 suspendiert wurde. Im Beisein des Bonner Oberbürgermeisters, des Kölner Weihbischofs, des Jesuiten Provinzials, des Paters Klaus Mertes (!) und weiterer ranghoher
Jesuiten, Eltern, Lehrern, Schülern, Pressevertretern, etc. und Missbrauchsbetroffener wurde keinerlei öffentlicher Bezug auf den aktuellen Fall hergestellt bzw. dieser bekanntgegeben.
Hingegen wurde bei dem Anlass, wie auf der Website des AKO (bis heute ohne Stellungnahme zum neusten Skandal) zu lesen ist: „Besonders seine Bemühungen um die Aufarbeitung des Missbrauchs im
Aloisiuskolleg und seine Dialogbereitschaft mit den Betroffenen (…) hervorgehoben.“ Hier stehen sich aktuell u. E. Außen-, Innensicht und Handeln unvereinbar gegenüber. Der ECKIGE TISCH BONN
e.V. setzt die Gespräche mit dem Aloisiuskolleg, bis auf weiteres, mindestens jedoch bis zu einer ausführlichen Darstellung des Sachverhaltes und einer öffentlichen Stellungnahme hierzu
aus.
Der Vorstand 08.05.2017
Für Rückfragen: info@eckiger-tisch-bonn.de
Der Generalanzeiger Bonn berichtete wie immer kompetent und ausführlich:
Das Ako selbst ist in seiner Stellungnahme auf der Homepage eher schmallippig:
Unsere Überlegungen zum aktuellen Fall am Ako:
Unsere Mitgefühl gilt dem Opfer und unsere Solidarität gehört dem Eckigen Tisch, der in seiner Stellungnahme zum aktuellen Fall u. E. wesentliche Aspekte der Ursachen von Missbrauchskriminalität an Ordensschulen anspricht und die Schwierigkeiten beleuchtet, dort wirksame Prävention zu installieren.
Wir unterschreiben jeden einzelnen Satz und sind zugleich gewarnt, was unsere eigenen Bemühungen um Prävention in Einrichtungen des Ordens (hier vor allem Collegium Josephinum Bonn) anbetrifft. Wir als ehemals Betroffene im Collegium Josephinum sind zur Zeit in die Überprüfung des dortigen Präventionskonzeptes eingebunden. Natürlich begrüßen wir diese Einbindung unserer Expertise und befürchten doch zugleich, dass wir möglicherweise an das Zentrum dessen, was die ständige Wiederholung missbräuchlicher Macht bewirkt, nicht herankommen. Schulleitung von aussen, von sehr aussen, war auch unser Vorschlag an den Orden zum anstehenden Schulleiterwechsel.
In den aktuellen Präventions- Gesprächen mit dem Orden als Schulträger geht es vor allem darum, die Prävention vom Papier in die Wirklichkeit zu übersetzen bzw. überhaupt zu klären, was es bedarf, damit den wohlfeilen Worten auch die entsprechenden Taten folgen. Was den Erfolg dieser Gespräche angeht, sind wir einerseits skeptisch, andererseits auch durchaus guter Hoffnung, dass es gelingen könnte, strukturelle Veränderungen zu bewirken.
Die Grundproblematik in diesen Gesprächen bleibt, wie im Schreiben des Eckigen Tisches angesprochen, dass sich diese Schulen auch heute noch trotz ihrer verbrecherischen Vergangenheit immer eher als Teil der Lösung verstehen als ein Teil des Problems. Würden die Verantwortlichen in diesen Schulen ihre Denkrichtung wechseln und sich als ein Teil des Problems oder gar als das Problem selbst verstehen können, sähe das, was an Aufarbeitung der Vergangenheit und das, was als Prävention auf Aufarbeitung folgt, sicher anders aus.
Bei allen Überlegungen und Gesprächen bezogen auf Prävention geht es schlicht um nichts weniger als um das Ganze: es muss verhindert werden, dass es weitere Opfer
gibt.
Am 24.03.2017 treffen sich zum wiederholten Mal die von Missbrauch im Redemptoristenorden Betroffenen um 14.00 im Hotel Römerturm in Köln. Der Orden stellt dankenswerter Weise Logistik und Finanzen bereit, damit sich Betroffene halbjährlich zu gemeinamen Gesprächen treffen können. Im halbjährlichen Wechsel trifft sich einmal die reine Betroffenengruppe und das andere Mal die Betroffenengruppe mit der Ordensleitung. Alle Treffen finden unter moderierter Leitung (Person von außen ohne Bindung zum Orden) statt, die der Orden bezahlt. Das morgige Treffen, an dem auch der Missbrauchsbeauftragte des Ordens referierend teilnimmt, stellt sich dieses Mal dem Thema: "Heimatlosigkeit und Sexueller Missbrauch".
Die Präventionsanstrengungen und Präventionsordnungen des Jugendkloster Kirchhellen und die des Gymnasiums und Realschule Collegium Josephinum in Bonn werden zur Zeit durch eine ordensferne Fachfrau (Frau Haardt- Becker) einer eingehenden Überprüfung unterzogen. Nach der ersten Sichtung durch Frau Haardt- Becker wurden 3 Betroffene aus unserem Verein zur entsprechenden Überprüfung - entsprechend einer Vereinbarung mit dem Verein aus dem Jahr 2016 - dazu geladen.
Tatsächlich konnten wir bei zwei Terminen zum Jugendkloster Kirchhellen unsere Vorschläge und unsere kritische Betroffenensicht umfänglich einbringen. Das Jugendkloster bzw. seine Mitarbeiter sind jetzt gefordert, die entsprechenden Vorschläge von Frau Haardt- Becker und uns zu diskutieren und entsprechende Verbesserungen in den Alltag der Institution zu implementieren.
Im nächsten Schritt folgt die Überprüfung der Präventionsanstrengungen des Collegium Josephinums, die gewiss eines größeren zeitlichen Rahmens bedarf.
Die Diskussion zum Jugendkloster Kirchhellen hat allen Beteiligten (Ordensleitung, Frau Haardt- Becker, Verein Missbrauchsopfer) gezeigt, dass diese Kooperation geeignet ist, das besser zu machen, von dem sich alle erhoffen, dass es den Raum für Missbrauch einschränkt: gute und effektive Prävention.
Au dem entsprechenden Artikel in der FAZ kann die Schlussfolgerung nur lauten: Zweifel, dass der Papst seine Versprechen an die Missbrauchsopfer
ernst nimmt, scheinen sich zu bestätigen:
Artikel aus F.A.Z. Kiosk:
FREITAG, 03. MÄRZ 2017
POLITIK
Wie Don Mauro Inzoli begnadigt wurde
Don Mauro Inzoli, Priester der zur Kirchenprovinz Mailand gehörenden Diözese Crema, war einer von etwa 800 Geistlichen, die während des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. (2005–2013) wegen sexueller Gewalt gegenüber Minderjährigen und Schutzbefohlenen aus dem Klerikerstand entlassen wurden. Nach dem Rücktritt von Papst Benedikt legte Don Inzoli gegen die im Dezember 2012 ergangene Entscheidung der Kongregation für die Glaubenslehre Widerspruch ein. In einem italienischen Kurienkardinal fand der damals 63 Jahre alte Geistliche, der eine führende Rolle in der Bewegung Comunione e Liberazione (CL) spielte, einen Fürsprecher bei Papst Franziskus. Im Juni 2014 erließ die Glaubenskongregation ein neues Dekret, mit dem die Entlassung Inzolis aus dem Klerikerstand rückgängig gemacht wurde. Der Geistliche wurde nun zu einem „Leben in Gebet und Demut“ verurteilt. In den Monaten darauf wurde Don Inzoli im Heiligen Land, bei einem Treffen der CL in Rimini sowie bei einem Kongress zum Thema Familie in Mailand gesehen – es stehe ihm frei, dorthin zu gehen, wo er wolle, ließ er im Januar 2015 den Bischof von Crema wissen. Fünf Monate später wurde der wegen seiner Vorliebe für Autos eines deutschen Herstellers auch Don Mercedes genannte Geistliche in Mailand wegen sexuellen Missbrauchs von fünf Minderjährigen im Alter zwischen zwölf und 16 Jahren zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Zahlreiche andere Fälle waren verjährt. Die Mailänder Justiz beschwerte sich damals öffentlich darüber, dass die vatikanischen Behörden nicht bereit waren, mit den staatlichen Strafverfolgern zu kooperieren. (D.D.)
Wie Gerhard Ludwig Kardinal Müller, Präfekt der Glaubenskongregation dem Ganzen sekundiert, wundert Betroffene nicht. Mühsam hergestelltes beginnendes Vertrauen wird zerstört. Meint der
Vatikan wirklich, jetzt wäre es aber genug? Wahrscheinlich schon.
FREITAG, 03. MÄRZ 2017
POLITIK
„Die Kirche steckt in einem Lernprozess“
Eminenz, Papst Franziskus wird vorgeworfen, er gehe nicht entschieden genug gegen Geistliche vor, die Kinder missbrauchen. Aus Protest dagegen trat jetzt Mary Collins aus der päpstlichen Kinderschutzkommission aus.
Ich kenne den Heiligen Vater bestimmt besser als viele Kritiker und kann diesen Vorwurf nicht teilen. Freilich ist jeder Fall anders gelagert. Dem Kleriker wird zunächst in seiner Diözese der Prozess gemacht. In der Glaubenskongregation sind wir die zweite Instanz, der Papst ist die letzte. Wir fällen nicht auf Zuruf Urteile, es geht vielmehr nach unserer Rechtsordnung. Jeder Angeklagte hat das Recht, sich zu verteidigen. Erst dann fällt das Urteil, das der Papst ändern kann. Aus der Sicht der Opfer dieser furchtbaren Straftaten mag das Urteil dann unterschiedlich bewertet werden.
Geht die Kirche zu milde mit Tätern um?
Zunächst muss man immer sagen, dass kein Urteil eine Tat ungeschehen machen kann. Die Wunde bleibt und wirkt tief nach. Dann muss man auch verstehen, dass manche Opfer den Eindruck haben, es werde nicht hart genug vorgegangen. Aber das ist nicht der Fall. Man muss verstehen, dass wir als Kirche kein weltliches Urteil fällen. In der Kirche geht es um die Einschränkung des geistlichen Dienstes beziehungsweise – als härteste Strafe – um die Entlassung aus dem Klerikerstand. Da jeder Kleriker zugleich auch Bürger eines Staates ist, gilt für ihn auch das staatliche Strafrecht. Staatliche Gerichte können Gefängnisstrafen verhängen. Unser Verfahren ist ein zusätzliches, quasi ein disziplinarisches Verfahren – so wie ein Lehrer nicht nur von einem Gericht belangt werden kann, sondern sich auch dem Kultusministerium stellen muss.
Mary Collins, die seit 2014 der Kinderschutzkommission angehörte, wird mit den Worten zitiert, die Kurie heuchle nach außen zwar Mitleid mit den Opfern, aber handele innen anders.
Zunächst: Kinderschutzkommission und Kurie sind zweierlei. Der Papst hat die Kommission eingesetzt, um zu zeigen, dass Missbrauch ein schweres Verbrechen ist, das bekämpft werden muss – nicht nur der Missbrauch durch Kleriker, sondern jeder Missbrauch von Schutzbefohlenen, auch in Schule und Familie. Die Kommission soll weltweit aufklären und Prinzipien dafür festlegen, wie man mit Tätern umgeht und Kinder schützt. Der Papst wollte mit dieser Kommission weltweit mehr Sensibilität schaffen und auch die Staaten aufrufen, solche Verbrechen in ihren Schulen ernst zu nehmen – und überall, wo Täter die Gutgläubigkeit von Kindern ausnutzen könnten. Die Kommission dagegen soll nicht die Glaubenskongregation unterstützen.
Dort sind Sie der Chef. Angeblich haben Sie die Entlassung des italienischen Geistlichen Don Mauro Inzoli aus dem Priesterstand gefordert. Er hat 1996 ein Kind sogar mehrfach während der Beichte missbraucht. Der Papst aber milderte das Urteil ab: Inzoli dürfe Priester bleiben, müsse jenseits der Heimatdiözese leben, dürfe öffentlich keine Sakramente feiern und müsse sich einer Psychotherapie unterziehen.
In diesem Fall sind die Akten noch nicht geschlossen. Es gibt neue Elemente, über die ich nicht sprechen kann. Kirchenrechtlich ist dieser Fall jedenfalls noch nicht zum Abschluss gekommen.
Es ist auffällig, dass es letzthin vor allem um italienische Geistliche ging. Haben Sie Probleme mit der italienischen Kirche?
Es gibt natürlich in jedem Land eine andere Mentalität und Kultur. Auch die Gesetzgebungen unterscheiden sich. Vor allem ist der Grad der Sensibilisierung nicht überall so hoch, wie wir es eigentlich erwarten sollten. Wir als Bischöfe sind doch im Grunde naive Menschen, die an das Gute glauben. Wir haben auch nicht Kriminalistik studiert. Da ist es nicht leicht, sich mit etwas so Entsetzlichem und Undenkbarem auseinanderzusetzen. Wir stecken als Kirche noch in einem Lernprozess.
Es heißt, Inzoli sei einmal Mitarbeiter der Glaubenskongregation gewesen. Sammeln sich womöglich gerade in Ihrer Kongregation besonders viele Straftäter, weil Bischöfe dorthin ihre Priester abschieben?
Das glaube ich nicht. Inzoli gehörte auch nie zu uns. In der Glaubenskongregation liegt uns viel an Qualität, wir brauchen besonders gute Leute. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass jemand hineinkommt, der sich des Missbrauchs schuldig gemacht hat, dies aber nicht erkennbar war. Wir aber gehen nicht lässig mit unseren Kriterien um.
Der Rücktritt von Frau Collins bedeutet einen Vertrauensverlust auch für Ihre Kongregation.
In der entsprechenden Abteilung versuchen zehn Fachleute – es kamen gerade drei neu dazu –, jedem Fall gerecht zu werden. Da geht es um verschiedene Sprachen und verschiedene Kulturen. Wir haben hoch qualifizierte Leute. Auch die Mitglieder der Glaubenskongregation, Kardinäle und Bischöfe haben in den vergangenen Jahren hart gearbeitet. An der Glaubenskongregation kann es nicht liegen.
Das Gespräch führte Jörg Bremer.
Im Gespräch: Gerhard Ludwig Kardinal Müller, Präfekt der Glaubenskongregation
Ein von Missbrauch und Gewalt betroffener Mitschüler der 60er Jahre machte uns dankenswerter Weise auf die Wichtigkeit der aktuellen Diskussion um den Opferbegriff in der TAZ bzw. in der FAZ aufmerksam. Uns scheint diese Diskussion so wichtig, dass wir hier die einzelnen Zeitungsbeiträge in vollem Text wiedergeben. Unsere Entscheidung ist auch klar: wir verwenden bewusst, selbstbewusst den Begriff "Missbrauchsopfer" - durchaus auch abwechselnd mit dem Begriff "Betroffene" oder "Überlebende".
Zuerst zum Artikel aus der TAZ vom 13.02.2017:
Beschreibung sexualisierter Gewalt: Du Opfer!
Der Begriff stellt Menschen als wehrlos dar, gilt sogar als Beleidigung. „Erlebende“ dagegen ist aktiv und ändert die Perspektive.
Die Rede ist natürlich von dem Wort mit dem großen O. O wie: „Oh mein Gott, ab jetzt muss ich auf Zehenspitzen um dich herumschleichen.“ O wie: Opfer. Denn „Opfer“ ist keineswegs ein wertfreier Begriff, sondern bringt eine ganze Busladung von Vorstellungen mit. Wie die, dass Opfer wehrlos, passiv und ausgeliefert sind – und zwar komplett. Bloß sind Menschen, denen etwas angetan wurde, ja immer noch sie selbst. Vielleicht haben sie sich in der Situation ausgeliefert gefühlt, vielleicht haben sie sich auch erfolgreich gewehrt, vielleicht … Doch macht ein Begriff wie Opfer alle gleichsam zu … Opfern eben.
Wenn mir jemand erzählt, dass er oder sie einmal einen Autounfall gehabt hat, wird sich meine Wahrnehmung dieser Person wahrscheinlich kaum verändern. Genau das passiert jedoch, wenn wir „Autounfall“ durch „Vergewaltigung“ ersetzen. Das hat Vorteile: dass wir vorsichtig sind, dass wir das Geschehen ernst nehmen. Und Nachteile: dass wir ausschließlich vorsichtig sind, egal, was sich die Person von uns wünscht, dass wir das Geschehen ernster nehmen als alles andere im Leben dieser Person oder dass wir die Person eben nicht ernst nehmen, weil wir eine sehr genaue Vorstellung davon haben, wie und wer Opfer sind und wie sie sich zu verhalten haben.
Indem wir Menschen als Opfer bezeichnen, stecken wir sie in eine Schublade und werfen den Schlüssel weg. Egal, was wir eigentlich meinen. Sprache mag zwar veränderlich sein, doch ist sie nicht beliebig. Natürlich können wir uns morgen entscheiden, „Kaffee“ nur noch „Ohrfeige“ zu nennen, doch sollten wir dann vorsichtig sein, wenn wir jemanden zu einem Kaffee einladen wollen.
Das Wort „Opfer“ wurde aus dem Verb „opfern“ gebildet und kommt ursprünglich aus dem Bereich des Sakralen. Ein Opfer war das, was man der Gottheit oder den Gottheiten brachte. Im Christentum steht das Opferlamm für Reinheit und Unschuld. Deshalb schien es eine gute Idee, das Konzept auf sexualisierte Gewalt (oder den Holocaust) zu übertragen, um die Opfer von der Schuld an den an ihnen begangenen Verbrechen freizusprechen. Bloß begannen mit der Umdeutung des Opferbegriffs auch die Spekulationen über die „typische Opfer-Persönlichkeitsstruktur“ und warum bestimmte Menschen zu Opfern werden und andere nicht – und ob Opfer nicht irgendwie das Verbrechen anziehen. Populärpsychologisch führt das dazu, dass, wenn beispielsweise Beziehungen zu Bruch gehen, Freund*innen zu Hilfe eilen und fragen: „Überlege doch mal, warum du dir so eine*n ausgesucht hast.“
Okay, das ist keine Frage, aber sie erwarten trotzdem eine Antwort. Im Lexikon finden sich so charmante Synonyme wie: Unglückswurm oder armes Hascherl. Und Jugendliche bringen das mit ihrem feinen Sprachgespür in der Beleidigung „Du Opfer!“ auf den Punkt.
Um von der Vorstellung des armen Hascherl wegzukommen, wurde in den 1990er Jahren der Begriff „Überlebende“ geprägt. Das hörte sich toll an, weil Überlebende aktiv überleben und nicht passiv zum Opfer gemacht werden. Allerdings brach es nicht mit dem Narrativ von Vergewaltigung als dem Schlimmsten, was einer Frau passieren konnte. A fate worse than death – oder zumindest vergleichbar mit dem Tod. Wer das, was ihr oder ihm angetan worden war, selbst definieren wollte, hatte ein Problem, oder ihm*ihr wurde ein Problem gemacht. Wie zum Beispiel Natascha Kampusch, die sich mit nichts so viele Feinde machte wie mit der Aussage: „Ich bin kein Opfer“.
Wie vertrackt die ganze Sache ist, wird daran deutlich, dass erst eine Dekade früher Trauma als Diagnose in das DSM, das Diagnostic and Statistic Manual of Mental Disorders, aufgenommen worden war. Wer möchte, dass die Krankenkasse eine Therapie nach sexualisierter Gewalt bezahlt, braucht die psychiatrische Diagnose Trauma. Dadurch wird jedoch ein Trauma, das von außen zugefügt wurde, zu einer seelischen Wunde, und damit in dem Traumatisierten selbst begründet. In eine ähnliche Richtung geht die juristische Bezeichnung „Geschädigte*r“, impliziert sie doch, dass Geschädigte einen Schaden zurückbehalten. Und „Betroffene*r“ hört sich so … betroffen an.
Doch keine Sorge, es gibt eine Lösung!
Man muss dafür keine Neologismen bilden wie beispielsweise Refpo (Opfer rückwärts) oder andere kruden Konstruktionen, sondern sie ist bereits in unserer Sprache angelegt: Da das Substantiv „Opfer“ aus dem Verb „opfern“ gebildet wurde, ist es nur naheliegend, aus dem Verb „erleben“ das Substantiv „Erlebende“ zu bilden. Denn das Einzige, was Menschen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, teilen, ist ja eben dieses Erlebnis.
Das Erleben
So wie vorher der Begriff „Überlebende“, nimmt „Erlebende“ eine Verschiebung vom Passiven zum Aktiven vor, allerdings ohne die damit einhergehende Wertung. Schließlich wird Erlebnis erst durch ein beigefügtes Adjektiv (wunderbares Erlebnis, grauenhaftes Erlebnis, langweiliges Erlebnis) näher bestimmt und lässt sogar Raum für Ambivalenzen (ein schreckliches, aber auch banales Erlebnis). Durch die Substantivierung „Erlebende sexualisierter Gewalt“ kann somit jede*r selbst bestimmen, wie er*sie das Erlebte bewertet. Gleichzeitig findet ein Perspektivwechsel statt: Die Formulierung lädt ein, über die Wahrnehmung der erlebenden Person nachzudenken, und nicht, was ein anderer Mensch mit dieser Person macht.
Außerdem trifft das Wort „Erlebende“ noch keine Aussagen über Motivationen und Rollenverteilungen. Klassische Binaritäten wie aktiv/passiv werden aufgebrochen. Das Verb „leben“, das im Wort steckt, macht trotzdem deutlich, dass das Erlebte durchaus lebensrelevant sein kann. Manche Erlebnisse müssen überlebt werden, mit manchen wird gelebt, manche werden durchlebt und dann abgeschlossen …
Selbstverständlich soll „Erlebende“ andere Bezeichnungen nicht ersetzen. Wer sich als Opfer, Überlebende*r oder Betroffene*r wahrnimmt, hat jedes Recht sich auch so zu beschreiben! Nur können wir das im Vorhinein ja nicht wissen. Deshalb ist es wichtig, einen Begriff zur Verfügung haben, der eine höchstmögliche Wertungsfreiheit gewährleistet. Aus diesem Grund setzen wir uns dafür ein, „Erlebende“ in den Duden aufzunehmen.
Die Autorinnen sind Mithu Sanyal, 45. Sie hat gerade das Buch „Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens“ veröffentlicht. Und Marie Albrecht, 24, studiert Soziale Arbeit. Sie hat einen Beitrag für den Heimweg-Blog der taz verfasst. Auf dem Heimweg-Blog berichten Frauen von ihren Erlebnissen mit sexualisierter Gewalt.
In der TAZ folgte neben vielen Leserbriefen auch eine redaktionelle Diskussion. Zuerst die Replik von Simone Schmollak am 17.02.:
Beschreibung sexualisierter Gewalt: Wer vergewaltigt wurde, ist ein Opfer
Betroffene einer Vergewaltigung werden zu Objekten gemacht. Eine Replik auf die Einführung des Begriffs „Erlebende“.
Stellen Sie sich vor, eine Freundin erzählt Ihnen, sie sei vergewaltigt worden. Oh Gott, werden Sie denken: Die Arme! Was sie wohl durchgemacht hat? Vielleicht stellen Sie sich die Gewalt vor, die Ihre Freundin bei dem Übergriff erfahren hat, heftige Schmerzen im Unterleib. Sie denken an zerrissene Kleidung, an blaue Flecken an Armen und Beinen. Sie fühlen zutiefst mit Ihrer Freundin und wollen helfen. Und dann sagt die Freundin: Das war zwar die schlimmste Erfahrung in meinem bisherigen Leben, aber nenn mich bitte niemals Opfer. Ich möchte lieber „Erlebende sexualisierter Gewalt“ genannt werden.
Was würden Sie dann denken? So was wie: Klar, warum nicht, sie hat die Vergewaltigung schließlich überlebt, das Leben geht ja weiter. Wer will schon Opfer sein?
Oder denken Sie vielleicht: Will die mich verarschen? Sie ist vergewaltigt worden, tut jetzt aber so, als habe das mit ihr nichts zu tun, weil sie nicht als Opfer dastehen will?
Die Formulierung „Erlebende sexualisierter Gewalt“ haben sich die Autorin Mithu Sanyal und Marie Albrecht, Studierende sozialer Arbeit (taz.am Wochenende vom 11./12. Februar), ausgedacht. Damit wollen sie Opfer aus der Schublade holen, in die diese nach Meinung Sanyals und Albrechts häufig gesteckt werden. Sie weisen mit ihrer Begriffsneufindung auf die negative Zuschreibung hin, die beim Opfer-Begriff häufig mitschwingt: Loserstatus, Passivität, Erstarrung. Zum Sexobjekt gemacht.
Die beiden Frauen haben absolut recht: Betroffene sexueller Gewalt sind keine Loser, sie sind auch nicht in jedem Fall passiv und reaktionsgehemmt. Die Zahl der Anzeigen nach Partnerschaftsgewalt und Vergewaltigungen steigt. Immer mehr Frauen gehen zur Polizei und machen das Erlebte öffentlich. Sie sind im besten Sinne aktiv.
Und doch ist die strikte Zurückweisung des Opfer-Begriffs fragwürdig und zutiefst irritierend. Was sonst als Opfer sollen Frauen (und Männer) sein, die sexuelle und sexualisierte Gewalt erfahren? Sie sind Opfer eines Verbrechens geworden, bei dem sie keine handelnden Subjekte mehr waren, wie der Begriff „Erlebende“ suggerieren will. Sondern im Gegenteil: Bei einer Vergewaltigung wird das Opfer zum (Sex-)Objekt gemacht. Sexualisierte Gewalt ist eine schauderhafte Erfahrung. Wer so etwas er- und überlebt hat, wird das sein Leben lang nicht vergessen.
Manche lernen, besser damit umzugehen, andere weniger. Aber niemand wird dazu gezwungen, sich dauerhaft als Opfer zu fühlen. Ebenso wenig wie niemand eine Opferhaltung vor sich hertragen muss, schon gar nicht dauerhaft.
Die Neuformulierung „Erlebende sexualisierter Gewalt“ schmälert Sexualverbrechen. Die Wortgruppe banalisiert und verniedlicht solche Taten, macht sie harmloser und kleiner. Sie bewirkt das Gegenteil dessen, was Sanyal und Albrecht beabsichtigen.
Es hat Jahrzehnte, große Ausdauer und viel Kraft von Frauen- und Opferverbänden gebraucht, bis es Polizeibeamte gab, die sich auf sexualisierte Gewalt spezialisiert haben.
Sensibler Umgang ist nötig
Die eindeutige Begriffsbipolarität – hier Opfer, dort Täter – dient der Klassifizierung, sowohl juristisch und kriminologisch als auch sozialpsychologisch: Es wird klargestellt, dass jemand einer anderen Person Unrecht angetan hat. Dadurch wird ein Täter nicht automatisch zu einem Monster und ein Opfer nicht automatisch zu einer bemitleidenswerten, passiven Person. Bestenfalls wird das Opfer zu jemandem, der Hilfe braucht und diese bekommen sollte.
Wer heute bei der Polizei eine Vergewaltigung anzeigt, wird intensiv ausgefragt: Was ist genau passiert? Wie lange hat das gedauert? Wurden Gegenstände gegen Sie verwendet? Für nicht wenige Opfer ist das eine Tortur, weil sie sich schämen. Manche empfinden das Erlebte beim Erzählen noch einmal heftig nach. Wenn die Beamten ihren Job gut machen, werden die Betroffenen nicht ein zweites Mal zum Opfer gemacht. Es wird versucht, die Tat aufzuklären und den Betroffenen zu helfen. Das war nicht immer so.
Es hat Jahrzehnte, große Ausdauer und viel Kraft von Frauen- und Opferverbänden gebraucht, bis es Polizeibeamte gab, die sich auf sexualisierte Gewalt spezialisiert haben. Die sich Zeit für die Opfer nehmen, ihnen stundenlang zuhören, sensibel mit ihnen und dem Erlebten umgeben. Die nicht sagen – so wie das noch vor ein paar Jahren war: Selbst schuld, was tragen Sie auch so einen kurzen Rock!
Es hat viel Überzeugungsarbeit bedurft, dass Partnerschafts- und sexuelle Gewalt im Curriculum der Polizeiausbildung mittlerweile eigenständige Bestandteile sind. Dass es Opferschutzbeauftragte und Koordinatorinnen für häusliche Gewalt bei der Polizei gibt. Dass auch im Gerichtssaal mit den Opfern sensibler umgegangen wird.
Zur Erinnerung: Erst seit 1997 ist Vergewaltigung in der Ehe strafbar, seit 2002 gilt das Gewaltschutzgesetz. Neuerdings ist in Deutschland sogar Grapschen strafbar. All diese Gesetze erkennen an, dass es Situationen gibt, in denen Menschen hilflos anderen ausgesetzt und dabei Opfer von Gewalt werden können.
Das sollte man auch genauso deutlich benennen. Und nicht durch eine verwässerte Bezeichnung weichspülen.
Am 25.02. gab es eine weitere Replik der Chefredaktion durch Katrin Gottschalk:
Beschreibung sexualisierter Gewalt: Debatte statt Hetze
Nach einem Text in der taz zum Thema Vergewaltigung bekommt die Autorin Vergewaltigungsdrohungen – aber auch differenzierte Kritik.
Es gibt sie, diese Texte, die man zweimal lesen muss. Einmal für den Überblick, ein zweites Mal, nachdem man sich den Schaum vom Mund gewischt hat. Mithu Sanyal und Marie Albrecht haben einen solchen in der taz veröffentlicht.
Sie beschäftigen sich darin mit dem Begriff „Opfer“ in Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt und argumentieren, dass mit „Opfer“ bestimmte Vorstellungen verbunden sind, aus denen es schwer sei auszubrechen. Daher brauche es eine andere, aktivere Selbstbeschreibung. Sie schlagen „Erlebende sexualisierter Gewalt“ als mögliche Form vor.
Darüber lässt sich streiten, unbedingt. Ebenfalls in der taz erschien ein Debattenbeitrag von Simone Schmollack. Die Passivität, die Sanyal und Albrecht in ihrem Text am Opferbegriff kritisieren, hält Schmollack gerade für wichtig.
Später veröffentlichte der Blog „Störenfriedas“ einen „Offenen Brief gegen die sprachliche Verharmlosung sexueller Gewalt“, der gegen Sanyals These Unterschriften sammelte. Darüber wiederum berichtete die Emma. Ungeladene Gäste
Mit der steigenden Aufmerksamkeit für den Text kam der Hass – denn rechte Trolle sind leider treue Leser feministischer Seiten. Mittlerweile ist bei „Politically Incorrect“ ein Eintrag zu finden, in dem direkt auf Sanyals E-Mail-Adresse verwiesen wird. Diese ist ohnehin zugänglich, ja, aber auf einer Seite, die Sanyals These als „Ideologie der Menschenverachtung“ beschreibt, ist die Veröffentlichung nur schwer anders als eine Einladung zu Hass-Mails zu verstehen. Natürlich bittet die Seite aber um eine „höfliche und sachlich faire Ausdrucksweise“.
Wie höflich die E-Mails sind, die Sanyal nun bekommt, beschreibt die Autorin in einem Beitrag bei der Huffington Post: Ihr schrieben Menschen, „die mich nicht kennen und nichts über mich wissen, und wünschen mir, dass ich vergewaltigt werde, weil sie Opfer schützen wollen. Wie kann das Schutz von Opfern sein?“
Die „Wünsche“ in anderen Nachrichten sind noch brutaler. An anderer Stelle im Netz seien ihre Telefonnummer und Adresse veröffentlicht worden. Woher kommt der Hass?
Oft wird in den Beiträgen angenommen, dass Sanyal, weil sie als Expertin für dieses Thema gilt, nie Gewalterfahrungen gemacht habe. 40 Prozent der Frauen über 16 Jahren in Deutschland haben körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt. Die Koautorin des Textes hat sexualisierte Gewalt erfahren und im Heimweg-Blog der taz darüber geschrieben.
Sachliche Kritik
Überhaupt: Der Wunsch, einen anderen Begriff für Opfer sexualisierter Gewalt zu finden, entsprang einer Debatte unter Opfern sexualisierter Gewalt, die meinten: „Ich bin kein Opfer.“ Diese Aussagen ernst zu nehmen ist nun genauso wichtig wie diejenigen, die der genau entgegen gesetzten Meinung entspringen.
Während sich die Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch en détail und sehr differenziert kritisch mit den Argumenten Sanyals und Albrechts auseinandersetzt, werden in dieser „Debatte“ ansonsten Textstellen der Autorinnen wiederholt so verkürzt dargestellt, dass sich so auch gar nicht erst sinnvoll diskutieren lässt.
So werden aus „Erlebenden sexualisierter Gewalt“ im Originaltext nur noch „Erlebende“. Außerdem heißt es, die beiden Autorinnen würden fordern, überhaupt nicht mehr von „Opfern“ zu sprechen. Dabei schreiben sie explizit: „Selbstverständlich soll ‚Erlebende‘ andere Bezeichnungen nicht ersetzen.“ Mit jedem Teilen des Textes im Netz geht ein bisschen Wahrheit verloren.
Es geht schon längst nicht mehr um den Text. Wir sehen hier eine Netzjagd auf eine Frau, wie sie leider immer wieder zu beobachten ist. Debatten sind gut. Debatten sind wichtig. Aber was ist eine Debatte wert, die dazu führt, dass eine Frau Vergewaltigungsdrohungen zugeschickt bekommt? Wie müssen Medien damit umgehen, dass sie ihre Autor*innen realer Gewalt aussetzen, wenn sie sie über Triggerthemen wie Feminismus oder sexualisierte Gewalt schreiben lassen? Mithu Sanyal erlebt gerade verbale Gewalt. Sie ist Opfer verbaler Gewalt. Und hier ist es nun reichlich egal, wie wir diesen Satz bilden.
Von der FAZ hat sich am 24.02. Ursula Scheer mit einem lesenwerten Artikel in die Debatte eingemischt:
FREITAG, 24. FEBRUAR 2017
FEUILLETON
Erlebnis Vergewaltigung?
Wie Verbrechen durch Sprache unsichtbar werden
Mit Blick auf Vergewaltigungen von Opfern zu sprechen sei verkehrt. Und auch im Bezug auf den Holocaust, so wird in Klammern nahegelegt, solle man den Begriff besser nicht verwenden. Die angemessene, weil wertneutrale Bezeichnung für Menschen, denen insbesondere sexuelle Gewalt widerfahren sei, laute „Erlebende“. So müsse es auch im Duden stehen. Eine Vergewaltigung ein Erlebnis? Es ist schon atemberaubend, was die „Missy“-Autorin und Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal mit der Studentin Marie Albrecht in einem gemeinsamen Text in der „taz“ propagiert. Und es wird atemberaubender mit jedem weiteren Argumentationsschritt dieses Artikels, der geradewegs in den Abgrund führt – und damit beispielhaft für die Irrläufe eines reaktionären, vor allem im Internet heimischen Feminismus steht, der sich mit viel Hashtag- und Sprachvorschriftsgetöse als vermeintliche Speerspitze im Kampf um Gleichstellung aller Gender und Identitäten, Ethnien und Klassen geriert, tatsächlich aber Opferverachtung betreibt.
Wie perfekt das gelingt, wenn man den Begriff des Opfers liquidiert, führt der „taz“-Artikel vor. Die Bezeichnung Opfer werte, ähnlich wie „Geschädigte*r“ und „Betroffene*r“, Menschen als „wehrlos, passiv und ausgeliefert“ ab, ist dort zu lesen. Das müsse aber nicht so gewesen sein. Wenn jemand erzähle, er habe einen Autounfall gehabt, blicke man danach nicht anders auf diese Person. „Genau das passiert aber, wenn man ,Autounfall‘ durch ,Vergewaltigung‘ ersetzt.“ Man möchte fragen: Welches Opfer eines Sexualverbrechens oder einer anderen Gewalttat „erlebt“ sich wohl als wehrhaft, aktiv und selbstbestimmt? Ist ein Autounfall nicht etwas grundlegend von einer Vergewaltigung Verschiedenes?
Doch weiter im Text: Weil im Christentum das Opferlamm für Reinheit und Unschuld stehe, „schien es eine gute Idee, das Konzept auf sexualisierte Gewalt (oder den Holocaust) zu übertragen, um die Opfer von der Schuld an den an ihnen begangenen Verbrechen freizusprechen“. Nun wäre wohl, wenn man schon in Form eines Sprachseminars über Gewalt nachdenken will, geboten, die Nuancen der Begrifflichkeit ins Kalkül zu ziehen, die sich in „ein Opfer bringen“, „sich selbst opfern“ und „zum Opfer werden“ auffächern. Stattdessen attestieren die Autorinnen Jugendlichen, die andere als „du Opfer“ beschimpfen, feines Sprachgespür. (Dass selbst ein als Schimpfwort verwendeter Begriff zurückerobert werden kann als Selbstbezeichnung, wie es „schwul“ zeigt, bleibt außen vor.) Das fragwürdige Argument der religiös abgeleiteten Entschuldung aber (von welcher Schuld eigentlich?) legt den Grundstein für den noch fragwürdigeren Schlusspunkt des Textes: Sich selbst Opfer zu nennen, habe zwar jeder das Recht, aber der Begriff „Erlebende“ sei von Dritten vorzuziehen. Er treffe „keine Aussagen über Motivationen oder Rollenverteilungen“.
Richtig, und genau das desavouiert den Vorschlag. Wo es keine Opfer mehr gibt, gibt es auch keine Täter mehr. Wo erlebt wird, wird nichts mehr erlitten Vermeintlich den „Opferdiskurs“ aufbrechen wollte Mithu Sanyal schon 2016 mit ihrem Buch „Vergewaltigung“, in dem sie sich unter anderem mit der Silvesternacht 2015 in Köln befasste und forderte, man müsse weg davon, immer von Männern als Tätern und Frauen als Opfern zu sprechen. Allein: Die überwältigende Anzahl der Vergewaltigungsopfer ist weiblich (und auch die Opfer der Übergriffe von Köln waren Frauen).
Dass die nun empfohlene Abschaffung des Opferbegriffs niemanden davon befreit, Opfer geworden zu sein, sondern im Gegenteil von deren Leiden nichts wissen will, haben viele erkannt, die sich nun in den sozialen Netzwerken empören. Auf der Website der feministischen Bloggerinnen „Die Störenfriedas“ protestieren Opfer von Sexualverbrechen in einem offenen Brief gegen den Artikel. Zu den Erstunterzeichnerinnen gehören leitende Mitglieder der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes, von Femen und von Initiativen wie #ichhabenichtangezeigt.
„Sexuelle Gewalt ist kein Erlebnis“, heißt es da. Sie „in ein „Erlebnis umzudeuten, ähnlich einem Konzertbesuch oder einem Urlaub“ negiere, dass Opfer es sich eben nicht aussuchen könnten, ob sie Opfer würden, und lasse die Gewalttat mitsamt dem Täter sprachlich verschwinden: „Sexuelle Gewalt ist ein Verbrechen.“ Dass man dies den vermeintlichen Expertinnen ins Gedächtnis rufen muss, sagt alles.
Pressemitteilung
Berlin, 17.01.2017
Missbrauchsbeauftragter Rörig stellt Expertise zu sexueller Gewalt an Minderjährigen mittels digitaler Medien vor
Rörig fordert eine auf Dauer angelegte Agenda für digitalen Kinder- und Jugendschutz, mehr Forschung, Prävention und Hilfen bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche mittels digitaler Medien und eine Versuchsstrafbarkeit für Cybergrooming: „In der aktuellen Debatte um die digitale Sicherheitsarchitektur müssen auch die sexuellen Cyberattacken gegen Kinder und Jugendliche in den Fokus genommen werden!“
Berlin, 17.01.2017. Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, und Mitglieder der „Konzeptgruppe Internet“, einer interdisziplinären Arbeitsgruppe seines Beirats, stellen heute die vom Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) verfasste Expertise „Sexualisierte Grenzverletzungen und Gewalt mittels digitaler Medien“ vor.
Die Expertise unter der Autorenschaft von Prof. Peer Briken, Institutsdirektor am UKE, sowie Prof. Arne Dekker und Thula Koops, zeigt auf, wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch die digitalen Medien verändert hat. In dem gleichnamigen Fachgespräch „Sexualisierte Grenzverletzungen und Gewalt mittels digitaler Medien“ wird heute die Expertise mit über 100 Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und des Kinderschutzes diskutiert. Ziel ist ein Dialog mit allen Verantwortlichen und Entscheidungsträgern, um einen wirksameren Schutz der Kinder und Jugendlichen vor sexueller Gewalt mittels digitaler Medien zu erreichen. […]
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Anhang finden Sie die Pressemitteilung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Die Expertise und weitere Unterlagen der Pressemappe finden Sie unter diesem Link:
https://beauftragter-missbrauch.de/nc/presse-service/pressemitteilungen/
Mit besten Grüßen
Kathleen Bärs
Pressereferentin
__________________________________
Unabhängiger Beauftragter für Fragen
des sexuellen Kindesmissbrauchs
Geschäftsbereich 3 / Presse, Reden, Soziale Medien
Postanschrift: Glinkastraße 24, 10117 Berlin
Dienstsitz: Kapelle-Ufer 2, 10117 Berlin
Fon: 030 18555 1565
Fax: 030 18555 4 1565
Mail: kathleen.baers@ubskm.bund.de
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Twitter: @ubskm_de
Hilfetelefon: 0800-2255530 (anonym & kostenfrei)
www.kein-raum-fuer-missbrauch.de
www.aufarbeitungskommission.de
Twitter: @ukask_de
Im AKO gibt es einen Nachfolger für Pater Johannes Siebner, der sein Rektorenamt an Pater Martin Löwenstein abgibt. Siebner wurde zum Provinzial berufen. Herr Löwenstein heißt offiziell „Martin, Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg“ und entstammt edlem altem Adel.
Pater Löwenstein ist 1961 geboren und 1980 in den Orden eingetreten. Nach den üblichen Ausbildungsabschnitten (Noviziat, Philosophie, Magisterium in der Jugendarbeit in Hamburg und Theologie) war er schon ein erstes Mal für längere Zeit in Bad Godesberg und hat im Kolleg gewohnt.
http://www.aloisiuskolleg.de/meldung/neuer-rektor-kommt-von-der-waterkant-an-den-rhein/216
Siehe auch den heutigen Bericht im Generalanzeiger:
Am 1.12.2016 haben sich der von Missbrauch im Jahr 1959 Betroffene Dieter B., die Ordensleitung, der Missbrauchsbeauftragte des Ordens und die 1. Vorsitzende des Opfervereins zu einem besonderen Gespräch getroffen- mit beachtlichem Ergebnis:
Kurz zur Geschichte: Dieter B. wurde im Jahre 1959 für ca. 4 Wochen probeweise ins Internat der Redemptoristen aufgenommen- und zwar während der Sommerferien. Verantwortlicher Pater war Pater J. L., der nach einer Volksmission in der Gemeinde des Opfers die Eltern des Kindes zu einer solchen probeweisen Aufnahme überreden konnte. Transport im Pater- eigenen VW- Bus. Das Opfer wurde im Internat auf eine Weise eingeschlossen, dass er keinerlei Kontakt nach außen hatte. Er wurde nach seiner Erinnerung mehrfach vergewaltigt, unter anderem auch von besagtem Priester. Der Missbrauchsbeauftragte Merzbach erkannte Dieter B.´s Einlassungen im Jahre 2011 als glaubwürdig an. Als Dieter im Jahr 2012 den Orden wegen verschiedener lebenslanger massiver Beschädigungen auf Schadenersatz (trotz Verjährung) verklagte, fuhr der Orden juristische Einwände auf, die vor allem die Glaubwürdigkeit des Opfers in Frage stellten. Ganz besonders wurde in Abrede gestellt, dass es z.B. solche probeweisen Aufnahmen überhaupt gegeben habe, dass es den beschriebenen Raum gegeben habe etc. Es erschien vielen Ordensmitgliedern völlig abwegig, dass Pater L. in irgendeiner Weise Jugendlichen gegenüber übergriffig geworden sein könnte, allenfalls sei ihm eine gewisse Selbstherrlichkeit zu eigen gewesen.
Durch gemeinsame Recherchen von Ordens- und Vereinsmitgliedern konnten die Angaben des Ordens zur Betreuung von Schülern in den Ferien dahingehend korrigiert werden, dass es solche Aufenthalte damals sehr wohl gegeben hat. Die Recherche des Missbrauchsbeauftragten in den zahlreich vorliegenden Akten zu Pater L. ergab schließlich, dass Pater L. vielfach übergriffig geworden ist (ohne dass es zu einer Strafanzeige, geschweige denn Verurteilung durch ein ordentliches gericht gekommen ist) - man gab sich mit Kontakt- und Aufenthaltsverboten zufrieden. Vor allem erschütterte im Verlauf des Klärungsprozesses ein ärztliches Gutachten (vor der Ordination), das dazu hätte führen müssen, dass Pater L. wegen einschlägiger Vorbelastung erst gar nicht hätte zum Priesteramt zugelassen werden dürfen. Die Akte L. stellt sich dar als eine typische kirchliche Täterakte. Alles wurde dafür getan „die Sache“ unter der Decke zu halten und vor jeder Öffentlichkeit zu verbergen. Das vorliegende Material spricht bezüglich der Täterbiografie eine mehr als deutliche Sprache, obwohl die Akte seinerzeit sogar bei einem Wechsel der Ordensleitung (die neue wollte „mit diesem Dreck“ nichts zu tun haben) bereinigt worden ist.
Die herausragenden Zauberkünste des sog. "Zauberpaters" (Auftritt u.a. bei Elsner und bei Gottschalk) und das enorme soziale Engagement des Täters erscheinen nach Studium der Personalakte in einem ganz anderem Licht: Beides diente wohl letztlich dazu, den Täter unangreifbar erscheinen zu lassen und seine Verbrechen zu verschleiern bzw. überhaupt erst zu ermöglichen.
Im Gespräch am 1.12. 2016 entschuldigte sich die Ordensleitung für ihr hartes juristisches Vorgehen 2012, „für ihr Unvermögen, in der damaligen Situation angemessen zu reagieren“ und für die Fehler, die im Zusammenhang mit Sexuellem Missbrauch durch den Orden begangen wurden. Die Ordensleitung fragte ausdrücklich nach, ob das Opfer die Entschuldigung akzeptiere. Nach der Bejahung hat die Ordensleitung dem Opfer angeboten, auch in materieller Hinsicht den Schaden durch den Prozess zu kompensieren und nachgefragt, ob es eine Vorstellung gibt, in welcher Höhe dies erfolgen solle. Vereinbart wurde schließlich, seine hohen Prozesskosten aus 2012 zu erstatten.
Wir als Opferverein begrüßen die Einigung sehr und zollen der Ordensleitung wie dem Orden als Ganzem unseren hohen Respekt für seine Bereitschaft zur erneuten Aufarbeitung, zur Korrektur und zur schließlichen Wiedergutmachung. Solch aufrechte Haltung scheint uns keine Selbstverständlichkeit zu sein.
Zu den Orten, an denen Kinder noch heute besonders gefährdet sind, Missbrauch zu erleiden, gehört der Sport. Ähnlich wie in Kirche und in Medizin gelingt es hier den Tätern besonders gut, ihre Verbrechen zu verschleiern. Anders als bei der Kirche ist der Fokus der Öffentlichkeit auf diesen Tatort kaum ausgerichtet.
"Tatort Sport: Sexueller Missbrauch im Freizeit- und
Leistungssport
Sowohl der Leistungs- als auch der Breitensport haben für Kinder- und Jugendliche eine
zentrale Bedeutung. Der Sport kann Lernfeld, berufliche Perspektive, Ausgleich und
Ressource sein. Gleichzeitig bietet er Täterinnen und Tätern geradezu ideale Bedingungen. In
diesem Spannungsfeld tragen sowohl die Sportverbände, als auch alle Erwachsenen, die
innerhalb der dem Sport verbundenen Institutionen aktiv sind, eine große Verantwortung.
Der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist gleichermaßen verbreitet, wie es tabuisiert
ist, ihn als solchen zu erkennen und darüber zu sprechen. So erklären sich die zumeist
ungläubigen Reaktionen, wenn Menschen erfahren, dass allein in Deutschland eine Million
Minderjährige leben, die bereits Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind (1). Dabei
stellt gerade die sportliche Betätigung, das Erleben von Gemeinschaft in Vereinen für
Heranwachsende, die es im häuslichen Umfeld und/oder der Schule nicht leicht haben und
wenig Unterstützung erfahren, eine unschätzbare Ressource dar. Drei Millionen Kinder in
Deutschland wachsen in Armut auf (2), 1, 5 Millionen Kinder haben Eltern, die an einer
schweren psychischen, geistigen oder Suchterkrankung leiden und deshalb Probleme haben,
für ihren Nachwuchs zu sorgen (3). Hinzu kommen noch Kinder und Jugendliche mit
Handicaps. Das können Lernstörungen, chronische Erkrankungen, seelische, geistige oder
körperliche Behinderungen sein. Viele dieser Heranwachsenden finden im Sport Halt und
Bestätigung. Der DOSB führt auf seiner Homepage an, dass die Deutsche Sportjugend die
Interessen von 10 Millionen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bündele (4).
Den Sportorganisationen kommt so eine besondere gesellschaftliche Bedeutung zu. Wir
möchten die Verantwortlichen ermutigen, die bestehenden Ansätze in Richtung Aufarbeitung
und Prävention noch auszubauen (5). Vor der Bewilligung von Fördermitteln gerade für den
Spitzensport, sollten die entscheidungsbefugten Gremien der Politik, Wirtschaft und des
Sports zukünftig auf die Einrichtung wirksamer Opferschutzprogramme bestehen.
Berücksichtig werden sollte auch, dass, wenn für bereits anderweitig traumatisierte
Heranwachsende der organisierte Sport zu einem weiteren Tatort wird, die so verursachte
Mehrfachbetroffenheit in ihrer schädlichen Wirkung potenziert werden kann.
Fazit: der Sport bietet Täterinnen und Tätern selten günstige Bedingungen für ihre
Übergriffe. Es liegt an allen involvierten Erwachsenen es ihnen schwer zu machen. Auf dass
auch der Sport keinen Raum für Missbrauch bieten möge."
Berlin-Köpenick, der 7. Januar 2017
Angelika Oetken, Sexualisierte Misshandlung-Betroffenenteam, Betroffene Tatort familiäres Umfeld, Co-Sprecherin des Betroffenenbeirats des Fonds Sexueller Missbrauch
Bernd Held, Initiative Ehemaliger Johanneum Homburg, Betroffener Tatort Römisch Katholische Kirche, Mitglied des Betroffenenbeirats des Fonds Sexueller Missbrauch
Jacqueline Ehmke, Sexualisierte Misshandlung-Betroffenenteam, Betroffene Tatort Familie, Mitglied im Lenkungsausschuss des Fonds Sexueller Missbrauch
Winfried Ponsens, Missbrauchsopfer Collegium Josephinum Bonn und Redemptoristen e.V., Betroffener Tatort Römisch Katholische Kirche, Mitglied des Betroffenenbeirats des Fonds
Sexueller Missbrauch
Sylvia Witte Missbrauchsopfer Collegium Josephinum Bonn und Redemptoristen e.V., Betroffene Tatort Römisch Katholische Kirche, Mitglied des Betroffenenbeirats des Fonds Sexueller
Missbrauch
Maren Ruden, Initiative „Die Rose“, Betroffene Tatort Familie, Mitglied im Lenkungsausschuss des Fonds Sexueller Missbrauch
Christian Fischer Initiative Ehemaliger Johanneum Homburg, Betroffener Tatort Römisch Katholische Kirche, Mitglied des Betroffenenbeirats des Fonds Sexueller
Missbrauch
Henning und Monika Stein, Mitbetroffene Tatort Behinderteneinrichtung, Mitglieder des Betroffenenbeirats des Fonds Sexueller Missbrauch
Renate Schusch, Aktivverbund e.V., Betroffene Tatort Familie, Mitbetroffene Tatort Organisierter/ritueller Missbrauch, Mitglied des Betroffenenbeirats des Fonds Sexueller Missbrauch
Sigrid Kumberger, Mitbetroffene Tatort Sport, Mitglied des Betroffenenbeirats des Fonds Sexueller Missbrauch
Thomas Schnitzler, MissBiT, Betroffener Tatort Römisch Katholische Kirche, Mitbetroffener Tatort Sport, Mitglied des Betroffenenbeirats des Fonds Sexueller Missbrauch
(1) https://beauftragter-missbrauch.de/presseservice/
pressemitteilungen/detail/news/test/ (Abruf 7.1.2017)
(2) https://www.dkhw.de/unsere-arbeit/schwerpunkte/kinderarmut-indeutschland/?
gclid=COLeoM7UsNECFQ4R0wodxsYBqg (Abruf 7.1.2017)
(3) http://www.psychiatrie.de/bapk/kipsy/ (Abruf 7.1.2017)
(4) https://www.dosb.de/de/jugendsport/ (Abruf 7.1.2017)
(5) https://www.dsj.de/kinderschutz/ (Abruf 7.1.2017)
Manchmal escheint es so, als passiere im Verein gerade so gar nichts. Tatsächlich sind jedoch diese Ruhephasen oft die entscheidenden Phasen
erhöhter Aktivität von Recherche und Gespräch. Und tatsächlich: wir als Betroffenenverein und der Orden reden immer noch miteinander, obwohl wir Konflikte miteinander hatten, wonach
gegenseitiges Zuhören und Miteinandersprechen eigentlich obsolet zu werden schienen. Gewiss wünschten wir uns noch immer Manches anders und besser und schneller und parteilicher und
engagierter und offener und und. Der aktuelle Anlass:
Gerade der härteste Konflikt in unserer gemeinsamen Aufarbeitungsgeschichte, der Konflikt um den von Dieter Beckmann angestrengten Prozess gegen den Orden 2012 und die unerbittlich harte Reaktion des Ordens haben Dieter als Opfer und uns als Betroffenenenvertretung und - so hoffen wir - auch den Orden entscheidend nach vorne gebracht. Dieter, dessen zerstückelte traumatische Erinnerungsfetzen heute zu einer kohärenten Erinnerung zusammenfinden können, ist gewiss der, der für sich das Wichtigste errungen hat: seine eigene Geschichte und ihre Wahrheit. Er geht nicht als Sieger aus dieser Auseinandersetzung hervor aber doch als Aufrechter. Er hat sein "Wahres Selbst" auf eine sehr besondere Weise restituieren können. Schmerzvoll bleibt das Geschehen damals und auch sein erster Versuch der Aufarbeitung. Nichts von dem, was er als Kind erleiden musste, ist deshalb besser geworden. Aber vielleicht doch anders. Zumindest kann er selbst und können andere nicht mehr seine Erinnerung als eine "false memory" denunzieren. Die Wege zu sich selbst sind für die von Missbrauch Betroffenen wahrlich nicht einfach zu gehen.
Auch für den Verein markiert das Ergebnis der Recherchen und der Gespräche einen Meilenstein: es hat sich gelohnt, in der Recherche nicht aufzugeben, sich gelohnt, bei der Sache zu bleiben, sich gelohnt, Solidarität zu leben.
Zu beurteilen und aufzuschreiben, was der Orden gelernt hat, ist nicht unsere Sache. Unser Dank geht an die Ordensleitung dafür, dass sie es fertig gebracht hat, dazu zu stehen, dass sie mit ihrer Art der Prozessführung einen Fehler gemacht hat und ein Opfer noch ein zweites Mal beschädigt hat. Sie hat sich dafür ausdrücklich entschuldigt und durch Übernahme der damaligen (hohen) Prozesskosten des unterlegenen Klägers Dieter Beckmann Wiedergutmachung geleistet. Fehler einzugestehen und Wiedergutmachung zu leisten, gehört wahrlich nicht zu den einfachen Dingen im Leben, gehört wohl auch nicht zu den Dingen, die kirchlichen Kreisen in den Schoß fallen.
Hervorzuheben ist, dass der Missbrauchsbeauftragte des Ordens noch ein zweites Mal den ausdrücklichen Auftrag der Ordensleitung erhalten hat,
diesen Fall mit der ihm eigenen Akribie zu untersuchen. Wir wissen zu schätzen, was es bedeutet, ein so großes Aktenkonvolut durchzuarbeiten und vor allem das in einen Klartext zu bringen,
was kirchlicherseits in der Vergangenheit bis zur Unkenntlichkeit verklausuliert fomuliert und damit verborgen werden sollte.
Wenn wir im folgenden den Generalanzeiger zitieren, weil er das Geschhen gut zusammenfasst, soll nicht unerwähnt bleiben, dass wir die Überschrift anders formuliert hätten: die Entschuldigung betraf gewiss auch das Unrecht vor 57 Jahren, aber dann doch vor allem und ganz besonders das Unrecht von vor vier Jahren. Ja, und statt dem "Erst" hätten wir ein Ausrufezeichen gesetzt. Immerhin.
Hier der Artikel aus dem Generalanzeiger:
06.01.2017 BONN. 1959 missbrauchten Geistliche der Redemptoristen einen elfjährigen Jungen. Das Opfer klagte vergeblich vor Gericht. Erst jetzt hat der Orden sich offiziell bei Beckmann entschuldigt.
Von Ebba Hagenberg-Miliu
Es sind vor allem die nächtlichen Gerüche von Schweiß und Sperma, die Dieter Beckmann auch Jahrzehnte nach den Missbrauchstaten nicht mehr loslassen. Es sind diese widerwärtigen Geräusche von Männern, die ihm, dem damals Elfjährigen, Gewalt antaten. Es ist dieser Spalt Licht einer immer nur kurz geöffneten Tür, aus der nie Rettung kam. „Die haben mich als Opfer betrachtet, das sie jede Nacht aufs Neue abriefen“, sagt Beckmann tonlos.
„Die“ – das waren Täter aus dem Kreis des Redemptoristenordens, die in den Sommerferien 1959, als die Anlage des Collegiums Josephinum von Schülern leer war, jede Nacht über das in der Stadt fremde Kind herfielen, „Ich war denen ausgeliefert“, sagt Beckmann. „Wenn sie mich penetrierten, habe ich mich starr gestellt.“ Um danach verzweifelt Mutters Nivea-Creme auf die Wunden zu streichen. Erst jetzt hat der Orden sich offiziell bei Beckmann entschuldigt.
Aber wie kam ein katholischer Junge aus dem Raum Osnabrück an diesen Ort des Schreckens? Durch Jugendpater L., der habe ihn von seinen frommen, armen Eltern „im Bully“ auf kostenlose Sommerferien abgeholt, erklärt Beckmann. Er spricht von einem damals überregional bekannten „Zauberpater“, der in der Jugendhilfe sehr aktiv war und vor seinem Tod 1999 sogar noch das Bundesverdienstkreuz bekam. Pater L. habe ihn in jenen Sommer mit Zwang in Bonn gehalten.
„Es war so dunkel, wenn auch die anderen, noch aggressiveren kamen. Ich sah ihre Gesichter nicht“, sagt der heute 68-Jährige bitter. Über Jahrzehnte verschloss er sich. Und dann, als 2010 der Missbrauchsskandal ausbrach, nahm ihm der Orden seine Leidensgeschichte nicht ab, bis vor ein paar Wochen nicht. Denn in den Akten fand sich keine staatsanwaltschaftliche Untersuchung und keine Anklage gegen Pater L.
2013 hatte der GA schon einmal über den Fall berichtet. Da hatte Beckmann mit Mitgliedern des Vereins „Missbrauchsopfer Josephinum und Redemptoristen“ vor dem Landgericht Bonn dafür demonstriert, endlich gehört zu werden. „Wir sind nicht verjährt“, stand auf den Transparenten. „Ich will nicht mehr Opfer im Dunkeln sein, sondern Handelnder“, hatte der pensionierte Lehrer dem GA damals gesagt. Zuvor hatte er Strafanzeige gegen Pater L. gestellt. Die Staatsanwaltschaft Bonn hatte das Verfahren wegen Verjährung eingestellt.
2013 klagte er auf ein Schmerzensgeld von symbolischen 5001 Euro – vergeblich. Denn im Landgericht habe der Ordensvertreter rundweg abgestritten, dass auch nur ein Junge 1959 die Sommerferien in den Räumlichkeiten des Collegiums Josephinum verbracht habe, so Beckmann. „Auch nach über 50 Jahren war ich erneut das Opfer.“
Drei Jahre lang hat er seither keine Ruhe gelassen. „Wer die Raubtiere loslässt, muss sich auch dafür verantworten“, war seine Devise. Dann trat Günter Niehüser, der neue Missbrauchsbeauftragte des Ordens, auf den Plan und las die Akten gegen den Strich. Und siehe da: Die Beweisdokumente waren alle da. „Die Akten legten durchaus die Glaubwürdigkeit der Erinnerungen von Herrn Beckmann nahe“, sagt Niehüser im Gespräch mit dem GA.
Sylvia Witte, Vorsitzende des Opfervereins, wird deutlicher: Es lasse sich beweisen, dass sich im Sommer 1959 sehr wohl von Patres eingeladene Jungen auf dem Bonner Gelände befanden. Und dass Pater L. ein auffälliges Pädophilen-Profil aufwies. Ein Gutachter habe gewarnt und geraten, ihm den Umgang mit Jungen zu untersagen. Doch im Orden habe niemand die Notbremse gezogen.
„Herr Niehüser hat das Schleusentor geöffnet, sodass der Ordensprovinzial mir vor Kurzem endlich glaubte und sich bei mir entschuldigte“, freut sich Beckmann. Was Ordensprovinzial Pater Johannes Römelt dem GA bestätigt. „Ich bin sehr froh über die Entwicklung und dass Herr Beckmann meine Entschuldigung angenommen hat.“ Rein juristische Aufarbeitung schlage meist fehl. „Und es tut mir leid, dass es so für Herrn Beckmann noch viel schwerer geworden ist“, so Pater Römelt. Aber es hätten sich gute Gespräche daraus entwickelt. Dafür danke er auch dem Opferverein.
Dieter Beckmann hat Depressionen hinter sich. Ihn quälten Bindungsangst und Sinnkrisen. Erst seine Tochter hat Licht in sein Leben gebracht. Sie hat ihm jetzt auch zur Seite gestanden. Beckmann schluckt. Und dankt auch den anderen Betroffenen. „Für uns ist es mit das Wichtigste, sowohl als glaubhafte Zeugen angesehen zu werden als auch die eigene, lange verdrängte Geschichte mit beweisbaren Fakten aus dem Leugnen zu heben“, sagt Winfried Ponsens, Absolvent des Collegiums Josephinum.
Sylvia Witte fordert Konsequenzen: dass die
Ordenskonferenz eine unabhängige Studie zum Missbrauch in allen Einrichtungen startet. „Und es müssen eindeutige Standards für Missbrauchsbeauftragte festgeschrieben werden.“ Damit Betroffene
wie Dieter Beckmann nicht so lange auf Entschuldigungen warten müssen.
Missbrauch durch Redemptoristen
Bislang hatten die vom Redemptoristenorden in Auftrag gegebenen Aufklärungsberichte 28 Missbrauchsfälle an ehemaligen Internatsschülern hauptsächlich des Bonner Collegium Josephinum und der Ordensschule in Glanerbrück bei Gronau zu Tage gebracht. Es ging um juristisch verjährte Taten aus der Zeit von 1949 bis 1968 und vereinzelt bis in die achtziger Jahre. 16 Patres waren im Visier. Der Fall Dieter Beckmann betritt Neuland: Hier dürfte ein Junge missbrauchst worden sein, der nur in den Ferien Gast im damaligen Bonner Ordensinternat war. Der Betroffenenverein bittet mögliche weitere Opfer oder Zeugen um Kontaktaufnahme: https://www.missbrauchsopfer-josephinum-redemptoristen.de/
ham
Foto: Dieter Beckmann als Kind in seinem Heimatort im Kreis Verwandeter, etwa zur Zeit der Taten (privat)
https://unheiliger-berg.jimdo.com/eigene-artikel/
Am 18./19.11.2016 fand in Berlin der Kongress MitSprache von Betroffenen für Betroffene von sexualisierter Gewalt und UnterstützerInnen statt. Dieser Kongress wurde ausgerichtet vom Betroffenenrat (*1), Fachgremium beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) und fand unter internationaler Beteiligung statt. Teilgenommen hat auch unsere 1. Vorsitzende, Sylvia Witte. Von ihr stammt auch dieser Bericht.
"Es ist nicht einfach, die vielen Eindrücke zu schildern, die dieses Treffen verursacht hat. Über 200 Menschen, die direkt oder indirekt vom Thema „sexueller Kindesmissbrauch“ betroffen sind, verbrachten fast zwei Tage gemeinsam in Workshops, im Plenum, beim Essen und vielen Einzelgesprächen.
Die hervorragende Organisation war an den Bedürfnissen von Betroffenen orientiert: das Fernsehen war nicht zugelassen, Presseleute durften von sich aus niemanden ansprechen, sondern mussten warten, ob Betroffene auf sie zugehen. Es gab Bereiche, in denen nicht fotografiert werden durfte, es gab einen psychologischen Notdienst, einen Rückzugsraum und durchgängig viel zu essen.
Die internationale Beteiligung war beachtlich: mit VertreterInnen aus den USA(*2) Nicaragua(*3), Polen , England(*4) und Spanien. Ebenso waren einige Beratungsstellen wie z.B. Petze und Wildwasser vertreten, sowie VetreterInnen der Unabhängigen Aufarbeitungskommission.
Kongress begleitend gab es eine Ausstellung von Betroffenen, in der in Bildern und Texten zumeist das eigene Schicksal seinen Ausdruck fand.
Besonders berührt hat hier ein Handzettel, mit dem in den 70er Jahren gehörlose Opfer vor einer Kirche auf den Missbrauch von über 100 Jungen durch Reverent L.C. Murphy aufmerksam gemacht haben. Ein Vertreter der amerikanischen Delegation kennt viele dieser Opfer und hat Fotos gemacht, um diese dann in den USA den betreffenden Menschen zu zeigen. (*5)
In allen Workshops wurden Ergebnisse gesammelt, die der Betroffenenrat bündeln und veröffentlichen wird.
So konnten z.B. im Workshop „Diesmal wollen wir es wirklich wissen“ Wünsche an die Unabhängige Aufarbeitungskommission(*6), die u.a. durch Fr. Dr. Christine Bergmann vertreten wurde, geäußert werden. Genannt wurde z.B. die Einbeziehung von Heimkindern der ehemaligen DDR in die Aufarbeitung, das Herausarbeiten von staatlicher Mitverantwortung, das Hinsehen auf die Tatorte „Strichjungen“ und die Psychiatrisierung von Betroffenen. Alle Beteiligten waren sich einig, dass ein gesetzlicher Auftrag notwendig ist. Ausdrücklich wurde von den Mitgliedern der Kommission betont, weiterhin bei Betroffenen für eine Beteiligung zu werben. Dies kann in einem persönlichen Interview, online mit einer schriftlichen Schilderung und der Teilnahme an öffentlichen Hearings geschehen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit in einer Online Befragung Wünsche an die Arbeit der Aufarbeitungskommission zu benennen.
Der Workshop „Missbrauch im religiösen Kontext“ zeigte, wie viele Facetten der Begriff „religiös“ auch in diesem Zusammenhang hat (katholischer, evangelischer, freikirchlicher und ritueller Hintergrund) und wie gering vielfach die Möglichkeit einzelner Betroffen ist, sich über das persönliche Schicksal auszutauschen. Erfreulich, dass an dieser Runde auch eine Vertreterin der MGH Studie der DBK teilnahm. Ein Ergebnis aus diesem Workshop: „Kirchenmänner sprechen nicht unsere Sprache und verstehen deswegen oft unsere Forderungen nicht.“
In einem internationalen und in englischer Sprache abgehaltenen Workshop wurde sehr deutlich, dass wir in Deutschland im Hinblick auf Beratung, Forschung, finanzielle Unterstützung und Bekanntheit des Themas in der Öffentlichkeit vergleichsweise gut aufgestellt sind. So kämpft z.B. in Nicaragua eine einzige, kleine Gruppe von Frauen allein für die Belange von Opfern und Prävention über die Grenzen ihres Landes hinaus.
Bei unserem direkten Nachbar Polen existiert „Pädophilie“ offiziell nicht. Eine private Stiftung ist die einzige Möglichkeit, als Opfer Unterstützung zu erhalten.
Das SNAP (Survivors Network of those Abused bei Priests) Team aus Amerika war vertreten durch die Gründerin und Präsidentin Barbara Blaine, dem katholischen Geistlichen Tom Doyle und dem ehemaligen Benediktiner Patrick J.Wall (*7). Alle setzten sich innerhalb der weltweit größten Organisation mit über 12.000 Mitgliedern in 56 Ländern seit Jahrzehnten für die Belange von Opfern ein. Ohne ihren Mut, mit der Wahrheit an die Öffentlichkeit zu gehen, bzw. diese Wahrheit zu unterstützen, wären die im Film „Spotlight“ geschilderten Enthüllungen nicht möglich geworden (*8). Viele Opfer wurden in ihren Entschädigungsprozessen gegen die Katholische Kirche begleitet, an denen die Kanzlei Andersen Advocates (*9)maßgeblich beteiligt war.
Aus diesem Workshop resultiert der Wunsch nach einer internationalen Vernetzung und einer gemeinsamen Internetplattform.
Herr Dr. Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) sprach nicht nur Grußworte zu Beginn des Kongresses, sondern war an beiden Tagen und dem gemeinsamen Abschluss anwesend.
Trotz des schwierigen Themas, den bewegenden Schicksalen, die man zumeist nur erahnen konnte und dem intensiven Pensum, hat die Teilnahme an diesem Kongress auch Spaß gemacht. Es ist viel in Bewegung und es wurde in den letzten Jahren viel öffentlich gemacht. Und das schafft wenigstens von Zeit zu Zeit das befreiende Gefühl „Ich bin nicht allein“."
Links:
*1: www.ubskm.de/betroffenenrat/
*2: http://www.snapnetwork.org
*4: http://www.survivorscollective.co.uk/events
*6: https://beauftragter-missbrauch.de/aufarbeitung/aufarbeitung-in-deutschland/
*7: http://www.andersonadvocates.com/Overview
*8: http://www.snapnetwork.org/real_life_heroes
*9: http://www.andersonadvocates.com/
VertreterInnen des Betroffenenrats und internationaler Organisationen vor der Gedächtniskirche, Berlin am 20.11.2016
Die Unabhängige Aufarbeitungskommission Deutschland sucht weiterhin Betroffene, die sich entweder online oder schriftlich oder mündlich zu ihrem Missbrauch äußern möchten. Die persönlichen Anhörungen im Raum Bonn/ Köln werden von Prof. Bintig durchgeführt, der auch einen lesenswerten Untersuchungsbericht zum Aloisiuskolleg in Bonn erstellt hat. Man kann auch in einer Onlinebefragung Wünsche an die Arbeit der Kommission formulieren.
Die Meldungen können je nach Wunsch vollkommen anonym geschehen. Selbst bei einem persönlichen Gespräch muss kein Name genannt werden.
Infos unter: https://beauftragter-missbrauch.de/aufarbeitung/aufarbeitung-in-deutschland/
Eine Teilnahme ist natürlich auch immer wieder mit der Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie über den Missbrauch hinaus verbunden. Lasst eine solche Chance nicht ungenutzt. Unsere eigenen Erfahrungen sind wichtige Bausteine, um Erkenntnisse zu gewinnen, die in Zukunft Missbrauch erschweren. Ganz im Sinne des Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung Rörig: "Kein Raum für Missbrauch"
Unterstützung für „verjährte Missbrauchsopfer“
Ako-Dialogrunde verschickt Rundbriefe an Altschüler und Ako-pro-Scouter
BONN. Professor Arnfried Bintig, der 2013 seinen Aufklärungsbericht über „Grenzverletzungen im Ako-pro-Scouting am Aloisiuskolleg“ (Ako) veröffentlichte, steht für die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, Berlin, in Bonn lokal als Ansprechpartner zur Verfügung. „Niemand muss also nach Berlin fahren“, sagt Bintig. Er erhoffe sich von der Kommissionsarbeit besonders eine Unterstützung von Menschen, deren Fälle vor Gericht "verjährt" seien. So könnten zudem die „Folgen der unsäglich kurzen Verjährungsfristen verdeutlicht und damit mittelfristig mehr Wucht bei der politischen Durchsetzung einer Verlängerung erzielt werden“. Kontakt unter: Tel. 0800 40 300 40 (kostenfrei und anonym) und https://www.aufarbeitungskommission.de/.
Die vor kurzem vom Dialogkreis Betroffener mit dem Ako initiierte briefliche Umfrage bei den ehemaligen Ako-Schülern und Ako-pro-Pfadfindern verzeichnet die ersten Rückläufe. „Es gibt kein Abhaken, keinen Schlussstrich, der Prozess der Aufarbeitung ist im Gange, und die Missbrauchsfälle sind Teil der Kollegsgeschichte“, schreibt die Dialogrunde an die Altschüler. Man wisse, dass die Beschäftigung mit der Vergangenheit belastend sein könne. Aber jede Einschätzung sei wichtig. Kontakt unter dialogrunde@aloisiuskolleg.de. ham
http://unheiliger-berg.jimdo.com/aktuell-ako-pro/
Spendenaufruf
Am 18./19.11.2016 habe ich am Kongress MitSprache von Betroffenen für Betroffene von sexualisierter Gewalt und UnterstützerInnen in Berlin teilgenommen. Dieser Kongress wurde ausgerichtet vom
Betroffenenrat, Fachgremium beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) und fand unter internationaler Beteiligung statt.
Besonders zu Herzen gegangen ist mir die tapfere Arbeit einer kleinen Gruppe von Frauen, die sich in Nicaragua unter dem Namen „Aguas Bravas Nicaragua“ seit 10 Jahren unter schwierigen
Umständen für Kinder und Frauen, die Opfer von sexuellem Missbrauch und Gewalt wurden, sowie in der Prävention, Schulung von Personal, Gründung von Selbsthilfegruppen und Vielem mehr
einsetzen. Es ist die einzige Organisation dieser Art in einem Land, in dem in diesem Monat zum vierten Mal ein Staatoberhaupt wiedergewählt wurde, das von seiner Stieftochter des mehrfachen
sexuellen Missbrauchs bezichtigt wird.
Spontan hatte ich die Idee, dieser Organisation mit einem kleinen Weihnachtsgeschenk die Arbeit für 2017 ein wenig zu erleichtern und ein Zeichen der Solidarität zu setzen.
Von daher bitte ich bis zum 31.12.2016 um eine Spende auf unserer Vereinskonto:
MoJoRed e.V.
GLS Bank - IBAN DE88 4306 0967 4071 6206 00 - BIC GENODEM1GLS
Stichwort: Aguas Bravas Nicaragua
die wir dann am Ende des Jahres nach Nicaragua weiter leiten werden.
Nähere Informationen findet ihr/finden Sie auf der Seite von:
http://www.wildwasser-berlin.de unter Navigation „Agua Brava Nicaragua“
Jahresbericht 2015:
http://www.wildwasser-berlin.de/tl_files/wildwasser/Bilder/AguasBravas/Informe%20anual%202015%20WW-dt.pdf
Interview mit der Stieftochter Ortegas, Zoilamérica Ortega Murillo:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/nicaragua-interview-mit-daniel-ortegas-stieftochter-zoilamerica-a-1119874.html#ref=rss
Hier der Link:
Vorstellung eines weiteren Betroffenen
Ein neuer Betroffener stellt sich vor und berichtet von seinem langen therapiebegleiteten Weg, um sich endlich als weiteres Opfer des unsäglichen Pater Segeroth melden zu können. Im Anschluss einer in Tiefe und Dauer von allen Teilnehmerinnen selbstbestimmt gestalteten Vorstellungsrunde wird erörtert, was Menschen bewegt, sich selbst ihren Missbrauchserfahrungen gegenüber zu öffnen bzw. was sie ermutigt, weitere Schritte der Öffnung zu gehen. Druck auf mögliche Opfer, sich zu öffnen, erscheint dabei als denkbar ungeeignetes Mittel. Das "Abwarten" der Ansprechpartner auf aktive Schritte der Betroffenen selbst scheint deren Selbstwirksamkeitsüberzeugung und die Nachhaltigkeit des darauf folgenden Prozesses am besten zu stützen. Ein Hinweis an bestimmte Zielgruppen, sich mit persönlichen Erfahrungen zu melden - so wie es im Jahre 2010 seitens der Redemptoristen an bestimmte Jahrgänge des Josephinum geschehen ist - kann aber im Einzelfall auch hilfreich sein.
Neue Informationen zum Missbrauch an Dieter B. im Jahr 1959
Die eingehende Aktenrecherche des Missbrauchsbeauftragten haben im Falle des Betroffenen Dieter B. zahlreiche neue Erkenntnisse gebracht. Der Missbrauchsbeauftragte betont, aus juristischer Sicht sei entscheidend, dass es im gesamten Aktenbestand keine staatsanwaltschaftliche Untersuchung, geschweige denn eine Anklage oder auch nur einen ausformulierten Vorwurf in Richtung sexueller Gewalt gegenüber Herrn Pater L. gebe. Deshalb sei Herr Pater L. aufgrund der Aktenlage allein nicht als Täter identifizierbar. Angesichts seiner persönlichen Erinnerungen, die nun in neuem Licht besehen würden, dürfe allerdings das Opfer auch juristisch abgesichert Pater L. als Täter ausdrücklich benennen. Tatsächlich ist die vorliegende Akte unzweifelhaft eine typische Täterakte: es gibt schon früh einschlägige Gutachten, die dazu hätten führen müssen, dass der betreffende Pater nicht hätte zum Priesteramt zugelassen werden dürfen. Es gibt zahllose Beschwerden über die unangemessene Nähe des Paters zu Jugendlichen, über gemeinsame Reisen des Paters mit Jugendlichen, es gibt ausgesprochene Verbote des Kontaktes zu Jugendlichen, Absagen von sog. Zauberveranstaltungen wegen einschlägiger Hinweise, darüber hinaus Hinweise auf unregelmäßige Geldgeschäfte. Offensichtlich wussten viele viel und viele auch nichts oder nichts Genaues. Niemand ging jemals irgendeinem Hinweis auf den Grund, es gab zahllose Ermahnungen durch die Oberen und ein Achselzucken darüber, dass es sowieso nichts fruchtete, aber nicht einen Durchgriff. Über seine langjährige Zeit (12 Jahre) und Arbeit in der Obdachlosensiedlung in Köln- Ostheim bzw. auf dem sog. Flachsacker sind die Akten vollständig bereinigt. Die, die Meldung gemacht hatten und ganz besonders die Ordensleitungen, die den unzweideutigen Meldungen nur Gespräche folgen ließen, sie ließen gewähren. Mündlich gibt es den Hinweis , dass beim Wechsel der Ordensleitung, die neue Leitung, den "gesammelten "Schmutz" nicht lesen wollte und deshalb um eine Bereinigung der Akte gebeten hat. Schonung der Nerven.
Zur Präventionsarbeit des Ordens
Im Folgenden ergibt sich eine intensive und vielschichtige Diskussion über die aktuelle Präventionsarbeit an der Schule des Ordens, in der fast alle Anwesenden sich zu Wort melden.
Im Zusammenhang mit der Präventionsarbeit im Rahmen der schulischen Institutionen des Redemptoristenordens berichtet Herr Römelt, dass Frau Haardt-Becker bis zum 31.12.2018 innerhalb des Ordens mit der Evaluation des von der Deutschen Ordensoberenkonferenz vorgegebenen Präventionskonzeptes beauftragt ist.
Untersuchungen zu möglichen Missbrauchsfällen durch Pater H. in Heckenmünster und Eckenhagen
Der Missbrauchsbeauftragte berichtet von den Ergebnissen seiner Archivrecherchen:
Der Missbrauchsbeauftragte wird weiter berichten, sobald er Gelegenheit zur Akteneinsicht hatte.
Weiterschreibung des Merzbach-Berichtes, Pläne, verbindliche Zusagen
Herr Römelt berichtet, dass der Orden den jetzigen Missbrauchsbeauftragten mit einer Fortschreibung des Merzbach-Berichtes beauftragen wird.
Ein Ordensmitglied betont, dass es für die Integrität, das Geschichtsbewußtsein und die emotionale Sicherheit der Ordensmitglieder wichtig sei, bei der anonymisierten Namensnennung von möglichen Tätern durch Abkürzungen oder divers deutbare Kürzel keine Spekulationen zu ermöglichen. Der Missbrauchsbeauftragte sichert zu, dass er in seiner weiteren Berichterstattung mit codierten Opfer- und Täterkennzeichnungen arbeiten wird. Er gibt zur Kenntnis, dass sich durch die gesellschaftlich und juristisch geänderte Sicht auf Täter, Opfer, Gelegenheiten und Ereignisse sexueller Gewalt seit der Erstellung des Merzbach-Berichtes auch die Fokussierung der seinerseitigen Fortschreibung ändern wird.
Wissenschaftliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle
Im Gesprächseinstieg wird deutlich, dass "Aufarbeitung … durch Wissenschaftler" eine unscharfe Auftrags-Idee bleibt, solange der methodische Ansatz nicht näher beschrieben ist. Eine schlichte Analyse der Aktenlage scheint keine analysewertigen Erkenntnisse bringen zu können. Herr Römelt teilt mit, dass der Orden derzeit neben der Aufarbeitung durch die Fortschreibung des Merzbach-Berichtes keine weitere Aufarbeitungsinitiative angehe, ist aber bereit, sich ggf. an überregionalen wissenschaftlichen Untersuchungen zu beteiligen.
Verabschiedung der Missbrauchsbeauftragten Frau Kohler
Vor der formlosen Auflösung der Sitzung nimmt Herr Römelt die Gelegenheit war, Frau Kohler aus ihrer bisherigen Mitwirkung als Missbrauchsbeauftragte des Ordens zu verabschieden. Frau Kohler verabschiedet sich mit einem kurzen Rückblick über die vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Termin
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Als Termin für das nächste Treffen wird der Samstag 2. September 2017 vereinbart. Ortsvereinbarung und Einladung auf bisherigem Wege
In Köln finden am Samstag die bewährtem Gespräche von Betroffenen mit Ordensvertretern der Redemptoristen ihre Fortsetzung.
Wir wünschen uns gutes Gelingen!
Im Fall Dieter B., über den wir im Rahmen seines Prozesses im Jahr 2012 mehrfach berichtet haben, gibt es nach nochmaliger Durchsicht der Archive neue Entwicklungen und Erkenntnisse. Wir werden nach der Sommerpause hierzu ausführlicher berichten.
Am 20.5.2016 fand in Hennef das erste vom Orden der Redemptoristen finanzierte Betroffenentreffen ohne eine Beteiligung von Ordensleuten statt. Eine der ursprünglichen Überlegungen, bei einem solchen Treffen auch den Opfern, für die eine Konfrontation mit Ordensleuten undenkbar ist, einen Austausch mit uns zu ermöglichen, konnte zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider noch nicht verwirklicht werden.
Es ergaben sich drei Themenschwerpunkte:
Für ein nächstes Treffen 2017 wird angeregt, zum Thema „Missbrauch- Verlust von innerer und spiritueller Heimat“ einen Referenten zu finden.
Im Anschluss an einen arbeitsintensiven Nachmittag hatten die Betroffenen die Gelegenheit einen Einblick in das zutiefst beeindruckende künstlerische Schaffen eines ortsansässigen Betroffenen zu bekommen, das in vielerlei Hinsicht eng mit seinen Missbrauchserlebnissen und seiner Auseinandersetzung mit der Katholischen Kirche verbunden ist.
Wir bedanken uns beim Orden für die Bereitstellung der finanziellen Mittel für Reisekosten, Übernachtungskosten und Tagungskosten.
Lesenswertes Interview mit Johannes Rörig, UBSKM. Sechs Jahre wird inzwischen das Thema "Sexueller Missbrauch an Kindern" diskutiert und allmählich trauen sich Verantwortliche, auch die schwerst kriminelle Seite des Missbrauchs im organisierten Verbrechen zu benennen, die bislang im größten Teil der Bevölkerung nur in Horrorfilmen angesiedelt wurde.
Des weiteren fordert Rörig die Umsetzung von politischer Verantwortung und der Umsetzung der am Runden Tisch gemachten Versprechen zur finanziellen Ausstattung der Hilfesysteme.
Eine umfangreiche Tagesordnung stand auf dem Programm des jüngsten Treffens zwischen Betroffenen sexueller Gewalt, Vertretern des Ordens der Redemptoristen, dem Missbrauchsbeauftragten des Ordensund der Moderatorin Frau Haardt-Becker.
Auf Wunsch der Betroffenen erklärte der Missbrauchsbeauftragte zunächst, welche inhaltliche Ausgestaltung seinem Auftrag als Missbrauchsbeauftragter zugrunde liegt. Hier waren einige Details, besonders zur absoluten Vertraulichkeit und Parteilichkeit zugunsten der Opfer, so nicht bekannt. Eine genaue Erläuterung der Aufgaben wird in Kürze auf der Hompage eingestellt. Deutlich wurde, dass eine Fortführung des Merzbach- Berichtes in der gleichen Form durch den jetzigen Missbrauchsbeauftragten so nicht möglich ist. Inzwischen hat die Ordensleitung signalisiert, auch daran interessiert zu sein, den Merzbachbericht fortzuschreiben.
Aus den Schilderungen der Missbrauchsbeauftragten aus den Jahren 2014-2015 gibt es einen bislang unbekannten Hinweis auf ein weiteres weibliches Opfer, dass in Erwägung zieht, einen Antrag auf Anerkennung des Leids zu stellen. Ebenso nahm 2015 ein ehemaliger Schüler des CoJoBo aus neuerer Zeit (90er Jahre) Kontakt zum Missbrauchsbeauftragten und inzwischen auch zum Verein auf.
Die Betroffenen bitten den Orden, den Wirkungsort von Pater Otto H. noch einmal intensiv zu untersuchen. Er war bis in die 70er 15 Jahre Pfarrer in Heckenmünster, wo es belegte Übergriffe gegeben hat und die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass es dort noch zu weiteren Taten gekommen ist.
Im Fall Dieter B. wurde im Vorfeld des Treffens bereits die Vereinbarung getroffen, dass sich der Missbrauchsbeauftragte und nicht der Orden selbst um weitere Recherchen im Bezug auf seine Geschichte kümmert. Der Widerstand, den der Orden in dieser Sache spüren ließ, sowie das Nichteinhalten von Versprechen, sich zeitnah um einen intensive Recherche zu bemühen, stoßen bei den Betroffenen auf großes Unverständnis und Enttäuschung. Wir hoffen im Interesse von Dieter, dass die Einschaltung des Missbrauchsbeauftragten jetzt zu einem befriedigenderen Ergebnis führen wird.
Im Mittelpunkt des Gespräches stand eine Bilanz der letzten fünf Jahre, zu der sich alle Beteiligten schon im Vorfeld Gedanken machen sollten. Insgesamt acht Betroffene und fünf anwesende Patres zogen ein von Inhalt und Umfang breit gefächertes Resüme.
Von der "kaum aushaltbaren Wucht", mit der die Erlebnisse der Opfer bis heute auf ihn prallen und dem in Gang gesetzten und noch nicht beendeten Lernprozess ("Missbrauch wird ein Teil meiner Welt") spricht die Ordensleitung, ein Pater spricht gar über seine Zweifel, ob er aufgrund der ans Tageslicht gebrachten Taten seiner Mitbrüder überhaupt noch Mitglied dieser Ordensgemeinschaft sein möchte. Ein anderer empfindet in sich nach wie vor einen Zwiespalt, ob er seine knapp bemessenen Zeit nicht lieber den aktuellen Problemen in seiner beruflichen Gegenwart zugute kommen lässt, als über längst Vergangenes zu sprechen. Ein anderer setzt dagegen sein Statement, dass dieser Gesprächskreis ein guter Gesprächskreis sei und dass er ein Gesprächskreis sein solle "ohne Ende".
Auf Seiten der Betroffenen oder auch „Angefassten“, wie ein Teilnehmer es ausdrückte, gab es zum einen die deutliche Anerkennung, dass der Orden sich ab 2010 zu kontinuierlich fortgesetzten Treffen bereit erklärt hat und seinerzeit eine unbürokratische Abwicklung der Anträge auf eine Zahlung in Anerkennung des Leids gewährleistet hat. Große Entäuschung zeigte sich im Bezug auf die Art und Weise, in der 2013 der Merzbach Bericht von Seiten des Anwalts der Redemptoristen in der Gerichtsverhandlung Dieter B. gegen den Orden behandelt wurde. Alle Opfer sahen dort mit dem Vorgehen des Anwalts die Ermittlungen von Herrn Merzbach und damit die eigene Glaubwürdigkeit erneut in Frage gestellt. Diese Infragestellung wurde von allen Betroffenen als erneutes Unrecht empfunden. Das gerade aufgebaute Vertrauen in den Aufarbeitungswillen des Ordens ist seitdem mindestens angeschlagen.
Entäuscht sind eine Reihe von Betroffenen auch durch die Tatsache, dass der Orden von sich aus in den letzten fünf Jahren nur selten aktiv geworden ist. (" Was nötig gewesen wäre? Dass sich einer von Ihnen geopfert hätte für uns. Einer, der nicht nur Scham bekundet, einer, der nicht nur um Verzeihung bittet, sondern einer der die Fahne der Aufarbeitung, der Beschämung der eigenen Zunft getragen hätte. Eine Fahne trägt und schwenkt man vorneweg.") Es wurden zwar immer wieder Anregungen der Betroffenen, wie z.B. die Fachtage zum Thema „Trauma“ umgesetzt, aber vermisst wird ein konsequentes, zielorientiertes Handeln, ein mutiges Vorangehen des Ordens selbst. Ein öffentliches Bekenntnis zu den dunklen Seiten in der Vergangenheit des Ordens ist nicht erkennbar. Der Missbrauchsbericht war auf der Ordenshomepage nicht mehr zu finden (was geändert werden soll) und auch darüber hinaus sind keine Hinweise zu finden, dass der Orden seit Jahren im Austausch mit Betroffenen steht.
Die Wirkung des erlittenen Traumas bis in die Gegenwart zeigt sich besonders deutlich in der Verzweiflung Einzelner, auch theologisch Aufschluss darüber finden zu wollen, wie diese Taten mit dem Auftrag eines Priesters überein kommen. Konkrete Fragen eines Betroffenen hierzu können tatsächlich auch von den Ordensleuten nicht im Ansatz beantwortet werden.
Die Frage eines Ordensmitglieds an die Betroffenen, wie sich sich denn verhalten würden, wenn bekannt würde, dass es in der eigenen Familie einen Täter gibt, zeigt die tiefe Betroffenheit einzelner Ordensmitglieder genauso wie die große Hilflosigkeit diesem Thema gegenüber. Neben der Anregung, sich in einem solchen Fall professionelle Hilfe zu suchen (wie man es evtl. auch in der Familie machen würde) kam auch der Hinweis aus der Betroffenengruppe, dass es nicht zielführend sei, die Opferseite in diese Frage zu involvieren. Aus Sicht der Betroffenen könnte es gerade in Bezug auf die Beantwortung dieser Frage von zentraler Bedeutung sein, die Aufarbeitung auch ordensintern zu gestalten und zu forcieren. Von ihm wurde das Anliegen deutlich ausgesprochen: "wieder heil zu werden, Sie mit uns und wir mit Ihnen"- falls es denn überhaupt gehen kann. Ein Betroffener (H. K.) drückte diese Skepsis so aus: er hoffe immer, dass es gelingen könne, noch einmal gerade Zeilen zu schreiben- aber er glaube es nicht.
Die Betroffenengruppe hält das Thema einer individuellen finanziellen Entschädigung weiterhin für drängend und nicht abschließend bearbeitet.
Im letzten Teil des Gesprächs ging es um die Gestaltung der Zukunft:
Hier gab es ausdrücklich den Wunsch, die Prävention gegen sexuelle Gewalt vom Kopf auf die Füße zu stellen, aus der Theorie in die Praxis zu führen, vom (reichlichen) Papier in das reale Leben, Prävention also im Alltag wirksam zu machen. Dieser Wunsch wurde vom Missbrauchbeauftragten auch als oberstes Anliegen eines neuen Betroffenen formuliert. Herr Römelt sagte zu, mit dem Missbrauchbeauftragten ein entsprechendes Controlling bzw. die Impelementierung eines Schutzkonzeptes in Bonn und Kirchhellen zu diskutieren und gegebenenfalls zu vereinbaren. ("Ich lerne hier. wie geht das als Verantwortlicher?")
Über die Umsetzung der vorgetragenen Anliegen sollen in einem nächsten Treffen am Samstag, den 3.9.2016 um 11.00 in Köln gesprochen werden.
Der Orden erklärt sich darüberhinaus bereit, auch ein jährliches Treffen der Betroffenengruppe untereinander und mit professioneller Unterstützung durch Frau Haardt- Becker zu finanzieren. Ohne Zögern wird diesem Wunsch entsprochen. Diese erfreuliche Zusage öffnet somit für die Zukunft die Möglichkeit, mit weiteren Betroffenen in persönlichen Kontakt und Austausch zu kommen, für die ein Zusammentreffen mit Ordensmitgliedern unmöglich bzw. unerwünscht ist.
Ein erster Termin ist für Mai angedacht. Ausführliche Informationen folgen.
Abschließend ein Satz des Journalisten Florian Breitmeier, der am 27.1.2016 im NDR Radio die Entwicklungen in Hildesheim kommentierte, ein Satz, der durchaus auch auf unseren Kreis übertragbar ist:
„Wer angibt, in der Spur der Opfer gehen zu wollen, muss diesen Willen auch offensiv zum Ausdruck bringen und selbstlos auf potentiell Betroffene zugehen. Dies wäre eine Kirche, die zu den Menschen geht, und nicht wartet, bis sie zur Kirche kommen. Nächstenliebe, Achtsamkeit und Fürsorge sind theologische Schlüsselbegriffe, ebenso wie Reue, Buße, Umkehr.“ Ein Anfang ist auch hier gemacht.
Zur Zeit melden sich ungewöhnlich viele ehemalige Schüler aus beiden Internaten, am häufigsten Schüler, die die Internate vorzeitig verlassen mussten oder mehr oder weniger freiwillig verlassen haben. So beispielsweise auch ein ehemaliger "Internatszögling" aus Bonn, der die Schule und das Internat noch 1 Jahr vor dem Abitur (!) 1968 verlassen musste. Deutlich wird in den Telefongesprächen, dass gerade Schüler, die vorzeitig gehen mussten (meist wegen sexueller "Verfehlungen" oder wegen ihrer Widerständigkeit) in ihrem Lebensvollzug erheblich beschädigt worden sind. Die Beschädigung betrifft erst einmal schlicht ihre wirtschaftliche Reproduktion: sie fanden keinen Anschluss mehr, um das Abitur zu machen oder fühlten sich dermaßen der realen Welt entfremdet, dass sie keinen gesellschaftlichen Anschluss fanden. Die psychische Traumatisierung ist in den meisten Fällen so schwerwiegend, dass der weitere Lebensvollzug vor allem durch "Anstrengung" gezeichnet ist. Eine Anstrengung, die auch den ersten Kontakt mit uns begleitet, so dass es oft einzig beim Erstanruf bleibt. Die Beschädigung durch das im Internat Erlebte ist ganz offensichtlich: In einem zusammenhängenden Erzählstrang das Erlebte schildern, kann kaum einer der Anrufer- eine sehr typische Folgerscheinung von Traumatisierung in Kindheit und Jugend: Erinnerungen werden in allen Einzelheiten (von Hölzchen zu Stöckchen) wiedergegeben, bleiben bruchstückhaft an Einzelheiten gebunden, die Gesamterzählung wirkt zum größten Teil chaotisch desorganisiert. Alle haben lange Zeit gebraucht, bevor sie sich entscheiden können, überhaupt zu sprechen.
Darüber zu reden, was die Anrufer eigentlich bewegt, verschieben viele auf einen zweiten Termin. Die Belastung ist so hoch, dass sie darüber im ersten Kontakt nicht reden wollen. Viele wollen offensichtlich auch gar nicht über ihre Erlebnisse reden, finden es nur wichtig einmal zu sagen, wie schlimm "es" war.
Es scheint an der Zeit, mit dem Orden beim nächsten Treffen im Januar Vereinbarungen darüber zu treffen, wie eine bessere Plattform für Gespräche aussehen könnte. Gespräche, in die mehr Ehemalige eingebunden werden müssten, als die, die sich bisher "offiziell" gemeldet haben oder die "offiziell" angeschrieben wurden.
Es bestätigt sich immer mehr die Annahme der im Verein organisierten Betroffenen, dass sich verhälnismäßig wenige von Gewalt und Missbrauch Betroffene melden, nicht etwa weil die Beschädigungen denn doch vernachlässigbar wären, sondern weil sie so tiefgreifend sind, dass sie "vergessen" bleiben sollen.
Trotz alledem und alledem gilt: Ruft an! Erzählt! Nehmt Kontakt auf. Wir alle haben Ähnliches durchgemacht.
Nach vielen Gesprächen müssen wir auch unser Urteil zum Internat in Bous revidieren: weiterhin gilt, dass kein Fall von sexueller Gewalt durch Mitarbeiter des Internats berichtet wird. Harte Schläge ins Gesicht und auch der Rohrstock waren aber für einzelne Mitarbeiter durchaus gebräuchlich.
Ein ehemaliger Domspatz, verdächtig der Ermordung seiner Freundin, soll als Domspatz mindestens zwei Mitschüler missbraucht haben.
Ein warnendes Beispiel für das, was man auch als Gelegenheitsstruktur begreifen kann. Wann werden
die Verantwortlichen begreifen, welches besondere Biotop für Missbrauch und Gewalt eine vorwiegend von Männern betriebene Jungenschule bietet- ganz besonders eine mit einer solchen
Geschichte?
http://www.regensburg-digital.de/anklage-gegen-domspatz-zwei-mitschueler-missbraucht/04042016/
Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums:
Bundesfamilienministerium hebt Antragsfrist beim „Fonds Sexueller Missbrauch“ auf. Betroffene, die Kindesmissbrauch im familiären Umfeld erlitten haben, können
jetzt auch nach dem 30. April 2016 Anträge auf Hilfen stellen.
Missbrauchsbeauftragter Rörig: „Dies ist ein wichtiger erster Schritt ! Ich hoffe, dass jetzt auch die Frist für das „Ergänzende Hilfesystem“ für Betroffene, die Missbrauch in Institutionen
erlitten haben, gestrichen wird.
Berlin, 29.03.2016. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat heute auf der Website des „Fonds sexueller Missbrauch“ (FSM) bekannt gegeben, dass Betroffene
sexuellen Missbrauchs im Kindes- und Jugendalter über den 30. April 2016 hinaus Anträge auf Hilfeleistungen an die Geschäftsstelle des FSM richten können
(www.fonds-missbrauch.de).
Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, begrüßt die unbefristete Aufhebung der Antragsfrist beim FSM: „Dies ist ein längst überfälliges
Signal an Betroffene aus dem familiären Bereich! Die vom Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ Ende 2011 geforderten ergänzenden Hilfen müssen mindestens so lange erhalten bleiben, bis
die seit mehr als vier Jahren überfällige Reform des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) endlich umgesetzt wird. Sollte die OEG-Reform jedoch in Kraft treten, ohne dass die dringend notwendigen
Verbesserungen für Betroffene darin berücksichtigt werden, müssen ergänzende Hilfen für Missbrauchsopfer auch über die OEG-Reform hinaus weiter zur Verfügung gestellt werden!“
Als besonders ärgerlich bewertet Rörig, dass der FSM bereits enden sollte, bevor überhaupt alle Bundesländer eingezahlt haben. Die von drei Bundesministerinnen versprochenen 100 Millionen
Euro (je 50 Millionen Euro durch Bund und Länder) sind bis heute nicht zusammengekommen. Nur der Bund und die beiden Länder Bayern und MecklenburgVorpommern haben bisher in den Fonds
eingezahlt. „Es fehlen noch 42 Millionen Euro, die Betroffene dringend benötigen! Die säumigen 14 Bundesländer müssen ebenfalls ihrer gesamtgesellschaftliche Verantwortung für den
tausendfachen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen im familiären Bereich nachkommen!“, so Rörig.
Eine Verlängerung für das „Ergänzende Hilfesystem“ (EHS) für Betroffene, die Missbrauch in Institutionen erlitten haben, hat das BMFSFJ bisher noch nicht in Aussicht gestellt. Die
Antragsfrist für das EHS soll weiterhin am 31. August 2016 enden – obwohl es faktisch noch nicht einmal vollständig angelaufen ist. Aktuell beteiligen sich neben den christlichen
Kirchen, dem Deutschen Olympischen Sportbund und einigen Wohlfahrtsverbänden erst zehn von 16 Bundesländern an dem EHS. „Administrative Unzulänglichkeit und mangelnde politische Sensibilität
gehen hier in unverantwortlicher Weise zulasten von Betroffenen aus dem institutionellen Bereich. Es ist ihnen auch nicht zumutbar, dass sie vorsorglich bis Ende August 2016 Anträge stellen
sollen, obwohl viele Länder noch gar nicht beigetreten sind, sie nicht wissen, wer diese Anträge in den Händen halten wird und ob und wann sie überhaupt bearbeitet werden“, so Rörig, „auch
diese Frist muss gestrichen werden!“
Rörig fordert außerdem verbesserte Verwaltungsabläufe und Informationen für Betroffene: „Aktuell gibt es einen Bearbeitungsstau von über einem Jahr! Betroffenen wurden von den Mitgliedern des
Runden Tisches und der damaligen Bundesregierung schnelle und unbürokratische Hilfen versprochen. Tatsache ist aber, dass Betroffene, die zum Beispiel dringend therapeutische Hilfe benötigen,
im Schnitt ein Jahr auf eine Rückmeldung warten. Das ist eine Missachtung der berechtigten Interessen von Betroffenen!“ Rörig mahnte auch, dass viele Betroffene nicht wissen, dass diese
Hilfen überhaupt existieren beziehungsweise auch dann beantragt werden können, wenn bereits durch die Institution Anerkennungszahlen geleistet wurden. „Wenn Betroffene nicht ausreichend
informiert sind, werden ihnen wichtige Hilfen vorenthalten. Es braucht dringend mehr Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, um Betroffene über die ihnen zustehenden Hilfeleistungen umfassend zu
informieren“, so Rörig. __________________________________________________________________________
Informations- und Kontaktmöglichkeiten für Betroffene zu den ergänzenden Hilfen: Geschäftsstelle Fonds Sexueller Missbrauch beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Telefonische Beratung: 0800 – 4001050 (kostenfrei)
http://www.fonds-missbrauch.de/
Weitergehende Informationen: Das Familienministerium hat bekannt gegeben, dass auch über den 30. April 2016 hinaus Anträge beim EHS-FSM (familiärer Bereich) gestellt werden können. Dieses vorübergehend angelegte Hilfesystem sieht Sachleistungen für alle Menschen vor, die in ihren Familien oder im familiären Umfeld sexuell missbraucht wurden. Die Definition "familiäres Umfeld" ist großzügig ausgelegt. Eine der Voraussetzungen für einen positiven Entscheid ist, dass für die beantragten Hilfen kein anderer Kostenträger einspringt. Es können sowohl Leistungen zur Überbrückung beantragt werden, z.B. wenn es um kassenfinanzierte Psychotherapien geht, als auch etwas, das in den regulären Hilfesystemen nicht vorgesehen ist. Aus dem Antrag sollte hervorgehen, inwieweit das Beantragte geeignet ist, die Missbrauchsfolgen zu lindern. Darum geht`s, nicht um Entschädigung. Zur Linderung können ggf. auch weitergehende Ausgaben zum "menschenwürdigen" Über- Leben gehören. Die Prüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben hat beim EHS-FSM im Gegensatz zum OEG z.B. keine zentrale Bedeutung im Sinne vorzulegender rechtssicherer Beweise und Gutachten. Alle Angaben müssen selbstverständlich plausibel sein. Anträge für Kinder werden vorgezogen entschieden, Erwachsene müssen aktuell leider mit einer längeren Bearbeitungsdauer rechnen. Es stehen pro AntragstellerIn maximal 10 000 Euro zur Verfügung, Menschen mit Behinderung können unter Umständen einen Mehrbedarf geltend machen.
Es besteht zwar kein Rechtsanspruch auf Hilfen über das Ergänzende Hilfesystem- Fonds Sexueller Missbrauch, aber die Antragstellung ist bewusst vergleichsweise niederschwellig, d.h. unkompliziert gestaltet worden. So ist es weder notwendig, alle Angaben zu belegen, noch detaillierte Ausführungen zu machen. Auf den Datenschutz wird sehr genau geachtet. Nach Eintragseingang gibt es eine Persönliche Anonymisierungsnummer (PAN), unter deren Verwendung der notwendige Schriftverkehr erfolgt. Wer also seinen Antrag noch nicht vollständig ausfüllen kann, z.B. weil noch keine Angaben zu Kostenvoranschlägen für Sachleistungen möglich sind, kann das später nachholen, selbst nach Auslaufen der Antragsfrist. Bislang sind gut 4000 Anträge in der Geschäftsstelle des Fonds eingegangen. Wie weit die derzeit zur Verfügung stehenden Mittel reichen werden, ist zwar noch unklar. Doch da bis auf Bayern und Mecklenburg-Vorpommern fast alle Bundesländer noch nicht in den familiären Fonds eingezahlt haben, stehen von den ursprünglich veranschlagten 100 Millionen Euro noch 42 Millionen aus. Je mehr Anträge in der nächsten Zeit eingehen, desto deutlicher wird den politisch Verantwortlichen werden, wie viele Betroffene von sexueller Ausbeutung und Gewalt in unserem Land leben und dass sie dringend Unterstützung benötigen. Die Antragsfrist für Opfer institutionellen Missbrauchs, einem angegliederten Hilfesystem ist davon erst einmal unberührt und endet bis auf Weiteres am 31.8.2016.
Informationen gibt es auf der Homepage des EHS-FSM, www.fonds-missbrauch.de , einer Website des UBSKM, https://beauftragter-missbrauch.de/hilfe/weitere-hilfen/ und natürlich bei vielen Beratungsstellen wie z. B. Tauwetter.
Hier die Stellungnahme von Tauwetter:
http://www.tauwetter.de/en/aktuelles/214-ehs-antragsfrist-verlaengert.html
Deutschland hat am 18.11.2015 das Übereinkommen des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (ETS-Nr. 201) ratifiziert (Inkrafttreten am 01.03.2016).
Im Abkommen gibt es Punkte, die mit den derzeit in Deutschland gültigen Gesetzen zum Sexualstrafrecht nicht konform gehen. Zum Beispiel, dass „Grooming“ unter Strafe gestellt werden soll. Wir begrüßen die Ratifizierung ausdrücklich
Frau Witte, Vorsitzende unseres Vereins, hat einen entsprechend "alten" Artikel gefunden, der aber doch sehr aufschlussreich ist bezüglich der Geschichte und auch der besonderen Art und Weise "klerikalen Missbrauchs". Es handelt sich um ein Interview mit einem beteiligten Expater:
http://www.aha.lu/index.php?option=com_content&view=article&id=130&Itemid=252&lang=de
Wer jemals versucht hat, über das OEG Zahlungen zu erwirken, weiß, wie schwierig das ist. Hier ein krasses Beispiel:
Alternativ bietet sich für Missbrauchsopfer bei Geldbeträgen bis 10.000,00€ der Fonds Ergänzende Hilfen beim Familienministerium an. Er soll Überbrückungshilfen bieten, bis endlich das OEG reformiert ist.
Aktuell hat der Staatssekretär des BMFSFJ, Herr Dr. Kleindiek, verkündet, dass Anträge für den Fonds Sexueller Missbrauch im familiären Bereich über den 30. April 2016 hinaus gestellt werden können. Damit soll die Brückenfunktion, die das Ergänzende Hilfesystem hat, weiter aufrechterhalten bleiben. Die noch notwendigen intensiven Gespräche und Abstimmungen zur konkreten Umsetzung werden zeitnah geführt. Gerne informieren wir Sie anschließend über die entsprechenden Ergebnisse.
Wir ermutigen nichtsdestotrotz unabhängig davon alle Betroffenen, zeitnah ihren Antrag auf ergänzende Hilfeleistungen an die Geschäftsstelle des Fonds Sexueller Missbrauch zu richten.
Bei Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Geschäftsstelle Fonds Sexueller Missbrauch
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Glinkastraße 24, 10117 Berlin
Internet: www.fonds-missbrauch.de
Nach Oscar für Spotlight:
Missbrauchsbetroffene des Aloisiuskollegs fordern deutsche Medien zu mehr Mut und „Dranbleiben“ auf!
Berlin/Bonn, 29.02.2016. Anlässlich der Verleihung des Academy Awards „bester Film“ an SPOTLIGHT fordert der ECKIGE TISCH BONN – Verein Geschädigter des Aloisiuskollegs e.V. die deutschen
Medien zu Mut bei der Berichterstattung und Recherche über die historischen (und aktuellen?) Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche auf.
Man habe, so die Betroffenen, in den letzten Jahren nach dem Bekanntwerden der Skandale zunehmend den Eindruck gewonnen, die Medienlandschaft habe das Thema und dessen historische Aufarbeitung in der Breite aus den Augen verloren. Hinzu käme, dass sich die Kirchen mit dem medial bislang nicht öffentlich überprüften Präventionsversprechen auch als Aufklärer in eigener Sache in Stellung gebracht hätten. Dass letzteres nicht funktioniere zeigte leuchtturmhaft die jüngste Berichterstattung rund um die Personalien im Bistum Hildesheim.
Der Jesuitenorden z.B. habe noch keine unabhängige Untersuchung der Missbrauchssystematiken und des Versagens im gesamten (deutschen) Orden vorgelegt. Omnipräsente Protagonisten fänden in den Medien statt, die Komplizen der Täter hätten sich im Orden eingerichtet und würden mittelbar und unmittelbar gedeckt – bis heute.
So wie am Aloisiuskolleg gäbe es überall vor Ort Betroffene, die „oscarreife“ Skandale und Ungeheuerlichkeiten vor, während und vor allem nach den eigentlichen Missbrauchstaten zu berichten wüssten und die noch nicht öffentlich erzählt wurden. Das sei aber wichtig, damit der systemische Aspekt und Hintergründe von Missbrauch in der Gesellschaft diskutiert werden können. Die Meinungshoheit z.B. zum Ausmaß der Aufarbeitung und Entschädigung, dürfe nicht einseitig den Kirchen überlassen werden. Das passiere aber, wenn man nur über dem Skandal (Missbrauchstaten) berichte und nicht am Thema dranbleibe.
Bei der Beschäftigung mit der 40 jährigen Missbrauchsgeschichte des Bonner Aloisiuskollegs habe man nur wenige standhafte Journalistinnen und Journalisten kennengelernt, die das Thema auch lokal und entgegen vieler Widerstände bis heute beleuchten. Das wünschen sich die Missbrauchsbetroffenen von der deutschen Presse, der sie vertrauen: Bringen Sie Licht in die deutsche Missbrauchsgeschichte. Fragen Sie die Betroffenen vor Ort, die kennen die dunklen Stellen!
Für den Vorstand
Heiko Schnitzler
ECKIGER TISCH BONN - Verein Geschädigter des Aloisiuskollegs e.V.
Borsigstr. 27
10115 Berlin
Der Verein der Missbrauchsopfer Collegium Josephinum Bonn und Redemptoristen schließt sich diesem Aufruf gerne an.
Ein Resultat des letzten Gespräches mit Vetretern des Ordens in Köln war die Etablierung von Betroffenentreffen, an denen Ordensmitglieder nicht teilnehmen, die Durchführung jedoch finanzieren.
Das erste Treffen findet am Freitag, den 20.5.2016 in der Zeit von 14.00 - 17.00 Uhr in Hennef bei Bonn statt.
Eingeladen sind alle, die Opfer von sexuellem Missbrauch und Gewalt durch Angehörige des Redemptoristen Ordens geworden sind.Seit 2010 haben wir immer wieder von Menschen erfahren, die das Bedürfnis haben, über die an ihnen begangenen Verbrechen zu sprechen, dies aber nicht in Gegenwart von Patres tun wollten. Diesen Personen soll nun zusammen mit Betroffenen und Vereinsmitgliedern, die bislang auch an den Gesprächen in Köln teilgenommen haben, die Möglichkeit eines Austausches gegeben werden. Das Treffen wird aufgrund des über Jahre gewachsenen Vertrauens von Frau Annette Haardt-Becker moderiert, die seit 2010 auch die Gesprächsleitung in Köln übernommen hat.
Weitere Informationen erhalten Interessierte über die Kontaktdaten auf der Startseite der Homepage.
An dieser Stelle auch eine ausdrückliche Bekundung unseres Respektes für diesen Schritt des Ordens.
Der Film basiert auf wahren Ereignissen und handelt von einem Team von Journalisten der Tageszeitung The Boston Globe, das den sexuellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Boston aufdeckt.
Auch wenn der Film keinen Missbrauch nachstellt, geht er unter die Haut aufgrund der Interviews mit Zeugen und Tätern. Traurig und wütend macht, dass sich auch 15 Jahre nach den im Film geschilderten Tatsachen in den Strukturen der Kirche noch viel zu wenig verändert hat. Die Kultur des Verschweigens, des Leugnens und Kleinredens verhindert nachwievor fast jeden Aufarbeitungsprozess und effektive Prävention. Daran ändert sich auch nicht viel durch die positive Kritik der Kirche für diesen Film.
Auf jeden Fall sehenswert.
Aufgrund des Drucks von Opferverbänden richtete Papast Franziskus im März 2014 eine Kinderschutzkommission in beratender Funktion für die Bischöfe ein. Jetzt, fast zwei Jahre später zeigt sich, dass weiterhin viel zu wenig passiert, um Täter zu überführen und weitere Taten zu verhindern. Ein auf hoher Ebene aktives Missbrauchsopfer berichtet:
Wie es weitergeht, lesen Sie hier:
http://www.christundwelt.de/detail/artikel/der-ausgestossene/
Pressemitteilung
Missbrauchsbeauftragter veröffentlicht „Expertise Häufigkeitsangaben“ und „Forderungskatalog Forschung“:
Rörig: „Rund 1 Million Kinder sind in Deutschland von sexueller Gewalt betroffen. Expertise zeigt enorme Dimension von sexueller Gewalt an Kindern auch im internationalen Vergleich!“
Bisher fehlt es in Deutschland an validen Zahlen zur Häufigkeit von sexuellem Missbrauch oder zur Differenzierung nach Geschlecht. Ein Vergleich der vorliegenden Hell- und Dunkelfeldstudien ist aufgrund unterschiedlicher Definitionen und Studiendesigns kaum möglich, Entwicklungen und Tendenzen, ob Missbrauch zu- oder abnimmt und welche Faktoren hier möglicherweise eine Rolle spielen, sind so kaum zu benennen. Wichtige Ergebnisse: Mädchen sind weitaus häufiger betroffenen als Jungen. Die meisten Kinder erleiden neben sexueller Gewalt auch weitere Gewaltformen.
Berlin, 22.02.2016. Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, hat heute in Berlin die Expertise „Häufigkeitsangaben zum sexuellen Missbrauch – Internationale Einordnung, Bewertung der Kenntnislage in Deutschland, Beschreibung des Entwicklungsbedarfs“ sowie den Forderungskatalog „Forschung zu sexuellem Missbrauch – Vom Tabu zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe“ vorgestellt, in dem mehr Investment in Forschung, Vernetzung mit der Praxis, Partizipation von Betroffenen sowie Nutzen von Forschungswissen für Aus-, Fort- und Weiterbildung gefordert wird.
Expertise und Forderungskatalog zum Download sowie weitere Informationen unter: https://beauftragter-missbrauch.de/nc/presse-service/pressemitteilungen/
Zum Download hier:
Die Kölnische Rundschau berichtet ausführlich zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs am
erzbischöflichen Konvikt Collegium Josephinum Bad Münstereifel. Interessant auch die Hinweise zu besonderen Erschwernissen der Aufarbeitung. Beschämend, wie stark der Verein der Ehemaligen
versucht, z. B. mit dem Hinweis auf Datenschutz die Aufarbeitung zu behindern. Und wenn es nur ein einziges Opfer geben würde (es gibt mehr), müsste dieser Verein ehemaliger Mitschüler doch
alles daransetzen, die Aufklärung erlittenen Leids zu unterstützen.
Erinnert doch sehr daran, dass in der Regel Mütter, die wissen, dass der eigene Mann das eigene Kind/Stiefkind missbraucht, auch
nichts unternimmt und oft das Kind auch dann im Regen stehen lässt, wenn es irgendwann den Täter anzeigt/anzeigen will. Der Schein von heiler Familie würde in dem Moment zerbrechen genauso
wie für die sog. Ehemaligen einer Schule der Glorienschein der Schule, an der für sie selbst vielleicht alles so toll war, zerbrechen würde, wenn sie für sich die Schattenseite realisieren
würden. Also boykottiert man die Aufarbeitung, damit der Schein von Elite oder welcher Schein auch immer gewahrt bleibt, vielleicht aber auch, damit man selbst nichts aufzuarbeiten hat.
Vorwurf dahinter an die Missbrauchsopfer: "Sollen sich doch nicht so wichtig machen!"
In der Evangelischen Akademie Tutzing wird erstmals der Vergleich zwischen katholischen Internaten, der weltlichen Odenwaldschule und grünen Tatorten versucht. Er zeigt Parallelen: Je heller der Glorienschein der "zeitgemäßen" Elite, desto leichter, die Zöglinge zu missbrauchen. Der Vergleich erbringt auch Hinweise darauf, dass die bis heute nicht aufgearbeitete Prägung von Internaten durch ein Wertesystem, das sich am Faschismus orientiert, einen Schlüssel zum Verständnis der Vorgänge darstellen könnte. Es bestätigt sich, dass solche geschlossenen, kontrollierbaren Systeme wie es viele Internate, Heime und Privatschulen sind, für Erwachsene, deren Persönlichkeit in eine bestimmte Richtung gestört ist, besonders attraktive Betätigungsfelder darstellen. Das Bespitzeln, das nach-oben-hin-buckeln-aber nach-unten-treten, die Dysregulation von Nähe und Distanz, das Abhängigmachen, Bedrohen, Bloßstellen erscheinen als typische Verhaltensweisen. "Sadismus" der Täter und Verantwortungslosigkeit der Kontrollinstanzen ist ein Kernthema.
Hier der Link:
http://www.ev-akademie-tutzing.de/wp-content/uploads/2016/02/Kind-anvertraut-2-Fueller_Artikel.pdf
Am 11.2.2016 fand ein Gespräch zwischen Herrn Dieter B. und dem Missbrauchsbeauftragten des Ordens statt. Auf Wunsch des Betroffenen nahm auch die Vorsitzende des Vereins an diesem Gespräch teil.
Hintergrund des Treffens waren die vom Orden angezweifelten Aussagen von Dieter B. bezüglich seiner Unterbringung im CoJoBo in den Sommerferien 1959.
Da der Versuch einer weiteren Klärung durch den Orden im Jahr 2015 nicht zielführend war, wurde der Fall am Jahresanfang von Pater Römelt an den Missbrauchsbeauftragten übertragen.
Anhand der Ergebnisse des Gespräches und weiterer Recherchen soll die Tatzeit noch einmal beleuchtet werden. Dazu erhält der Missbrauchsbeauftragte uneingeschränkten Zugang zu den noch vorhandenen Akten in den Archiven in Bonn und Wittem und dem Privatnachlass verschiedener Patres. Sollten sich im Zuge der anberaumten Durcharbeitung weitere Details auch im Bezug auf den Missbrauch anderer Opfer, die dem Orden bekannt sind, ergeben, wird sich der Missbrauchsbeauftragte mit diesen Personen in Verbindung setzen.
Die Wahrnehmung der Fürsorgepflicht dem Betroffenen gegenüber wurde vom Missbrauchsbeauftragten während der Dauer des mehrstündigen Gespräches sehr ernst genommen.
Im Interesse des Opfers sind wir gespannt auf die Ergebnisse und danken dem Orden für die Art und Weise der Kooperation.
Ende Januar fand in der Akademie Tutzing eine ausgezeichnete Tagung statt mit dem Thema: „Kind, du bist uns anvertraut“ Evangelische Akademie Tutzing, 29.1. – 31.1.2016 Sexuelle Gewalt gegen Kinder und der Umgang damit in Deutschland.
Veranstaltungen
Der Vortrag von Prof. Fegert ist eine ausgezeichnete Zusammenfassung der aktuellen Daten (und ihrer Problematik) zur Sexuellen Gewalt und bereits downloadbar:
In diesem Zusammenhang noch einmal der Hinweis auf den möglichen Download der ausgezeichneten Aufarbeitung zum Kloster Kremsmünster unter der Überschrift "Schweigen, Aufdeckung, Aufarbeitung"
http://www.ipp-muenchen.de/files/bericht_kremsmuenster_ipp_issn_1614-3159_nr-11.pdf
und der Hinweis auf die Aufarbeitung im Kloster Ettal durch das gleiche Institut:
http://www.ipp-muenchen.de/texte/ap_10.pdf
Zur Odenwaldschule hier eine Aufstellung des zeitlichen Ablaufs des Skandals:
http://ueberhauptgarnix.blogspot.de/2010/04/kindermissbrauch-der-odenwaldschule-in.html
Gerne weisen wir auf einen sehr besonderen Film zur Gewalt gegen Frauen hin, der im März in die deutschen Kinos kommt. Besonders ist der Film deshalb, weil es gelungen ist, die Frauen selbst zum Sprechen zu bringen und damit das Schweigen und Vergessen der Frauen zu beenden - eindrucksvoll und sehenswert.
Premiere am 01. März im Museum Ludwig in Köln:
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Inhaltlich auch folgende Links:
http://mindjazz-pictures.de/project/voices-of-violence/
http://www.schmidfilm.de/de/filme/voices-violence
Eine umfangreiche Tagesordnung stand auf dem Programm des jüngsten Treffens zwischen Betroffenen sexueller Gewalt, Vertretern des Ordens der Redemptoristen, dem Missbrauchsbeauftragten des Ordensund der Moderatorin Frau Haardt-Becker.
Auf Wunsch der Betroffenen erklärte der Missbrauchsbeauftragte zunächst, welche inhaltliche Ausgestaltung seinem Auftrag als Missbrauchsbeauftragter zugrunde liegt. Hier waren einige Details, besonders zur absoluten Vertraulichkeit und Parteilichkeit zugunsten der Opfer, so nicht bekannt. Eine genaue Erläuterung der Aufgaben wird in Kürze auf der Hompage eingestellt. Deutlich wurde, dass eine Fortführung des Merzbach- Berichtes in der gleichen Form durch den jetzigen Missbrauchsbeauftragten so nicht möglich ist. Inzwischen hat die Ordensleitung signalisiert, auch daran interessiert zu sein, den Merzbachbericht fortzuschreiben.
Aus den Schilderungen der Missbrauchsbeauftragten aus den Jahren 2014-2015 gibt es einen bislang unbekannten Hinweis auf ein weiteres weibliches Opfer, dass in Erwägung zieht, einen Antrag auf Anerkennung des Leids zu stellen. Ebenso nahm 2015 ein ehemaliger Schüler des CoJoBo aus neuerer Zeit (90er Jahre) Kontakt zum Missbrauchsbeauftragten und inzwischen auch zum Verein auf.
Die Betroffenen bitten den Orden, den Wirkungsort von Pater Otto H. noch einmal intensiv zu untersuchen. Er war bis in die 70er 15 Jahre Pfarrer in Heckenmünster, wo es belegte Übergriffe gegeben hat und die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass es dort noch zu weiteren Taten gekommen ist.
Im Fall Dieter B. wurde im Vorfeld des Treffens bereits die Vereinbarung getroffen, dass sich der Missbrauchsbeauftragte und nicht der Orden selbst um weitere Recherchen im Bezug auf seine Geschichte kümmert. Der Widerstand, den der Orden in dieser Sache spüren ließ, sowie das Nichteinhalten von Versprechen, sich zeitnah um einen intensive Recherche zu bemühen, stoßen bei den Betroffenen auf großes Unverständnis und Enttäuschung. Wir hoffen im Interesse von Dieter, dass die Einschaltung des Missbrauchsbeauftragten jetzt zu einem befriedigenderen Ergebnis führen wird.
Im Mittelpunkt des Gespräches stand eine Bilanz der letzten fünf Jahre, zu der sich alle Beteiligten schon im Vorfeld Gedanken machen sollten. Insgesamt acht Betroffene und fünf anwesende Patres zogen ein von Inhalt und Umfang breit gefächertes Resüme.
Von der "kaum aushaltbaren Wucht", mit der die Erlebnisse der Opfer bis heute auf ihn prallen und dem in Gang gesetzten und noch nicht beendeten Lernprozess ("Missbrauch wird ein Teil meiner Welt") spricht die Ordensleitung, ein Pater spricht gar über seine Zweifel, ob er aufgrund der ans Tageslicht gebrachten Taten seiner Mitbrüder überhaupt noch Mitglied dieser Ordensgemeinschaft sein möchte. Ein anderer empfindet in sich nach wie vor einen Zwiespalt, ob er seine knapp bemessenen Zeit nicht lieber den aktuellen Problemen in seiner beruflichen Gegenwart zugute kommen lässt, als über längst Vergangenes zu sprechen. Ein anderer setzt dagegen sein Statement, dass dieser Gesprächskreis ein guter Gesprächskreis sei und dass er ein Gesprächskreis sein solle "ohne Ende".
Auf Seiten der Betroffenen oder auch „Angefassten“, wie ein Teilnehmer es ausdrückte, gab es zum einen die deutliche Anerkennung, dass der Orden sich ab 2010 zu kontinuierlich fortgesetzten Treffen bereit erklärt hat und seinerzeit eine unbürokratische Abwicklung der Anträge auf eine Zahlung in Anerkennung des Leids gewährleistet hat. Große Entäuschung zeigte sich im Bezug auf die Art und Weise, in der 2013 der Merzbach Bericht von Seiten des Anwalts der Redemptoristen in der Gerichtsverhandlung Dieter B. gegen den Orden behandelt wurde. Alle Opfer sahen dort mit dem Vorgehen des Anwalts die Ermittlungen von Herrn Merzbach und damit die eigene Glaubwürdigkeit erneut in Frage gestellt. Diese Infragestellung wurde von allen Betroffenen als erneutes Unrecht empfunden. Das gerade aufgebaute Vertrauen in den Aufarbeitungswillen des Ordens ist seitdem mindestens angeschlagen.
Entäuscht sind eine Reihe von Betroffenen auch durch die Tatsache, dass der Orden von sich aus in den letzten fünf Jahren nur selten aktiv geworden ist. (" Was nötig gewesen wäre? Dass sich einer von Ihnen geopfert hätte für uns. Einer, der nicht nur Scham bekundet, einer, der nicht nur um Verzeihung bittet, sondern einer der die Fahne der Aufarbeitung, der Beschämung der eigenen Zunft getragen hätte. Eine Fahne trägt und schwenkt man vorneweg.") Es wurden zwar immer wieder Anregungen der Betroffenen, wie z.B. die Fachtage zum Thema „Trauma“ umgesetzt, aber vermisst wird ein konsequentes, zielorientiertes Handeln, ein mutiges Vorangehen des Ordens selbst. Ein öffentliches Bekenntnis zu den dunklen Seiten in der Vergangenheit des Ordens ist nicht erkennbar. Der Missbrauchsbericht war auf der Ordenshomepage nicht mehr zu finden (was geändert werden soll) und auch darüber hinaus sind keine Hinweise zu finden, dass der Orden seit Jahren im Austausch mit Betroffenen steht.
Die Wirkung des erlittenen Traumas bis in die Gegenwart zeigt sich besonders deutlich in der Verzweiflung Einzelner, auch theologisch Aufschluss darüber finden zu wollen, wie diese Taten mit dem Auftrag eines Priesters überein kommen. Konkrete Fragen eines Betroffenen hierzu können tatsächlich auch von den Ordensleuten nicht im Ansatz beantwortet werden.
Die Frage eines Ordensmitglieds an die Betroffenen, wie sich sich denn verhalten würden, wenn bekannt würde, dass es in der eigenen Familie einen Täter gibt, zeigt die tiefe Betroffenheit einzelner Ordensmitglieder genauso wie die große Hilflosigkeit diesem Thema gegenüber. Neben der Anregung, sich in einem solchen Fall professionelle Hilfe zu suchen (wie man es evtl. auch in der Familie machen würde) kam auch der Hinweis aus der Betroffenengruppe, dass es nicht zielführend sei, die Opferseite in diese Frage zu involvieren. Aus Sicht der Betroffenen könnte es gerade in Bezug auf die Beantwortung dieser Frage von zentraler Bedeutung sein, die Aufarbeitung auch ordensintern zu gestalten und zu forcieren. Von ihm wurde das Anliegen deutlich ausgesprochen: "wieder heil zu werden, Sie mit uns und wir mit Ihnen"- falls es denn überhaupt gehen kann. Ein Betroffener (H. K.) drückte diese Skepsis so aus: er hoffe immer, dass es gelingen könne, noch einmal gerade Zeilen zu schreiben- aber er glaube es nicht.
Die Betroffenengruppe hält das Thema einer individuellen finanziellen Entschädigung weiterhin für drängend und nicht abschließend bearbeitet.
Im letzten Teil des Gesprächs ging es um die Gestaltung der Zukunft:
Hier gab es ausdrücklich den Wunsch, die Prävention gegen sexuelle Gewalt vom Kopf auf die Füße zu stellen, aus der Theorie in die Praxis zu führen, vom (reichlichen) Papier in das reale Leben, Prävention also im Alltag wirksam zu machen. Dieser Wunsch wurde vom Missbrauchbeauftragten auch als oberstes Anliegen eines neuen Betroffenen formuliert. Herr Römelt sagte zu, mit dem Missbrauchbeauftragten ein entsprechendes Controlling bzw. die Impelementierung eines Schutzkonzeptes in Bonn und Kirchhellen zu diskutieren und gegebenenfalls zu vereinbaren. ("Ich lerne hier. wie geht das als Verantwortlicher?")
Über die Umsetzung der vorgetragenen Anliegen sollen in einem nächsten Treffen am Samstag, den 3.9.2016 um 11.00 in Köln gesprochen werden.
Der Orden erklärt sich darüberhinaus bereit, auch ein jährliches Treffen der Betroffenengruppe untereinander und mit professioneller Unterstützung durch Frau Haardt- Becker zu finanzieren. Ohne Zögern wird diesem Wunsch entsprochen. Diese erfreuliche Zusage öffnet somit für die Zukunft die Möglichkeit, mit weiteren Betroffenen in persönlichen Kontakt und Austausch zu kommen, für die ein Zusammentreffen mit Ordensmitgliedern unmöglich bzw. unerwünscht ist.
Ein erster Termin ist für Mai angedacht. Ausführliche Informationen folgen.
Abschließend ein Satz des Journalisten Florian Breitmeier, der am 27.1.2016 im NDR Radio die Entwicklungen in Hildesheim kommentierte, ein Satz, der durchaus auch auf unseren Kreis übertragbar ist:
„Wer angibt, in der Spur der Opfer gehen zu wollen, muss diesen Willen auch offensiv zum Ausdruck bringen und selbstlos auf potentiell Betroffene zugehen. Dies wäre eine Kirche, die zu den Menschen geht, und nicht wartet, bis sie zur Kirche kommen. Nächstenliebe, Achtsamkeit und Fürsorge sind theologische Schlüsselbegriffe, ebenso wie Reue, Buße, Umkehr.“ Ein Anfang ist auch hier gemacht.
Tauwetter heißt die Anlaufstelle, für Männer, die in Kindheit oder Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren.
Der Verein Tauwetter schreibt auf seiner Homepage:
"Wir sind offen für alle, die als Junge von sexualisierter Gewalt betroffen waren. Für alle, die heute als Männer leben, und als Kind oder Jugendliche egal welchen Geschlechts sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren. Und für alle, die sich nicht in das Schema der zwei Geschlechter (männlich/weiblich) pressen lassen wollen, und denen als Kinder oder Jugendliche sexualisierte Gewalt widerfahren ist.
Allen diesen Menschen steht Tauwetter offen, wenn sie das Gefühl haben, mit unserem Angebot etwas anfangen zu können."
http://www.tauwetter.de/info.html
Weitere Anlaufstellen:
Trotz allem e.V. für Frauen mit sexualisierten Gewalterfahrungen:
Vielfalt e.V. für Frauen und Männer aus dem Kontext organisierter und/oder ritueller Gewalt:
Gerne weisen wir auf die folgende hervorragende Zusammenstellung zahlreicher Hilfeeinrichtungen durch die Website
http://www.dissoziation-und-trauma.de
hin, hier speziell:
http://www.dissoziation-und-trauma.de/links/beratung-therapie-und-selbsthilfeorientierte-angebote
"Bedauerlicherweise waren die in der Vergangenheit unternommenen Versuche einer Selbstkorrektur zu wenig wirksam", sagte Voderholzer am Sonntagnachmittag im Regensburger Dom.
Die Opfer, so scheint es, bleiben misstrauisch, ob es der Bischof tatsächlich ernst meint mit seinen Aussagen.
Dazu die Süddeutsche:
Aufarbeitung kann nicht aus der Hüfte geschosseen werden, ist nicht heute begonnen und morgen schon beendet. Sie bedarf stetiger Korrekturen, ständiger Neujustierung und zeitaufwändiger gegenseitiger Verständigung über Ziel und Zweck der Recherche. Hierzu ein markantes Interview mit dem Beauftragten der Bundesregierung Rörig unter folgendem Link:
Beschäftigt die Menschen die Frage, wie "es" überhaupt "möglich" ist, schon grundsätzlich und allgemein, so beschäftigt die Frage nach der sexuellen Gewalt im Zusammenhang mit dem Priestertum die davon Betroffenen oft ganz besonders. Theologisch die Heiligung des Priesters durch Weihe und Gelübde ins Verhältnis zu setzen zur Sünde des Priesters und hier besonders zur sexuellen Gewalt gegen Kinder ist dabei nicht nur eine akademisch theologische Frage sondern - wie wir Betroffene von priesterlichem Missbrauch immer wieder erfahren- für viele Opfer ein lebenslang quälendes Thema- meist ausgehend von der Frage: Wie geht das für den Priester, mich am Abend zu vergewaltigen und am Morgen mit denselben Händen die Hostie der Gemeinde und mir selbst entgegen zu halten?
Einen ersten Einstieg in diese Auseinandersetzung finden Sie auf unserer Homepage im Abschnitt "Sieh mich sterben". Der Abschnitt wird in Kürze neu aufgearbeitet.
Dieses Thema wird aktuell auch in ersten Umrissen in der Katholischen Kirche selbst in den Fokus genommen:
http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/es-stehen-grundsatzliche-theologische-fragen-an
Heute jährt sich der Beginn des so genannten „Missbrauchs- Tsunami“ zum sechsten Mal. Sehr aufschlussreich in dem Zusammenhang, was dazu auf dem Berliner Blog „Spreeblick“ eingestellt wurde:
http://www.spreeblick.com/blog/2010/01/28/sexueller-missbrauch-am-canisius-kolleg-berlin/
Im Fall des Missbrauchstäters Pfarrer Peter R. hat sich nach WDR Recherchen ein weiteres mutmaßliches Opfer gemeldet. Es handelt sich um die Mutter einer heute 20jährigen jungen Frau aus Hildesheim, die in der WDR/ARD Dokumentation „Richter Gottes“ vom 30.11.2015 bereits selbst ihren Missbrauch durch den pensionierten Pfarrer Peter R. öffentlich gemacht hatte.
Pressemitteilung:
Aufarbeitungskommission Kindesmissbrauch startet noch im Januar
Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs beruft die sieben Mitglieder für die unabhängige Aufarbeitungskommission.
Berlin, 26.01.2016. Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, hat die sieben Mitglieder für die Aufarbeitungskommission Kindesmissbrauch berufen. Damit kann erstmals eine auf nationaler Ebene angesiedelte unabhängige Kommission sexualisierte Gewalt an Kindern in Deutschland umfassend aufarbeiten.
Die Vorsitzende der Kommission, Prof. Dr. Sabine Andresen: „Mit der Kommission ergibt sich die große und auch international einzigartige Chance, die Dimensionen des sexuellen Kindesmissbrauchs in Familien und Institutionen aufzudecken und so einen Beitrag auch für Kinder und Jugendliche heute zu leisten.“
Wir berichten am Ende dieser Woche Näheres.
Zum Nachlesen hier die Links:
http://unheiliger-berg.jimdo.com/aktuell/
Ein von uns geprägter Begriff wird hier mit Fug und Recht zu einem Schlüsselbegriff: "Ich bin nicht verjährt"
Theater Bonn zeigt Stück zum Missbrauch am Aloisius-Kolleg "Schandfleck in das eigene Selbstbild integrieren"
Das Theater Bonn zeigt am Donnerstag die Uraufführung des Stücks "Bilder von uns". Der Berliner Dramatiker Thomas Melle verarbeitet darin die Missbrauchsfälle am Bonner Aloisiuskolleg.
"Die Hintergründe im Stück sind den realen Ereignissen sehr ähnlich", sagte der 40-jährige Melle, der selbst Schüler am Aloisiuskolleg war, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es sei aber weder eine Fortführung der Arbeit der Betroffenenverbände noch eine Verteidigung oder Anklage der Täter, sondern eine "ästhetische Auseinandersetzung".
"Das Stück verhandelt fiktive Konflikte, die gleichwohl typisch für die Kämpfe in der Wirklichkeit sein mögen", sagte Melle.
Melle will nicht richten, sondern erhellen
Laut Aufklärungsberichten werfen 60 Betroffene 18 Jesuiten und fünf weltlichen Mitarbeitern des Kollegs sexuelle Übergriffe und Missbrauch vor, die von den 50er bis in die 2000er Jahre hinein stattgefunden haben sollen. "Ich war vor Ort, verstehe die Konflikte genau, die Abneigung, die Verteidigung, den Hass, den Stolz, alles. Und eben auch die Ambivalenz", sagte Melle. Es sei aber nicht seine Aufgabe zu richten, sondern "das Ganze mit den oft genug undurchsichtigen Mitteln der Kunst zu erhellen, eine eigene, komplexe Perspektive auf das Geschehen zu werfen".
Die Hauptfigur im Theaterstück, ein 40-jähriger Manager, wurde wie viele Kollegsschüler einst nackt von einem Pater fotografiert. "Das ganze System, in dem man aufwuchs, steht infrage, und der Kampf um die eigene Identität und Biografie setzt ein", sagte Melle, der mit seinen Romanen "Sickster" und "3.000 Euro" zweimal für den deutschen Buchpreis nominiert wurde.
Jeder geht anders mit dem Erlebten um
Wenn 40-Jährige erkennen, dass sie als Kinder von ihrem Erzieher nackt fotografiert wurden, löse das bei dem einen sehr viel aus, bei dem anderen gar nichts, sagte Melle. Dritte würden sich ein paar Wochen lang an den Kopf fassen und es dann verdrängen. "Ein Vierter dagegen ist schon längst zerbrochen", sagte der Dramatiker. Das liege auch daran, dass sich der Blick anderer Menschen auf die Opfer ändere. "Deshalb ist es ja auch so mutig von den Betroffenen, wenn sie zu reden beginnen."
Die Täter spielten in dem Stück kaum eine Rolle, sagte der Schriftsteller. Sie würden nur immer schuldiger, da sie sich nicht äußerten. "Wie schweigende, tote Götter hängen sie über der Szenerie und haben sich eigentlich schon aus dem Staub gemacht", erklärte Melle. Die Opfer müssten alles unter sich und mit sich selbst ausmachen.
Zum aktuellen Aufarbeitungsstand von realen Missbrauchsfällen an Schulen sagte der ehemalige Aloisiuskollegschüler, die betroffenen Institutionen könnten nur dann wieder funktionieren, "wenn sie offensiv damit umgehen, es nicht nur abarbeiten, um es wegzukriegen, sondern wirklich verarbeiten". Die Einrichtungen müssten "den Schandfleck in das eigene Selbstbild integrieren", sagte Melle. "Nur so geht es."
(epd-west, Ebba
Hagenberg-Miliu)
Siehe
auch:
http://www.express.de/bonn/premiere-ako-missbrauch-geht-in-bonn-auf-die-buehne-23420070
http://www.theaterkompass.de/news-einzelansicht+M5752f5d82e6.html
Der WDR hat auf der Grundlage des Stückes zum Komplex der Opferidentität in bezug auf das Erinnern und Vergessern berichtet:
http://www.wdr3.de/buehne/bilder-von-uns-106.html
http://www.br.de/nachrichten/oberpfalz/inhalt/domspatzen-missbrauch-opfer-100.html
Gibt es für die Betroffenen gute Gründe, in die Unabhängigkeit der Aufarbeitung Vertrauen zu setzen, gelingt offensichtlich der Schritt, sich zu melden, leichter.
Zur Verbindung Missbrauch und NS- Vergangenheit der Täter auch:
http://www.dachau-institut.de/psychologie.html
.
Im Anschluss finden Sie eine Stellungnahme des Betroffenenrates beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs zu den Fällen sexualisierter Gewalt in der Silvesternacht in Köln und weiteren deutschen Städten. Weitere Informationen und Kontakt zum Betroffenenrat finden Sie unter https://beauftragter-missbrauch.de/betroffenenrat/der-betroffenenrat/ bzw. unter presse@betroffenenrat-usbkm.de .
Wie in den letzten Tagen vielfach in der Presse berichtet, hat der vom Bistum beauftragte Rechtsanwalt Weber seinen erschütternden Bericht zu Missbrauch und Misshandlung bei den Regensburgern Domspatzen vorgelegt. Er hat sich getraut, sehr weitgehende Recherchen anzustellen, er hat sich getraut auch den Bruder des ehemaligen Papstes Benedikt Georg Ratzinger in den Fokus der Untersuchung zu stellen. Er hat viele innere und äußere Hindernisse bei der Aufklärung überwinden müssen und tatsächlich auch überwunden. Beschämend die Reaktion des alten Herren Ratzinger, dem zu dem ganzen nur einfällt, sich selbst zum Opfer (der Aufarbeitungskampagne) zu stilisieren und der deshalb die Aufarbeitung schlicht "Irrsinn" nennt.
In der SZ vom 17.01. 2016 ist dazu ein lesenswerter kommentierender Bericht erschienen. Er sei ausschnittsweise hier wiedergegeben:
"Wieso Georg Ratzinger außer Ohrfeigen alles leugnet? "Kein Kommentar", sagt das Bistum
Anruf beim Bistum, die Vorzimmerdame stellt durch, in der Warteschleife singen die Domspatzen, der Bistumssprecher nimmt ab. Der Bischof werde sich zum neuen Bericht nicht äußern, sagt der Sprecher. Dann vielleicht ein Wort zu Georg Ratzinger? "Kein Kommentar", sagt er. Nach zwei Minuten ist das Gespräch zu Ende.
Wie das Bistum so tickt, erfährt man nur hinter vorgehaltener Hand. Man habe nicht das Recht, von Tätern zu sprechen, sagt einer, der im Bistum was zu sagen hat. Wer nicht verurteilt sei, sei unschuldig. Auch die Interessen der mutmaßlichen Täter müssen gewahrt werden, kein Richter wird ihre Schuld je feststellen können, die Taten sind verjährt. Aber wieso beruft sich die Kirche immer dann auf weltliches Recht, sobald es darum geht, sich selbst in Schutz zu nehmen? Was also tun, wenn die Hirten schweigen? Man fragt die Schafe.
.....
Es gibt Domspatzen, die nichts mitgekriegt haben, zumindest nichts vom Missbrauch, vor allem die Domspatzen der 1980er und 1990er, als es nach und nach besser wurde. Und es gibt untadelige, hochengagierte Priester, Lehrer und Erzieher, die unter Generalverdacht stehen, weil ihr eigenes Bistum nicht sagen will, wer Bescheid wusste - und wer eben nicht.
Alexander Probst redet jetzt seit eineinhalb Stunden, er sieht müde aus, er wirkt wie besiegt. Seit sechs Jahren kämpft er um Aufklärung, seit sechs Jahren rennt er gegen Kirchenmauern. Aber aufgeben? Niemals. In zwei Wochen soll ein Kuratorium tagen, auf Initiative des Aufklärers Ulrich Weber. Zum Kuratorium gehören Opfervertreter, Mediatoren, der Bischof, der Generalvikar, der Vorstand der Domspatzen. Es wird um Geld gehen, um Entschädigungszahlungen für die Opfer, womöglich um Millionen. Und um die Frage, warum das Bistum immer noch mauert. "Wir haben einen Forderungskatalog", sagt Alexander Probst, der auch zum Kuratorium gehört. "Stimmen die Herren zu, dann ist in einem Dreivierteljahr alles erledigt, dann sagen wir: Friede."
Dann steht er auf, begleitet den Gast zur Tür, vorbei an einem Klavier. Nur Deko, sagt Probst. "Ich wünschte, ich könnte heute noch spielen." Vor ein paar Jahren hat er einen Lehrer genommen. Er saß am Klavier, schaute auf die Noten, wusste, was zu tun war - als seine Finger steif wurden. Die Bilder kamen zurück: Ein falscher Ton, der Lehrer knallt ihm den Klavierdeckel auf die Finger. Die Finger, wund wie sie sind, machen erst recht Fehler, der Lehrer wird wütender, schlägt zu. "Ein Grauen", sagt Alexander Probst.
Dann setzt er seine rechte Hand auf die Tasten, vielleicht geht es ja doch. Es erklingen die ersten drei Takte eines Liedes, dann zieht er die Hand weg."
Was so deutlich wird: für den Präfekten war das damals eine belanglose, weil übliche Episode im womöglich gut gemeinten pädagogischen Alltag, den Zögling hat sie lebenslang gebrochen, zumindest diesen Zögling. Ein Irrsinn fürwahr.
Hier der Link zum lesenwerten Bericht "Hölle auf Erden" der SZ:
http://www.sueddeutsche.de/politik/domspatzen-hoelle-auf-erden-1.2821958?reduced=true
Dazu auch:
und:
Hier auch zum downloaden das schriftliche Statement von Rechtsanwalt Weber am 8. Jan.:
Am Mittwoch läuft die Premiere des Bühnenstücks "Bilder von uns" von Thomas Melle. Das Stück behandelt den Missbrauch am Aloisiuskolleg in Bonn.
16. Januar 2016
General-Anzeiger Bonn, Feuilleton S.
1
Interview mit Thomas Melle
Bühnenstück "Bilder von uns" behandelt Missbrauch am Aloisiuskolleg
Am Donnerstag, 21. Januar, lädt das Theater Bonn zur
Uraufführung des Stücks "Bilder von uns". Thomas Melle nimmt den Missbrauch an seiner Schule Aloisiuskolleg (Ako) zum Ausgangspunkt. Mit dem Autor sprach Ebba
Hagenberg-Miliu.
Das Thema Missbrauch gilt als "abgefrühstückt" ...
Thomas Melle: Wenn die Medien
verstummt sind, setzt die Kunst zu sprechen an. Erst mit genügend Abstand zum Geschehen kann man versuchen, den Komplex in ein Theaterstück zu übersetzen, das ihm noch einmal andere
Dimensionen abgewinnt. Und "abgefrühstückt" ist das Thema nicht, solange es Machtstrukturen gibt, die ausgenutzt werden.
Ihr Stück erinnert an Fälle am Bad Godesberger Aloisiuskolleg?
Melle: Ich erzähle eine alternative Geschichte des Skandals. Der Ausschnitt, den ich wähle,
beschränkt sich auf das Hochkochen der Tatsachen und die sofort anspringende Deutungsmaschine samt Kollaps. Auch Zuschauer, denen der faktische Hintergrund fremd ist, werden mit den
Fragestellungen viel anfangen können. Es geht um eine Neubewertung der Vergangenheit, um den Kampf um eigene und kollektive Biografien.
Sind nicht auch Parallelen zum Ako-Haupttäter der letzten Jahrzehnte da?
Melle: Unbedingt. Und doch ist es kein Schlüsselstück, sondern Fiktion. Die Figuren teilen
nur den biografischen Hintergrund miteinander, der wiederum motiviert ist von den tatsächlichen Ereignissen. Ursprünglich wollte ich viel deutlicher vom Faktischen abweichen, aber irgendwann
fragte ich mich: Warum eigentlich? Es ist doch alles genau der richtige Rahmen für den Kampf, den ich beschreiben will, die richtige Wirrnis, die richtige Bestürzung.
Bei Ihnen geht der Kampf weiter?
Melle: Mit den flirrendsten Positionen, von Schuldzuweisungen bis zu Abwehrmechanismen, von
Hysterisierungstendenzen bis zu Totschweigeversuchen. Jeder, der auf dieser Schule war, muss seine Vergangenheit neu betrachten. In was für einem System ist man eigentlich aufgewachsen? Diese
Umdeutung hat ein fast schon lebensbedrohliches Konfliktpotenzial, wenn man es genau bedenkt.
Ist das Nackt-Fotografieren von Kindern überhaupt Missbrauch? Stichwort Edathy.
Melle: Mein Statement dazu ist mein Stück. Als Autor finde ich diese graduelle Verfehlung
sogar interessant: Es sind Bilder, und auch die harmlosen werden von denen, die ins Pornografische gehen, kontaminiert. Wo beginnt der Übergriff? Ab wann werden Leben womöglich traumatisiert?
Das ist auch von Mensch zu Mensch verschieden: Was dem einen ein Witz, ist dem anderen ein Trauma. Für den Dramatiker ist das erst einmal ein guter, schillernder Stoff.
Sie ziehen Parallelen zur griechischen Tragödie?
Melle: Der Einzelne findet sich in einem Schuldzusammenhang wieder, für den er nichts kann,
und opfert sich und die Seinen symbolisch oder gar real. Und lädt so wieder Schuld auf sich.
Wie spielt Ihr persönlicher Hintergrund als ehemaliger Ako-Schüler ins Stück
hinein?
Melle: Ich war vor Ort, kenne die Zusammenhänge, habe Erinnerungen angezapft, dann aber
wieder, um des Textes willen, so getan, als wäre ich nicht dabei gewesen. Ich weiß genau, worum es geht, gerade ich, der ich, trotz aller Verachtung, dieser Schule auch viel
verdanke.
Und wie beurteilen Sie den Stand der realen Aufarbeitung der Ako-Fälle?
Melle: Ich weiß nicht, wie dieses Problem zu lösen ist. Was wäre die adäquate Form? Wann wäre
die Aufarbeitung zu Ende? Ich wundere mich über die Kleingeistigkeit, die offenbar wurde, gerade bei Menschen, die ich sehr schätzte.
Wie beurteilen Sie die Lage nach der aktuellen Ako-Erklärung?
Melle: Die Schule macht meiner Meinung nach einen großen Fehler: Sie integriert den
Schandfleck nicht in ihr Selbstbild, tut meist nur das Nötigste, versucht, aus Gründen der PR - hier ganz weltliches Unternehmen - das Geschehene zu "managen". Dann wieder folgen
unverhältnismäßig emotionale Beichten, die durch Kniefall mit allem abschließen wollen. Doch die Vergangenheit ist gegenwärtig. Die Schule müsste diesen Komplex deshalb aktiv in ihre
Identität aufnehmen, um ihn tatsächlich zu verarbeiten - und so irgendwann womöglich wieder die Wahrhaftigkeit auf ihrer Seite zu wissen.
Zur Person
Thomas Melle, 1975 in Bonn geboren, Absolvent des Aloisiuskollegs, schreibt Romane und Theaterstücke. Seine Romane "Sickster" und "3000 Euro" wurden für den
deutschen Buchpreis nominiert. Für das Theater Bonn übersetzte er in der letzten Spielzeit William Shakespeares "Königsdramen", die Alice Buddeberg in der Halle Beuel als zweiteiliges
Theaterspektakel in Szene setzte.
Die
Inszenierung
"Bilder von uns" kommt in der Regie von Alice Buddeberg als Uraufführung am Donnerstag, 21. Januar, auf die Werkstattbühne des Bonner Theaters. Es spielen Benjamin Grüter, Hajo Tuschy, Holger Kraft, Benjamin Berger, Johanna Falckner, Mareike Hein und Lydia Stäubli. Weitere Aufführungen am 27. Januar, 2., 11., 13. und 19. Februar, 20 Uhr. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.
http://unheiliger-berg.jimdo.com/aktuell/
Leider sind die Bausteine zum Stück ja sehr real:
http://unheiliger-berg.jimdo.com/leseproben/kindernacktfotos/
Im Folgenden die beiden Presseerklärungen des Missbrauchsbeauftragten:
In der Tat: das ist schon einmalig, dass das Jesuitenkolleg sich in einer öffentlichen Erklärung auf gemeinsame Aufarbeitung mit den Betroffenen festlegt und zum schändlichen Teil seiner Geschichte stehen will. Eine Erklärung, an der sich die Aufarbeitungs- Taten werden messen lassen müssen und gemessen werden können.
Das Bonner Nachbarinternat bzw. Nachbarschule vollzieht damit einen Schritt, den der Orden der Redemptoristen in seinem Gesprächskreis inhaltlich bereits 2011 vollzogen hat: Aufarbeitung unter Beteiligung der Betroffenen. Das AKO vollzieht ihn jetzt erst, aber in seinen Auswirkungen gewiss konsequenter und folgenschwerer. Unsere Aufarbeitung des Missbrauchs im Orden der Redemptoristen bedarf immerzu des Goodwills aller Beteiligten (vor allem des Ordens), bedarf ständiger gegenseitiger Versicherung und Aushandlung, dass und wie es weiter geht. Der Aufarbeitungsprozess findet dabei in gewissem Sinn in Abhängigkeit vom Orden statt und überwindet somit nicht das Macht- und Abhängigkeitsgefälle, das eben damals den Missbrauch selbst erst ermöglicht hat. Was fehlt, ist die unverbrüchliche Festlegung, was fehlt ist auch die Öffentlichkeit. Herzlichen Glückwunsch an die Beteiligten, die diese Erklärung ausgehandelt haben und ein gutes Gelingen.
Der Eckige Tisch hat seinerseits zu dieser Erklärung des Kollegiats eine lesenswerte Erklärung abgegeben, die im Folgenden auch heruntergeladen werden kann. Sie betont die Zuversicht und auch das Misstrauen. Sie benennt die zentrale Stolperstelle, von der jeder (Alt-) Schüler einer dieser Vorzeige- Schulen weiß, wie sehr sie das jahrzehntelange Schweigen begünstigt hat: die Selbstüberhöhung als besondere Schule oder bestimmter Aktionen als einmalig und besonders.
Außerordentlich lesenswert die kritische Berichterstattung des Bonner Generalanzeigers:
und:
http://unheiliger-berg.jimdo.com/aktuell/
auch der Blog von Christian Herwartz SJ:
https://unheiligemacht.wordpress.com/author/ztra/
Wie der Zufall spielt: diese Erklärung kommt gut eine Woche vor unserer Bilanzsitzung und "Zukunftswerkstatt". Sie macht Mut und bringt wichtige Anregung.
In einer intensiven Telefonkonferenz wurde heute das nächste gemeinsame Gespräch vorbereitet. In einem ersten Teil soll nach 5 Jahren Aufarbeitung und vielen Gesprächen Bilanz gezogen werden und in einem zweiten Teil überlegt werden, wie Aufarbeitung und Wiedergutmachung in der Zukunft gestaltet werden sollen. Die Teilnehmer werden persönlich gemeinsam von Ordensleitung und Vereinsvorstand eingeladen.
Sexueller Missbrauch ist sehr viel häufiger als organisierter Missbrauch zu sehen als wir selbst glauben wollen. Die Aufdeckung der Rotherham- Connection liefert den Beweis, dass solche Szenarien nicht irgendeiner Verfolgungs- Fantasie entspringen und uns auch heute noch bedroht:
http://www.n-tv.de/panorama/Acht-Rotherham-Taeter-stehen-vor-Gericht-article16499661.html
ARD/WDR-Dokumentation „Richter Gottes“
Canisius Kolleg: Katholische Kirche behindert Ermittlungsbehörden
Taten im Missbrauchsfall „Canisius Kolleg“ nicht verjährt – Haupttäter äußert sich erstmals
Die katholische Kirche hat die Aufklärung der Straftaten des Haupttäters Pfarrer Peter R. im Missbrauchsskandal am Berliner Gymnasium Canisius Kolleg 2010 aktiv behindert. Das zeigt erstmals die ARD/WDR-Dokumentation „Richter Gottes“ von Eva Müller aus der Sendereihe „Die Story im Ersten“ am Montag, 30. November um 22.45 Uhr. Darin äußert sich der Täter zum ersten Mal öffentlich. Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft nun die Aufnahme neuer Ermittlungen.
Anfang 2010 berichteten ehemalige Schüler von Pfarrer Peter R. am Berliner Gymnasium Canisius Kolleg, dass er sie nackt fotografiert, angefasst und zur Selbstbefriedigung genötigt habe. Sie lösten damit den Missbrauchsskandal der katholischen Kirche in Deutschland aus. Die Rede ist von mehr als 100 Opfern. Bereits im Februar 2010 meldete die Staatsanwaltschaft Berlin, dass Peter R.’s Taten verjährt seien und deshalb keine strafrechtlichen Konsequenzen hätten.
Vier Wochen später, Anfang März 2010, meldete sich jedoch im Bistum Hildesheim ein 14-jähriges Mädchen, das dort angibt, Peter R. habe auch sie bedrängt. Die Kirche veröffentlicht diese Meldung nicht, informiert die Familie der 14-Jährigen und die Behörden nicht, vernimmt aber den Täter selbst dazu und leitet durch den Hildesheimer Bischof Norbert Trelle eine interne, kirchenrechtliche Voruntersuchung zu diesem Fall ein. Zur selben Zeit sagt der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, öffentlich eine umfassende, „ehrliche Aufklärung“ und bessere Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden zu.
Erst als das Mädchen im Oktober 2010 in eine Kinderpsychiatrie eingewiesen wird und sich seine Familie daraufhin von sich aus beim Bistum Hildesheim meldet, informiert das Bistum auf ihr Drängen Ende Dezember 2010 auch die Behörden. Die Tatsache, dass es sich bei dem Beschuldigten um den Haupttäter des Berliner Canisius-Missbrauchsskandals mit mutmaßlich mehr als 100 Opfern handelt, erwähnt das Bistum Hildesheim offenbar bei seiner Anzeige nicht: „Aus den Ermittlungsakten ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass die Kollegen irgendwelche Hinweise darauf hatten, dass es sich bei dem Beschuldigten um eine der Hauptpersonen des Missbrauchsskandals um das Canisius Kolleg handeln könnte. Wir mussten davon ausgehen, dass es sich hier um einen Einzelfall handelt und haben die Sache auch entsprechend behandelt“, sagt der Berliner Oberstaatsanwalt Martin Steltner in der ARD/WDR Dokumentation. Die Staatsanwaltschaft Berlin stellt 2011 die Ermittlungen im Fall des Mädchens wegen geringen öffentlichen Interesses gegen Zahlung einer Geldauflage von Pfarrer Peter R. ein. „Wir sind möglichen weiteren Opfern schuldig, dass wir die neuen Erkenntnisse, die wir jetzt bekommen haben, prüfen. Dass wir prüfen, ob sich daraus neue Ermittlungsansätze ergeben“, sagt Oberstaatsanwalt Steltner.
In der ARD/WDR-Dokumentation „Richter Gottes“ bestätigt Pfarrer Peter R. selbst diesen Vorfall und äußert sich erstmals in einem Interview zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Er bestätigt außerdem, dass er von einem Berliner Kirchengericht noch 2012 zu diesem Fall befragt und dort „wegen sexueller Handlungen an einer Minderjährigen“ zu 4.000€ Geldstrafe verurteilt worden sei, die er auch abbezahlt habe. Von diesem kircheninternen Prozess hat das junge Opfer aus Hildesheim selbst nie erfahren. Auch eine finanzielle Entschädigung bekam die inzwischen 20-Jährige bis heute nicht von der Kirche.
„Die Story im Ersten: Richter Gottes“ (ARD/WDR) zeigt Das Erste am Montag, 30. November, um 22.45 Uhr. Online first wird der Film bereits ab Montag, 10 Uhr, in der ARD-Mediathek und der WDR-Mediathek zu sehen sein. Verantwortlicher Redakteur im WDR ist Joachim Angerer.
Unter der Überschrift "Texte, Fachinfos" finden sie Hintergründe zu Trauma, Informationen zu Stabilisierung und Selbstfürsorge als Download auf der Startseite seiner Homepage.
Die Tagesschau berichtet aktuell über organisierte sexuelle Gewalt in Grossbritannien. Ganz besonders involviert Politiker und die bessere Londoner Gesellschaft. Hier der Link der Tagesschau, der aber heute nicht funktioniert hat: http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-108937.html
Hier der entsprechende Link aus dem Weltspiegel, der funktioniert:
Hier der Text als PDF- Datei:
Zur Zeit melden sich ungewöhnlich viele ehemalige Schüler aus beiden Internaten, am häufigsten Schüler, die die Internate vorzeitig verlassen mussten oder mehr oder weniger freiwillig verlassen haben. So beispielsweise auch ein ehemaliger "Internatszögling" aus Bonn, der die Schule und das Internat noch 1 Jahr vor dem Abitur (!) 1968 verlassen musste. Deutlich wird in den Telefongesprächen, dass gerade Schüler, die vorzeitig gehen mussten (meist wegen sexueller "Verfehlungen" oder wegen ihrer Widerständigkeit) in ihrem Lebensvollzug erheblich beschädigt worden sind. Die Beschädigung betrifft erst einmal schlicht ihre wirtschaftliche Reproduktion: sie fanden keinen Anschluss mehr, um das Abitur zu machen oder fühlten sich dermaßen der realen Welt entfremdet, dass sie keinen gesellschaftlichen Anschluss fanden. Die psychische Traumatisierung ist in den meisten Fällen so schwerwiegend, dass der weitere Lebensvollzug vor allem durch "Anstrengung" gezeichnet ist. Eine Anstrengung, die auch den ersten Kontakt mit uns begleitet, so dass es oft einzig beim Erstanruf bleibt. Die Beschädigung durch das im Internat Erlebte ist ganz offensichtlich: In einem zusammenhängenden Erzählstrang das Erlebte schildern, kann kaum einer der Anrufer- eine sehr typische Folgerscheinung von Traumatisierung in Kindheit und Jugend: Erinnerungen werden in allen Einzelheiten (von Hölzchen zu Stöckchen) wiedergegeben, bleiben bruchstückhaft an Einzelheiten gebunden, die Gesamterzählung wirkt zum größten Teil chaotisch desorganisiert. Alle haben lange Zeit gebraucht, bevor sie sich entscheiden können, überhaupt zu sprechen.
Darüber zu reden, was die Anrufer eigentlich bewegt, verschieben viele auf einen zweiten Termin. Die Belastung ist so hoch, dass sie darüber im ersten Kontakt nicht reden wollen. Viele wollen offensichtlich auch gar nicht über ihre Erlebnisse reden, finden es nur wichtig einmal zu sagen, wie schlimm "es" war.
Es scheint an der Zeit, mit dem Orden beim nächsten Treffen im Januar Vereinbarungen darüber zu treffen, wie eine bessere Plattform für Gespräche aussehen könnte. Gespräche, in die mehr Ehemalige eingebunden werden müssten, als die, die sich bisher "offiziell" gemeldet haben oder die "offiziell" angeschrieben wurden.
Es bestätigt sich immer mehr die Annahme der im Verein organisierten Betroffenen, dass sich verhälnismäßig wenige von Gewalt und Missbrauch Betroffene melden, nicht etwa weil die Beschädigungen denn doch vernachlässigbar wären, sondern weil sie so tiefgreifend sind, dass sie "vergessen" bleiben sollen.
Trotz alledem und alledem gilt: Ruft an! Erzählt! Nehmt Kontakt auf. Wir alle haben Ähnliches durchgemacht.
Nach vielen Gesprächen müssen wir auch unser Urteil zum Internat in Bous revidieren: weiterhin gilt, dass kein Fall von sexueller Gewalt durch Mitarbeiter des Internats berichtet wird. Harte Schläge ins Gesicht und auch der Rohrstock waren aber für einzelne Mitarbeiter durchaus gebräuchlich.
Bei ihrem Ausscheiden aus dem Amt der Missbrauchsbeauftragten für den Orden der Redemptoristen hat Frau Dr. Michaela Schumacher einen kurzen Zwischenbericht erstellt, der jetzt endlich unter http://www.missbrauchsopfer-josephinum-redemptoristen.de/ich-bin-nicht-verj%C3%A4hrt/ abrufbar ist.
Aus Wikipedia: "Das Forschungsprojekt „Kein Täter werden“ wurde 2005 unter der Leitung von Klaus Michael Beier ins Leben gerufen. Im Gegensatz zu bestehenden Therapieangeboten für bereits straffällig gewordene Personen, sogenannte Hellfeldtäter, entstand mit dem Berliner Projekt weltweit erstmals ein Angebot, welches sich speziell an Menschen richtet, die noch nicht straffällig wurden oder solche, die zwar bereits sexuellen Kindesmissbrauch begangen haben und/oder Missbrauchsabbildungen (sogenannte Kinderpornografie) konsumiert haben, jedoch nicht justizbekannt sind, sogenannte Dunkelfeldtäter.[1] Die Teilnahme steht aber auch Personen offen, die bereits wegen entsprechender Taten angezeigt oder verurteilt wurden und gegebenenfalls verhängte Strafen vollständig verbüßt haben.[2] Die Teilnahme ist kostenlos und durch die Schweigepflicht geschützt.
Mittlerweile wird das Projekt auch in Kiel, Regensburg, Leipzig, Hannover, Hamburg, Stralsund, Gießen, Düsseldorf sowie in Ulm angeboten. Die Standorte haben sich im Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden" zusammengeschlossen und arbeiten nach gemeinsamen Qualitätsstandards. Weitere Standorte sind geplant. Ziel ist der Auf- und Ausbau eines Netzwerks zur bundesweiten Etablierung der primären Prävention sexueller Traumatisierungen von Kindern und Jugendlichen. Seit 2009 wird die Therapie auch den Konsumenten von Missbrauchsabbildungen (so genannte Kinderpornografie) angeboten.
Finanziert wurde das Projekt in den ersten Jahren durch die Volkswagenstiftung Hannover und durch die Opferschutzorganisation Hänsel & Gretel, seit 2008 wird der Berliner Standort des Projektes durch das Bundesjustizministerium finanziert. Die anderen Standorte werden von verschiedenen Landesministerien gefördert. 2005 erhielt das Projekt den Politikaward, 2006 den Bscher-Medienpreis und 2007 den Deutschen Förderpreis Kriminalprävention.[3][4]
Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge (siehe https://www.kein-taeter-werden.de/story/18/3818.html) haben rund ein Prozent der Männer auf Kinder gerichtete sexuelle Fantasien. Das bedeutet, dass bei ihnen eine teilweise oder ausschließliche sexuelle Neigung im Sinne einer Pädophilie vorliegt. Demnach fühlen sich in Deutschland ca. 250.000 Männer zwischen 18 und 75 Jahren sexuell zu Kindern hingezogen.
Die Ursachen einer Pädophilie sind weitgehend unbekannt. Tatsache dagegen ist, dass viele der Betroffenen – in der großen Mehrheit Männer – erhebliche Schwierigkeiten haben, mit ihrer sexuellen Präferenz zu leben. In der Regel treten Unsicherheiten oder Ängste auf, wenn sie ihre Neigung erstmals bemerken. Viele der Betroffenen erkennen das Auftreten sexueller Gedanken an Kinder als Problem und wissen, dass deren Umsetzung tabu ist. Gleichzeitig fällt es ihnen schwer, mit diesem Wissen umzugehen. Die Neigung belastet Beziehungen zu (Sexual-)Partnern oder macht sie oft unmöglich. Fest steht: Es kann zu vielfältigen Problemen in der normalen Lebensführung kommen. Vielen gelingt es nicht, ihre Neigungen dauerhaft zu kontrollieren. Sie nutzen Missbrauchsabbildungen im Internet oder begehen sexuelle Übergriffe auf Kinder. Diese Handlungen haben nicht nur für die Opfer schwerwiegende körperliche und seelische Folgen, sondern sind zudem Straftaten, die erhebliche gesellschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Folgende Selbstbeobachtungen geben Anlass zur Vermutung, dass eine Pädophilie vorliegt:
• Sexuelle Erregung beim Betrachten von oder beim Kontakt zu Kindern • Sexuell erregende Fantasien, in denen Kinder eine Rolle spielen • Konsum von Missbrauchsabbildungen im Internet
Das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ bietet kostenlose und schweigepflichtgeschützte Behandlung für Personen, die eine sexuelle Neigung zu Kindern verspüren und therapeutische Hilfe suchen. Wer teilnehmen will, muss bezüglich seiner auf Kinder gerichteten sexuellen Impulse über ein Problembewusstsein verfügen und von sich aus therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen wollen.
Das primäre Ziel einer Therapie besteht darin, sexuelle Handlungen an Kindern und den Konsum von Missbrauchsabbildungen zu verhindern. In Einzel- und Gruppentherapien lernen die Teilnehmer, ihre Impulse zu kontrollieren und Verhaltensmuster, die den sexuellen Missbrauch begünstigen, zu vermeiden. Weitere Ziele sind die Aufdeckung von Wahrnehmungs- und Interpretationsfehlern der Teilnehmer bezüglich des Verhaltens von Kindern sowie die Stärkung der Empathiefähigkeit.[5]
Bei dem für die Therapie verwendeten Handbuch, dem "BEDIT – The Berlin Dissexuality Therapy Program", handelt es sich um eine angepasste Version des im Hellfeld verwendeten Sex Offender Treatment Programmes.
Einbezogen in das Therapieprogramm werden: • Personen, die bislang keine Straftaten (sexuelle Übergriffe, Konsum von Kinderpornografie, etc.) begangen haben, aber befürchten, diese in der Zukunft zu begehen • Personen, die bereits Straftaten begangen haben, aber den Strafverfolgungsbehörden (noch) nicht bekannt sind • Personen, die bereits Straftaten begangen haben und dafür angezeigt und/oder rechtskräftig verurteilt wurden, vorausgesetzt, dass sie ihre Strafe vollständig verbüßt haben, nicht mehr unter Aufsicht durch die Justiz stehen und somit alle rechtlichen Angelegenheiten abgeschlossen sind
Nicht einbezogen in das Therapieprogramm werden Personen, gegen die aktuell wegen möglicher Straftaten ermittelt wird, die ihre Strafe nicht vollständig verbüßt haben und/oder deren Urteil Auflagen bzw. Bewährung beinhaltet.
Die gesamte Therapie erfolgt kostenlos und unter Schweigepflicht.
Ziel der Therapie ist es, Probleme im Umgang mit der sexuellen Neigung zu bewältigen. Dazu gehört insbesondere, das eigene Verhalten so zu kontrollieren, dass es zu keinem sexuellen Übergriff auf Kinder kommt.
Im Verlauf der Therapie erlernen die Teilnehmer daher • die angemessene Wahrnehmung und Bewertung ihrer sexuellen Wünsche und Bedürfnisse • die Identifizierung und Bewältigung gefährlicher Entwicklungen • Strategien zur Verhinderung von sexuellen Übergriffen
Die Therapie findet wöchentlich in Gruppen sowie bei Bedarf auch in Einzelgesprächen und unter Einbeziehung Angehöriger statt. Die Behandlung folgt einem strukturierten Therapieplan, berücksichtigt aber die individuellen Bedürfnisse und erfolgt in Absprache mit den Teilnehmern. Sie integriert psychotherapeutische, sexualwissenschaftliche, medizinische und psychologische Ansätze sowie die Möglichkeit einer zusätzlichen medikamentösen Unterstützung. [6]"
In der aktuellen Ausgabe (1/2015) der Zeitschrift "Kindesmisshandlung und -vernachlässigung" ist ein ausführlicher kritischer Artikel erschienen, der grundlegende Kritik am Projekt "kein Täter werden" der Sexualwissenschaft der Berliner Charite formuliert. Er hinterfragt, ob es überhaupt so etwas wie "Pädophilie gibt", weist darauf hin, dass selbst, wenn dies angenommen wird, die sogenannte "Präferenzstörung Pädophilie" keineswegs unheilbar ist und begründet warum die diagnostischen Methoden der Charite nicht tauglich sind. Autor des lesenswerten Artikels ist Herr Schlingmann, Leiter von Tauwetter in Berlin, der bekannten "Anlaufstelle, für Männer*, die in Kindheit oder Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren" (http://www.tauwetter.de/aktuelles.html)
Hier der ausgezeichnete Beitrag zum Download:
Heute findet in Berlin ein beachtenswertes Hearing statt zum Thema "Forschung und Aufarbeitung" Hierzu die Presseerklärung des Unabhängigen Beauftragten:
Rörig: „Die enorme Dimension von sexuellem Missbrauch muss sich in den Forschungsanstrengungen widerspiegeln:Wir brauchen mehr
Wissen und mehr Vernetzung der Forschungsdisziplinen mit der Praxis vor Ort, wenn wir Prävention und Intervention nachhaltig verbessern wollen!“
Berlin, 18.06.2015. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind in Europa rund 18 Millionen Kinder von sexueller Gewalt betroffen. Die deutsche
Traumafolgekostenstudie spricht von rund 11 Milliarden Euro jährlich, die durch die Folgen von sexuellem Missbrauch und anderer belastender Kindheitserlebnisse in Deutschland entstehen.
Angesichts dieser Größenordnung werden auf dem heutigen Hearing „Forschung zu sexueller Gewalt – Vom Tabu zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe“ des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des
sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, und seines Beirates rund 250 Expertinnen und Experten über die Verantwortung von Wissenschaft und Forschung im Themenfeld des sexuellen
Missbrauchs diskutieren und den künftigen Handlungsbedarf erörtern.
Rörig: „In der Vergangenheit wurde sexueller Missbrauch oft als gesellschaftliches Randphänomen betrachtet und stellte auch im Bereich von Wissenschaft und
Forschung allenfalls ein Nischenthema dar. Heute wissen wir, dass die Dimension von sexuellem Missbrauch ein Problem mit weitreichenden gesellschaftlichen Folgen darstellt. Dies sollte sich
auch im Engagement von Wissenschaft und Forschung abbilden. Mit dem Hearing möchten wir Expertinnen und Experten ein Forum bieten, sich über zentrale Forschungsfragen auszutauschen und
gemeinsame Empfehlungen für die Zukunft zu entwickeln.“
Eröffnet wurde das Hearing durch Prof. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung. In ihrem Grußwort unterstrich sie die Bedeutung von Forschung
zu sexuellem Missbrauch in Deutschland: „Schon bei der Arbeit am Runden Tisch gegen Kindesmissbrauch im Jahre 2010 wurde festgestellt, dass es nur wenig wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zu diesem Thema gibt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat deshalb sehr schnell die Forschungsförderung auf den Weg gebracht und
dafür rund 35 Millionen Euro bereitgestellt. Ziel war und ist der Aufbau einer Wissenschafts- und Forschungslandschaft, die gesicherte Erkenntnisse zum Kindesmissbrauch, zur Prävention und
zur Hilfe für Betroffene bereitstellt. Mittlerweile gehört Deutschland zu den führenden Ländern in diesem Forschungsbereich.“
Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm und Sprecher der
„Konzeptgruppe Forschung“ im Beirat des Unabhängigen Beauftragten betonte in seiner heutigen Keynote: „Kinderschutz und insbesondere der Schutz vor sexuellem Missbrauch gehören zu den größten
Gesundheitsherausforderungen in der Welt und in Europa. Wenn wir Prävention und Intervention nachhaltig verbessern wollen, müssen wir die Forschung zu sexuellem Missbrauch künftig noch weiter
im wissenschaftlichen Mainstream verorten. Dies erfordert auch, vermehrt fächerübergreifend in transdisziplinären Forschungsinitiativen zu arbeiten. Darüber hinaus müssen wir dringend
Forschungsprioritäten definieren, ein kontinuierliches Monitoring etablieren, welches die Folgen von Verbesserungen in Prävention und Intervention erfasst, sowie die Zusammenarbeit zwischen
Forschung und Praxis verbessern. Nur so können wir sicherstellen, dass wir über die richtigen Themen forschen und gleichzeitig die richtigen Antworten auch in der Praxis
ankommen.“
Zudem soll auf dem Hearing erörtert werden, wie die zur Verfügung stehenden Ressourcen für Forschung in diesem Bereich eingesetzt werden und wie
Forschungsförderung künftig durch weiterführende Forschungsinstrumente wie beispielsweise Graduiertenkollegs, Forschergruppen und Sonderforschungsbereiche vertieft werden kann.
Eine weitere zentrale Fragestellung des Hearings wird sein, wie Akteure der Praxis, beispielsweise Fachberatungsstellen, Kitas, Schulen, aber auch Betroffene,
mit ihren jeweils spezifischen Perspektiven und Expertisen frühzeitig in Forschungsvorhaben eingebunden werden können, welchen ethischen Standards die Forschung über und mit Betroffenen
genügen muss und wie Forschung mit der Aus-, Fort- und Weiterbildung verknüpft werden sollte.
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Das Hearing findet heute von 10 bis 18 Uhr in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin statt. Im Herbst 2015 sollen die Ergebnisse in
einem Forderungskatalog veröffentlicht werden. Das Forschungshearing ist das 5. Hearing des Unabhängigen Beauftragten im Rahmen seiner Veranstaltungsreihe „Dialog Kindesmissbrauch“, die sich
mit Themen befasst, die aus Sicht des Unabhängigen Beauftragten und seines Beirats in Politik und Gesellschaft weiter erörtert werden sollten.
Der Beauftragte stellt weitergehende Informationen auf seiner Homepage zur Verfügung: http://beauftragter-missbrauch.de/nc/presse-service/pressemitteilungen/
Hier die wichtigsten Hinweise zum direkten Download (Programmflyer, Eckpunkte Forderungen, Bonner Ethikerklärung, Häufigkeitsangaben zu Gewalt und Missbrauch in der Kindheit, Traumafolgekosten, WHO zur Prävention
Ähnlich wie der Missbrauch durch Priester durch die dem Priester zugesprochene "Heiligkeit" oder der durch Lehrer durch das Konzept der Nähe zum Kind (Odenwaldschule) erleichtert sein kann, ist auch Missbrauch im medizinischen Bereich durch die besondere heilende Autorität des Arztes erleichtert. Hier ein aktueller Fall aus Augsburg:
Matthias Katsch spricht in der Zeitschrift "Kontext" über den perfekten Tatort am Beispiel Korntal. Matthias Katsch war Schüler des Berliner Canisius-Kollegs und hat die dortigen sexuellen Übergriffe 2010 öffentlich gemacht. Er saß am Runden Tisch des Missbrauchsbeauftragten und hat den Eckigen Tisch für Betroffene gegründet. Dass nun auch die evangelische Kirche mit Korntal ihren Skandal hat, überrascht ihn nicht. Ein Interview, das verstehen lässt- ein Interview, das zeigt, wie die Sicht von Betroffenen eine Analyse nach vorne bringt.
http://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/219/der-perfekte-tatort-2931.html
Besonders lesenswert.
Hier ein entsprechender Link:
Rechtsmediziner können kaum einen Rückgang der Gewalt feststellen:
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/62952
Das nächste Gespräch des Ordens der Redemptoristen und der Gruppe der Betroffenen findet nicht wie unten fälschlich angekündigt am 16.01. 2016 statt sondern ist für den 23.01. 2016 in Köln avisiert.
Hier zwei Verweise auf lesenswerte Berichte, die sich mit der Aufarbeitung von Missbrauch und Gewalt im evangelischen Heim "Korntal" auseinandersetzen:
http://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/217/neun-quadratmeter-harmonie-2912.html
Am 11.4.2015 fand in Köln die Fortsetzung der Tagung zum Thema "Missbrauch- Trauma- Traumafolgen" statt. Referent war, wie schon im November, Herr Spitczok von Brisinski. Moderiert wurde das Treffen wie inzwischen schon so viele Male von Frau Haardt-Becker.
Vorweggeschickt sei, dass bedauerlicher Weise der angedachte, gleiche Teilnehmerkreis wie im November nicht zustande kam, da einige Patres aufgrund der Osterwoche anderweitig im Einsatz waren. Umso erfreulicher, dass der Kreis erstmalig durch Pater Paulus erweitert wurde.
Auch auf Seiten der Betroffenen gab es einen „Neuzugang“, der sowohl im Internat in Bous als auch später im Internat in Bonn war. Zum ersten Mal wurde auch von Bous über Gewalt gegen Schüler (Pater S.) berichtet. Sein bewegender Bericht über den sexuellen Übergriff von Pater S. in Bonn und die Folgen sorgten wie schon bei so vielen anderen Berichten in den letzten Jahren für tiefe Betroffenheit. D.M. ist im Übrigen einer derer, die sich gewehrt haben. Und wie! Er ohrfeigte den Präfekten, so dass dieser hinterrücks aufs offene Bett fiel. Das "Opfer" bezahlte dafür einen hohen Preis. Der Internatsleiter verwies ihn am selben Tag von Schule und Internat wegen des tätlichen Angriffs. Den Beteuerungen des Jungen, der betroffene Pater habe sich an ihm vergriffen, wurde nicht geglaubt. Ihm wurde erst gar nicht zugehört. Stattdessen fing er sich die schmerzenden Ohrfeigen des Leiters ein und musste die verbale Demütigung des Leiters gegenüber seinem Vater , der am nächsten Tag im Internat erscheinen musste, ertragen. Das Opfer war "der Böse" und "der Lügner" sowieso. Widerworte hatte es nicht zu geben.
Tatsächlich hat das „Sich wehren“ nicht dazu geführt, den Übergriff besser zu verarbeiten als die, die ihn hinnahmen, sondern sich viel eher und direkter gegen den Betroffenen selbst gewandt. Das Leben dieses ehemaligen Schülers ist später keineswegs mit weniger Problemen als das der meisten anderen Opfer verlaufen: beschädigt bis ins Mark.
Bei aller Traurigkeit, den Kreis der Betroffenen erweitern zu müssen, haben wir uns gefreut, dass Herr M. den Weg nach Köln und in die Gruppe gefunden hat.
Zum ersten Mal mit dabei war auch der zum Ende des vergangenen Jahres berufene Missbrauchsbeauftragte Herr Günter Niehüser, der zusammen mit Sr. Martina Kohler in Zukunft als Ansprechpartner zur Verfügung stehen wird.
Herr Niehüser überzeugte bei seiner Vorstellung und später auch in der Diskussion durch seine breit gefächerten Erfahrungen und sein Wissen im Bereich „Sexueller Missbrauch in der Katholischen Kirche.“
Nach dieser intensiven Vorstellungsrunde folgte die Fortsetzung der Traumatagung, in der es diesmal schwerpunktmäßig darum ging, welche institutionellen Strukturen Missbrauchsgeschehen in Internaten eines Ordens ermöglicht haben und wie Täter hier agiert haben, um ihre Ziele zu verfolgen. Wie schon im November verstand Herr Spitczok von Brisinski durch eingehende Skizzen an der Flipchart seine Erläuterungen zu verdeutlichen. Herr Spitzcok stellt entsprechende Skizzen auf seiner Homepage zur Verfügung (wir weisen dann darauf hin)
In der anschließenden Diskussion waren insbesondere die Schilderungen von Pater ten Winkel interessant, der den Täter Pater S. in jungen Jahren als Mitbruder und Arbeitskollege im Internat erlebte, ohne etwas von seinen pädophilen Neigungen zu ahnen. Pater ten Winkel konnte enorm viel dazu beitragen, Täterstrategien zu beschreiben: Pater S. machte sich unentbehrlich und erhielt für seine pädagogische „Durchschlagskraft“ die Bewunderung der anderen Präfekten und auch der Lehrer. Die dabei angewendete körperliche Gewalt gegen Schüler führte in Teilen zwar zu innerer Distanzierung aber auch zu Neid auf den sichtbaren Erfolg. Offensichtlich war, dass die körperliche Gewalt von der Internatsleitung gebilligt und sogar gewünscht wurde und Pater S. das besondere Wohlwollen des Leiters genoss.
Erfreulicher Weise konnten am Rande des Treffens die Erinnerungen eines anderen Betroffenen durch weitere Zeitzeugen untermauert werden. So fügt sich in diesem Fall über einen langen Zeitraum Stück für Stück der Tatumstände zusammen und trägt hoffentlich positiv zum Verarbeitungsprozess bei.
In der Abschlussrunde bekundeten alle Teilnehmer den Eindruck, dass das Treffen in einer erstaunlich entspannten und offenen Atmosphäre stattgefunden hat. Betont wurde von Seiten der Betroffenen, wie wichtig ihnen inzwischen diese Zusammenkünfte in Köln sind und dass eine Fortsetzung sehr gewünscht ist. Dies auch im Hinblick darauf, weiteren Betroffenen, die sich bislang nicht gemeldet haben, die Möglichkeit offen zu halten, zu diesem Kreis dazu zu stoßen.
In diesem Zusammenhang sei zum Schluss der Missbrauchsbeauftragte des Ordens zitiert, der davor warnte, sich der Illusion hinzugeben, dass in kirchlichen Institutionen der Missbrauch gestern war und heute kein Missbrauch mehr stattfinden würde.
Wir bedanken uns bei allen, die mit ihrem Engagement und ihrer Offenheit zum Gelingen dieses Tages beigetragen haben und würden es sehr begrüßen, wenn der Orden an dem angeschobenen Prozess der internen Reflektion weiter arbeiten würde.
Das nächste Gespräch wird voraussichtlich am 23.1.2016 in Köln stattfinden.
Zwei Jahre lang untersuchte das Münchener Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) unter der Leitung des Sozialwissenschaftlers Prof. Dr. Heiner Keupp die Missbrauchsfälle
des österreichischen Klosterinternats.
Für die Planung und Durchführung der Studie wurden von Anfang an Betroffene miteinbezogen. Den Kern der Untersuchung bildeten ausführliche Interviews mit ehemaligen Schülern, Angehörigen,
Patres und weltlichen Angestellten. Schriftliche Materialien wie Gerichtsakten, Briefe oder Protokollnotizen ergänzten die Auswertung.
Unter folgendem Link steht der Forschungsbericht zum Download auf der Website des IPP zur Verfügung: http://www.ipp-muenchen.de/
(Textübernahme aus: http://beauftragter-missbrauch.de/presse-service/meldungen/detail/news/aufarbeitungsbericht-zu-institutionellen-missbrauch-im-benediktinerstift-kremsmuenster-in-oesterreic/)
Konstituierung Betroffenenrat
Der Betroffenenrat, bestehend aus 15 Mitgliedern, wird in den kommenden Jahren die Arbeit des Missbrauchsbeauftragten begleiten. Die Mitglieder wurden durch ein Auswahlgremium – bestehend aus
dem Missbrauchsbeauftragten und vier vom Deutschen Bundestag vorgeschlagenen Expertinnen – aus rund 200 Bewerbungen ausgewählt.
Berlin, 23.03.2015. Mit der heutigen ersten Zusammenkunft des Betroffenenrats wird die im Koalitionsvertrag der Großen Koalition vorgesehene Beteiligung von Betroffenen auf Bundesebene
verwirklicht. Dies war stets eine zentrale Forderung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig.
Rörig: „Das heutige Datum ist ein wichtiger Meilenstein für die Anerkennung Betroffener sexueller Gewalt in der Kindheit. Exakt fünf Jahre nach Einrichtung des Runden Tisches „Sexueller
Kindesmissbrauch“ haben Betroffene endlich ein Gremium, durch das sie auf Bundesebene kontinuierlich im Themenfeld des sexuellen Missbrauchs mitwirken können. Ich danke allen Bewerberinnen
und Bewerbern für ihren Mut und ihren Gestaltungswillen. Die 15 berufenen Mitglieder des Betroffenenrats bündeln zusammen vielfältige Erfahrungen und Expertisen. Sie sind hochmotiviert, sich
für die Belange von Betroffenen auf Bundesebene zu engagieren. Ihr enormer Wissensschatz ist für meine Arbeit unverzichtbar. Ich freue mich sehr auf die künftige Zusammenarbeit.“
Pressemitteilung
Dem Betroffenenrat gehören 10 Frauen und 5 Männer an. Die Mitglieder kommen aus dem gesamten Bundesgebiet, ihr Alter reicht von Mitte 20 bis Anfang 60 Jahre. Bei der Auswahl wurden die
verschiedenen Kontexte des sexuellen Kindesmissbrauchs wie beispielsweise Missbrauch in der Familie/im sozialem Umfeld, in der Institution – konfessionell/nicht konfessionell sowie durch
Fremdtäter/innen oder im Rahmen von ritueller/organisierter Gewalt berücksichtigt.
Der Betroffenenrat wird sich mehrmals im Jahr treffen, als nächstes im Frühjahr 2015 zu einer ersten Klausurtagung in Berlin.
Dem Auswahlgremium gehörten neben dem Missbrauchsbeauftragten vier aus dem Deutschen Bundestag fraktionsübergreifend vorgeschlagene Mitglieder an: Prof. Dr. Sabine Andresen,
Goethe-Universität Frankfurt/Main, Dr. Heide-Rose Brückner, Kinderfreundliche Kommunen e. V., Marlene Rupprecht, Mitglied des Deutschen Bundestages 1996–2013, und Julia von Weiler, Innocence
in Danger e. V.
Leider ist von uns trotz Bewerbung von Sylvia Witte und Dieter Beckmann niemand berufen worden. Wir hoffen, dass wir gut vertreten sind.
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Alles, was die Schulbehörde im Fall des Darmstädter Lehrers Buß bisher unternommen oder eben nicht unternommen hat, schien eher auf Komplizenschaft denn auf Aufarbeitung hinaus zu laufen. Als dann auch noch die Personalakte für unauffindbar erklärt wurde, wähnte man sich in die Zeit vom Beginn der Bundesrepublik zurück versetzt, als es darum ging, massenhaft jedwedes Belastungsmaterial über die Tätigkeiten von Beamten im Dritten Reich verschwinden zu lassen. Jetzt hat es 10 Jahre nach der Verurteilung und 7 Jahre nach dem Tod des Täters ein gemeinsames Gespräch von Betroffenen und staatlicher Schulbehörde gegeben, auf dem gemeinsamer Aufarbeitungswille demonstriert und in ersten Schritten umgesetzt wurde.
http://taz.de/Aufklaerung-sexuellen-Missbrauchs/!156676/
Zusätzlich gibt es eine Homepage der Betroffenen, die deshalb so einmalig ist, weil zum ersten Mal privates Material eines Täters (Tagebuch, Brief) veröffentlicht wird. Für die Aufarbeitung eine wahre Fundgrube von Einsichtsmöglichkeiten.
Artikel musste wegen einer evtl. Verletzung von Persönlichkeitsrechten entfernt werden
Der Text selbst ist heute noch nicht im Internet bzw. auf TAZ. de zu finden. Journalistisch vielleicht der beste Text zum Thema.
Hier ein Hinweis auf die Hintergründe des Textes: http://www.taz.de/Aufklaerung-paedophiler-Taten/!156363/
Die Autoren des Films sind bekannt für ihre ausgezeichneten und ausgewogenen Features. Unbedingt sehens- oder aufnehmenswert!
"Die Autoren Birgit Wärnke und Sebastian Bellwinkel haben hinter die Mauern der katholischen Kirche geschaut. Sie fragen nach, wie frei die Wissenschaftler wirklich forschen können, ob die neuen kircheninternen Leitlinien zum Umgang mit den Tätern konsequent umgesetzt werden und welche Rolle die Ordensgemeinschaften spielen, in deren Zuständigkeit viele Schulen und Internate liegen. Der Film fragt auch nach den Verantwortlichen und lässt namhafte Katholiken zu Wort kommen, die die Verbindung von Priesteramt und Zölibat hinterfragen. Sexualpsychologen weisen darauf hin, dass der Zölibat Männer mit gestörter Sexualität anziehe und selbst bei psychisch gesunden Priestern zu einer "seelischen Unterernährung" führen könne.
Fünf Jahre nach dem Bekanntwerden der ersten Missbrauchsfälle kommen Bischöfe, Ordensleute und Opfer zu Wort. Kritiker beobachten, dass es der katholischen Kirche zuweilen mehr um das Wohl der Täter aus den eigenen Reihen als um das Schicksal der Opfer geht. Manche befürchten, die groß angekündigte wissenschaftliche Aufarbeitung sei nicht viel mehr als eine PR-Aktion der Bischöfe." (Aus der Vorankündigung)
Zur transgenerationalen Weitergabe traumatischer Erfahrung hat das Deutsche Ärzteblatt einen aufschlussreichen Artikel veröffentlicht. Hier der Link:
Zum Schweigen der Männer siehe auch den Filmhinweis
Missbrauchsbeauftragter bietet Schulen, Sportvereinen und Praxen neues Informationsmaterial für die Prävention von sexueller Gewalt
Neu gestaltete Homepage des Beauftragten erweitert das Informationsangebot insbesondere zu Prävention, Hilfen und rechtlichen Fragen.
Angefügt finden Sie die Pressemitteilung des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, zu seinem neuen Informationsangebot.
Der Obmann der Unionsfraktion im Edathy-Untersuchungsausschuss des Bundestags, Armin Schuster, forderte die Staatsanwaltschaft auf, der Einstellung des Verfahrens nicht zuzustimmen, solange Edathy die Summe noch nicht überwiesen habe. Denn die Entscheidung basiere auf falschen Voraussetzungen, da weder ein Geständnis vorliege noch Reue zu erkennen sei. Die Menschen empöre das zu Recht. Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, hatte bereits am Dienstag erklärt, sie könne die Weigerung des Kinderschutzbunds, die 5000 Euro nicht anzunehmen, gut nachvollziehen. Der Obmann der Linksfraktion, Frank Tempel, äußerte sich ebenso kritisch.
Auch die Betroffenen des Redemptoristenordens bzw. des Collegium Josephinums kennen dieses Ausreizen und an die Grenze gehen und Zocken ihrer Täter sehr gut. Fast meint man, sie legten es darauf an, dass ihre Taten entdeckt würden. Tatsächlich scheint die egozentrierte Bedürftigkeit dieser Täter so hoch, dass es ihnen ein unverzichtbarer Kick wird, unter Beweis zu stellen, dass ihnen aber auch niemand etwas kann. Das Spiel, das Edathy treibt, macht ihn nur noch verdächtiger. Es ist schon unglaublich, vor dem zweiten Prozesstag auf dem Weg zum Gericht triumphierend zu tönen, der Wahrheit eine Gasse, kurz danach ein mit der Staatsanwaltschaft bereits abgesprochenes Geständnis abzulegen (die Ermittlungesergebniss entsprechen der Wahrheit) und dann zu behaupten, man habe kein Geständnis abgelegt. Dieses typisch triumphierende egomanische Auftreten der Täter hat es auch uns als Opfer zusätzlich zu Scham und den anderen Faktoren so erschwert, sich zu wehren und zu reden. Fremd ist uns Betroffenen der Ablauf des Edathy- Theaters nicht, gleichwohl sind auch wir empört und empfinden Verachtung für das schlechte Schauspiel.
http://www.merkur-online.de/bayern/nach-missbrauchsgestaendnis-falschen-geglaubt-4773831.html
Der konservative Merkur berichtet heute über das Geständnis von Pater Georg zum Missbrauch an seinen Schülern, weitaus ausführlicher berichtet er aber über Erschütterung und Bestürzung in der Leitung des Ordens. Die Opfer sind schon im Nachrang. Angesichts der detaillierten Vorwürfe der Opfer und der Geschichte des Missbrauchs in Ettal wirken Erschütterung und Bestürzung der Ordensleitung allerdings wenig überzeugend in ihrer Larmoyanz bezüglich der Opfer. Die "Bestürzung" und das Jammern über sich selbst mag dabegen durchaus echt und nicht gespielt sein. Nur weiß man nicht wirklich, ob es aus Erschütterung daraus resultiert, was die Opfer erlitten haben oder daraus, dass einmal mehr das "Mauern" nicht mehr geholfen hat. Der dem Kloster Ettal in vielerlei nahestehende Merkur verrät darüber vielleicht doch mehr als man erst denkt: der Artikel beschäftigt sich nur in zweiter Linie mit den Opfern, in erster Linie und ausführlicher mit dem Kloster und dem Orden. Dass der Angriff auf die Glaubwürdigkeit der Opfer in sein Gegenteil umschlug, weil der Täter selbst diesmal nicht "stark" und abgezockt genug war, kann schon im Mark erschüttern- wie wir verstehen. Möglicherweise war der Panzer des Täters dünner als der des Ordens. Zu dünn eben, um das Lügengebäude angesichts der anwesenden Zeugen zu verteidigen bzw. die Opfer direkt und öffentlich zu konfrontieren und der Unglaubwürdigkeit zu bezichtigen, um im nächsten Schritt möglicherweise Zeugen und Opfer wegen Verleumdung zu belangen- gegen Schmerzensgeldzahlung versteht sich.
Das Zocken bis über die Grenze gehört bekanntlich immer zum Handwerkskasten des Missbrauchs- Täters. Hier in Ettal 2015 haben die Vorgesetzten gleich mitgezockt. War diese Zockersolidarität in den 50 bis in die 90er Jahre noch mehr oder weniger üblich und für Betroffene aus jener Zeit nicht unerwartet, so verwundert sie heute nach 5 Jahre währenden Aufarbeitungsversuchen unterschiedlicher Güte doch sehr. Dass auch 2015 Verantwortliche zum gleichen Handwerkszeug wie der Täter, zur Diffamierung der Opfer, greifen und Täter darauf bauen können, dass sie Unterstützung in der Leitung finden, ist schon aller "Erschütterung" wert und zeigt, wie sehr solche und ähnliche Institutionen noch am Beginn des Begreifens stehen. Leitung hat sich hier zum Mittäter gemacht, weil ihr in ihrer Zockersolidarität das Schicksal der Opfer gleichermaßen gleichgültig ist wie dem Täter. Fast möchte man fragen, welche Schuld schwerer wiegt, die erste des Täters oder die zweite seiner Mittäter, die versuchen, die Opfer noch um das Letzte zu bringen, das ihnen gehört: ihre eigene Geschichte.
Wenig Empathie der Verantwortlichen in die Opfer hätte hier im konkreten Fall schon gereicht, um an der Glaubwürdigkeit der Zeugen nicht zu zweifeln.
Selbstmitleid im Stile "Wir haben doch alles getan. Was hätten wir denn noch tun können?" ist das Schlechteste, was dem Abt dazu einfallen kann.
http://www.sueddeutsche.de/bayern/kloster-ettal-pater-gesteht-missbrauch-1.2369779
Vermutlich ist der Hintergrund für das überraschende Geständnis die Tatsache, dass weitere Zeugen aufgetaucht sind, möglicherweise auch Dokumente.
Dr. Deckers als Anwalt (siehe unsere gestrige Meldung) ist Profi durch und durch. Er wird seinen Mandanten davon überzeugt haben, dass damit die ursprüngliche Strategie der Einschüchterung und Leumundsschädigung der Opfer hinfällig geworden ist. Darum wohl auch das berühmte Hinterzimmergespräch mit dem entsprechenden „Deal“.
Am Täter zeigt sich wie so oft: eines der Kernmerkmale der Pädokriminellen ist ihr Hang zur sozialen Zockerei. Sie missbrauchen schließlich ihr kindliches Opfer beim Besuch bei ihm zu Hause oder in der Kirche unter der Gefahr der Entdeckung, sie laden Kinderpornos herunter auf dem Server des Bundestages und und. Sie lügen und tun das ohne rot zu werden, sie tun es öffentlich und unter Anschuldigungen der Opfer. Sie müssen sich und andere versuchen. Solche Leute merken erst, dass Schluss ist, wenn man ihnen die Wand zum Dagegenrennen direkt vor den Kopf hält.
http://www.kath.net/news/49635
Noch im Januar sah alles ganz anders aus:
Gemeinsam mit seinem Beirat lädt der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig,
am 18. Juni 2015 im Zeitraum von 10.00 – 18.00 Uhr zu einem öffentlichen Hearing zum Thema Forschung nach Berlin ein.
Die Veranstaltung der Reihe „Dialog Kindesmissbrauch – Forderungen und Perspektiven“ wird sich mit den Fragen
beschäftigen, wie Forschung im Themenbereich des sexuellen Missbrauchs stärker im wissenschaftlichen Mainstream verankert werden kann und wie wissenschaftliche Ergebnisse der Forschung besser
in die Praxis übertragen werden können. Veranstaltungsort ist die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Jägerstrasse 22/23, 10117 Berlin.
Unser Kommentar: Eine Teilnahme an Veranstaltungen des Unabhängigen Beauftragten ist immer ein Gewinn
Die für den 28.02.2015 geplante Fachtagung zum Thema "Folgen von Traumatisierung durch Missbrauch" ist kurzfristig auf den 11. oder 18.04. verschoben worden. Angesichts vieler fehlender Mitglieder und vor allem des Referenten blieb keine andere Wahl.
Die Täterseite (Orden der Benediktiner) hatte mit dem prominenten Rechtsanwalt Dr. Deckers ("Erfinder" der Nullhypothese, so vom Bundesgerichtshof in die allgemeine Rechtssprechung höchstrichterlich übernommen) schwerstes Geschütz aufgefahren, um die Glaubhaftigkeit einzelner Zeugenaussagen zu erschüttern. In der Presseöffentlichkeit wurde der Zweifel an der richtigen Darstellung einzelner Gegebenheiten schon als "Erschütterung der Glaubwürdigkeit" des Zeugen dargestellt. Jetzt nimmt der Prozess eine plötzliche Wendung durch das überraschende Geständnis des Täters, das die Tat in ein schärferes Licht setzt, als es der Zeuge erinnert. Eine bemerkenswerte Entwicklung. Ein Urteil wird im April erwartet.
http://www.br.de/nachrichten/oberbayern/inhalt/missbrauch-ettal-moench-prozess-102.html
Das Bistum Regensburg zahlt jedem der Gewaltopfer in Anerkennung des erlittenen Unrechts 2500,00€:
http://www.regensburg-digital.de/das-bistum-zahlt-schmerzensgeld-fuer-koerperverletzungen/25022015/
Rosa von Praunheim hat einen schonungslosen Film zum Tabuthema weiblichen bzw. mütterlichen Missbrauchs gedreht. Der Film heißt "Härte". Praunheim setzt sich im Film an Hand der Biografie von Andreas Marquardt mit dem Thema, aber auch mit dem selbst durch seine eigene Mutter erlittenen Missbrauch auseinander. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass sowohl der Film als auch Berichte zum Film eine hohe Trigger- Gefahr bedeuten.
http://www.focus.de/kultur/kino_tv/film-rosa-von-praunheim-bricht-tabu_id_4458598.html
2011 berichtete der Spiegel schon einmal über missbrauchende Frauen/Mütter. Auch Andreas Marquardt kam in dem Artikel zu Wort. Analog seiner Biografie wurde jetzt ein Film gedreht, von dem zu hoffen ist, dass er für die notwendigen Diskussionen sorgt. Hoffentlich wird das Thema in der öffentlichen Diskussion nicht so reduziert, dass es nur noch heißt: „aus einem von der Mutter missbrauchten Jungen wird ein Schläger und Zuhälter“. Das wäre fatal. Es gibt viele Hinweise darauf, dass gerade missbrauchende Priester zumindest ein hochproblematisches Nähe- Verhältnis zur eigenen Mutter hatten bzw. möglicherweise in ihrer Kindheit sogar missbraucht worden sind. Auch einer der Täter aus dem Orden der Redemptoristen weist ein entsprechendes Profil auf.
Wir möchten auf zwei aktuelle Urteile hinweisen. Das erste Urteil:
http://www.rp-online.de/nrw/staedte/viersen/willicher-priester-zu-sechs-jahr
Zu diesem Urteil:
Das zweite Urteil:
Papst Franziskus hat dazu aufgerufen, sexuellen Kindesmissbrauch durch katholische Priester nicht zu vertuschen. Ein entsprechendes Schreiben aus Luxemburg ist bekannt geworden.
http://www.tageblatt.lu/nachrichten/story/20210137
Es geht in dem Interview, das mit Matthias Katsch anlässlich des Jubiläums des „Canisius-Day“ geführt wurde, unter Anderem um den folgenden Satz von Robert Zollitsch, der damals als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz drei Wochen nach Bekanntwerden der Serienkriminalität an der Canisiusschule verlautbarte: „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen ist immer ein abscheuliches Verbrechen. Und ich entschuldige mich im Namen der Katholischen Kirche Deutschlands bei Allen, die Opfer eines solchen Verbrechens wurden“.
So gut dieser Satz auch erstmal klingt, wirft er doch Fragen auf:
Der Prozess der Entschuldigung folgt im sozialen Miteinander bestimmten Regeln. Bei Banalitäten reicht ein genuscheltes „Tschuldigung“. Vielleicht. Aber bei einem Verbrechen gegen das Menschsein? Da kann allenfalls um Entschuldigung gebeten werden. Aber auch dazu war es zu früh, insofern die ungeschriebenen sozialen Regeln für Entschuldung von Straftaten überhaupt nicht eingehalten waren, ja teilweise bis heute nicht eingehalten sind.
Seine Opfer um Verzeihung zu bitten, heißt im sozialen Reglement des Täter- Opferausgleichs (auch rein juristisch verstanden):
Der Verantwortliche hier, Bischof Zollitsch, setzte gekonnt und manipulativ darauf, dass die Opfer des sozialen Friedens willens sind zu vergeben, ohne dass vorab die Schritte 1 – 4 gegangen worden sind. Mit der fatalen, aber möglicherweise beabsichtigten Folge: Wenn die Opfer die Entschuldigung nicht annehmen, liegt der Schwarze Peter wieder bei ihnen. (Hier mehr zum Entschuldungsverfahren: http://www.aufrecht.net/utu/verzeihen.html) Die Öffentlichkeit reagierte zumindest in Teilen prompt: "Was wollt ihr Opfer denn noch und schon wieder? Denen geht es nur ums Geld!"
Dass dies mindestens unbewusst im Kalkül der Katholischen Kirche lag, ist mehr als naheliegend, haben doch Zollitsch und sein Pressebüro damals sich drei lange Wochen Zeit genommen, um an ihrer ersten Stellungnahme zu feilen. Herausgekommen ist ein entlarvender Satz. Er erntlarvt den Unwillen zur Aufarbeitung und zum Schuldanerkenntnis, er entlarvt erschreckenden Mangel an sozial angemessenen Umgangsformen oder mindestens Unerfahrenheit damit im Alltag. Das dahinter stehende Denkgebäude beleuchtet den Hintergrund, warum Vieles danach schrecklich schief gegangen ist und auch heute noch das Meiste in den Kinderschuhen steckt:
Hat sich überhaupt etwas verändert?
Wir hoffen mit Matthias Katsch Ja sagen zu können. Wir stimmen zu: Es hat Veränderungen gegeben. Es ist zu wenig. Aber es ist mehr als Nichts.
Im Generalanzeiger von heute dazu ein Interview mit dem Provinzial der Jesuiten, Pater Stefan Kiechle:
Ausführliche Hintergrundinformationen finden Sie (noch) unter:
Der Generalanzeiger Bonn berichtet heute:
Der Generalanzeiger Bonn kommentiert kritisch
und fasst zusammen, was an Entwicklung geschehen und was nicht geschehen ist:
Am 30. Januar 2015 debattierten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages über die Einrichtung einer Unabhängigen Kommission zur systematischen und umfassenden Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in Deutschland- endlich.
Hier Text und Bild:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/18/18083.pdf#page=63
https://www.youtube.com/watch?v=urBb7vBlTQQ&feature=youtu.be
Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) Johannes-Wilhelm Rörig verfolgte die bewegende Debatte von der Besuchertribüne des Bundestages.
Zusammen mit rund 20 Betroffenen hörte er engagierte und eindrückliche Reden von Vertretern aller Parteien, die sich parteiübergreifend für die Einrichtung einer Unabhängigen Kommission zur systematischen und umfassenden Aufarbeitung aussprachen und die Bundesregierung aufforderten, diese Kommission entsprechend auszustatten.
Alle Redner würdigten das Engagement von Betroffenen und die Arbeit von Herrn Rörig. Der Antrag der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD wurde zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen.
Weitere Informationen auf der Internetseite des UBSKM
Beeindruckend die Redebeiträge einzelner Abgeordneter. Hervorgehoben sei der Beitrag der Abgeordneten Christina Schwarzer von der CDU/CSU:
„Aber nicht nur mit dem Tragen des weißen Kreuzes leisten wir unseren Beitrag dazu, dass die so wichtige Debatte zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im institutionellen und privaten Bereich nicht verstummt. Es darf nicht nur eine Bundestagsdebatte, sondern muss auch eine gesellschaftliche Debatte sein und bleiben. Das sind wir den Opfern schuldig, die vor fünf Jahren einen unbeschreiblichen Mut aufgebracht haben und mit ihren Qualen an die Öffentlichkeit gegangen sind. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, welche Kraft es braucht, diesen Schritt zu gehen, welche Belastungen an den Menschen zerren. Allein schon die Angst vor Unverständnis, Bagatellisierung, Ignoranz oder Leugnung hält viele Opfer davon ab, zu sprechen. Da Angst kein gutes Gefühl ist, schweigen viele. Das Wort „Danke“ ist heute schon oft gefallen. Ich glaube, man kann es nicht oft genug sagen: Danke für den Mut, den Sie bewiesen haben!“
Dieser Redeauszug beschreibt auch, wer hauptsächlich dafür gesorgt hat, dass es endlich soweit ist. Es waren eben nicht im Wesentlichen die FunktionärInnen, PolitikerInnen und ExpertenInnen in den Institutionen, die für Kinderschutz zuständig sind, sondern von Anfang an vor allem mutige Opfer und Mitbetroffene. Auch wir selbst dürfen stolz auf uns sein.
Ende Januar 2010 löste ein Zeitungsbericht über Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg eine Lawine von weiteren Betroffenenberichten in anderen Institutionen aus. Unter anderem meldeten sich auch die ersten Opfer aus dem Umfeld des Ordens der Redemptoristen.
Heute zogen der Unabhängige Beauftragte, die Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Andresen, der ehemalige Schulleiter vom Canisius-Kolleg P. Mertes SJ sowie Betroffene in Berlin eine kritische Bilanz.
Hier erfahren Sie mehr: www.beauftragter-missbrauch.de
Sie können aber auch die entsprechende Stellungnahme des Beauftragten als PDF herunterladen:
Dass die Presseberichte zu diesem "Jubiläum" kaum noch zählbar sind,scheint mittlerweile selbstverständlich. Das ist ein Fortschritt für die Sache des Kinderschutzes. Der Inhalt der meisten Presseberichte stößt allerdings bei uns als den Betroffenen auf zorniges Unverständnis, wenn wir es milde ausdrücken: Herr Pater Klaus Mertes hat den Skandal entgegen allen Behauptungen nicht losgetreten, losgetreten haben ihn die Opfer, die ihr Schweigen gebrochen haben. Sie und nicht Pater Mertes gehören auf die Pressebilder und ihnen gehört der Dank der Gesellschaft. Pater Mertes war einer der Ersten, die zugehört haben. Dass das "Zuhören", wenn man über ein schweres Verbrechen informiert wird, bis dahin nicht zum kirchlichen und gesellschaftlichen Umgang mit sexuellem Missbrauch gehörte, ist der Skandal hinter dem Skandal und es ist die zweite Schuld der Verantwortlichen in den verschiedenen Institutionen. Diese zweite Schuld wiegt schwer wie die erste. Manche meinen, sie wiege schwerer, insofern es menschlich verständlich erscheint, dass Täter ihre Taten nicht selbst zur Anzeige bringen. Dass Menschen dabei zugeschaut haben, wie Täter anderen Menschen Gewalt angetan und nichts dagegen unternommen haben, dass sie gar die Täter deckten- machte für die Betroffenen ihr Leben erst richtig zur Hölle. Dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rehabiliation der Betroffenen (Hilfessysteme) immer noch in den Anfängen stecken und dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ahndung dieser Verbrechen (Verjährungsfristen) ebenfalls ungenügend sind, ist die dritte Schuld derer, die nicht begreifen wollen, dass Kinder Schutz brauchen, wenn sie Zukunft gewinnen wollen. Wir bedanken uns also bei Pater Klaus Mertes für das Zuhören, auch wenn es in unserer Gesellschaft zumindest ungewöhnlich ist, sich für Selbstverständlichkeiten zu bedanken. Es erscheint in diesem Fall gewiss angebracht.
Der heutige Tag ist für uns Anlass, dem Orden der Redemptoristen gegenüber unseren Respekt zu äußern für die Art und Weise, wie er ab 2010 uns zugehört hat und dass er das auch heute noch tut. Er hat die Zuhörerschaft im letzten Jahr gar über die Leitung des Ordens hinaus auf weitere Ordensmitglieder ausgeweitet.
Hier der entsprechende Link zum Ärzteblatt:
In England ist ein missbrauchender Arzt extrem hart bestraft worden, weil er seine Machtposition ausnutzte. Diese besondere zugesprochene heilende Macht ist vergleichbar der zugesprochenenen
heiligen Macht des Priesters. Es ist wahrscheinlich, dass zumindest in England ein missbrauchender Priester heute mit einer harten Strafe rechnen müsste.
Hier der Link:
Das KFN hat nach der Kündigung des Vertrages mit der Katholischen Kirche seinerseits eine kleine Studie veranlasst. Die Ergebnisse liegen jetzt vor:
Auf Regensburg Digital findet gerade eine Diskussion statt zum Aufarbeitungsprozess. In einem Kommentarbeitrag wird auch auf unsere Meldung zur Tagung am Samstag Bezug genommen. Hier der
Link:
http://www.regensburg-digital.de/es-gibt-noch-viel-gespraechs-und-aufarbeitungsbedarf/
Das hat es unseres Wissens auch noch nicht gegeben, dass eine kirchliche Institution, die mit Missbrauchsvorwürfen an einzelne Mitglieder konfrontiert ist, die von Missbrauch Betroffenen schlichtweg beeindruckt. So geschehen gestern. Bisher haben die institutionell Betroffenen allgemein ja eher den Eindruck, dass sie jede Bewegung der Institution mühsam erkämpfen müssen und dass sie der Institution immer hinterher laufen müssen.
Imponiert hat schon die Bereitschaft der Ordensleitung in gemeinsamer Federführung von Verein und Orden eine solche Tagung zu planen und zu organisieren.
Imponiert hat die Bereitschaft des Ordens, die Tagung zu finanzieren sowohl was die Kosten des Referenten aus dem fernen Berlin anbetrifft als auch die Kosten für die zusätzliche fachliche Moderation als auch die Reise- und Übernachtungskosten der Betroffenen unabhängig vom Ort der Anreise. Vielen Dank.
Bestochen hat uns die schiere Anzahl der Ordensmitglieder dieses kleinen Ordens, die bereit waren, an diesem Tag nach Köln zu kommen, um mit den Betroffenen gemeinsam zu arbeiten. Und das an einem Samstag, der für Priester, deren Hauptarbeitszeit für gewöhnlich das Wochenende ist, sicher nicht der günstigste ist, um andere Dinge zu betreiben.
Dem ausgezeichneten Referenten, Herrn Spitzock von Brisinski, gelang es mit seinem Input zur Traumaforschung dem Tag die notwendige innere Struktur zu geben und sowohl für die Betroffenen selbst wie auch für die mittelbar Betroffenen aus der Täter- Institution neue Impulse zu setzen zum besseren Verständnis dessen, was sexueller Missbrauch in den Betroffenen aber auch in der verantwortlichen Institution anrichtet.
Immer wieder waren durchaus die Klippen sichtbar, die das gemeinsame Gespräch grundsätzlich erschweren: die Frage nach Wahrheit und Richtigkeit der beiderseitigen Darstellungen als auch die Tatsache, dass bei Betroffenen den Angehörigen der Institution gegenüber auch im persönlichen Umgang und Gespräch Misstrauen schnell die Oberhand gewinnen kann (durchaus verständlich) und Skepsis bleibt wie umgekehrt und ebenfalls durchaus verständlich, dass Mitglieder der Institution sich grundsätzlich schon angegriffen fühlen und in schiere Verteidigungshaltung gehen, wenn Opfer auch nur kritische Anmerkungen zu Strukturen der Institution machen. Die gemeinsame Arbeit konnte aber dank gewohnt professioneller Moderation durch Frau Hardt- Becker immer aufrecht erhalten und auf eine neue Stufe geführt werden.
Wirklich eingeschlagen bei den Betroffenen hat aber die Schlussfolgerung, die Pater Heitkamp aus Essen für sich aus diesem Tag gezogen hat: „Wir müssen auch nach innen gucken. Wir haben viele unter uns, die ebenfalls im Internat waren, teilweise unter denselben Leuten, von denen wir heute wissen, dass sie Täter waren. Was ist eigentlich mit denen? Welche Hilfen brauchen die vielleicht?“
Dass das Schweigen dieser „Mitbrüder“ nicht heißen muss, dass es ihnen gut geht und das Schweigen nicht heißt, dass etwas nicht geschehen sein könnte- dass eine Institution nach innen schauen will und nicht nur danach strebt, dass der „Skandal“ bald aus der Welt sei, mit einem solchen Ergebnis haben die Betroffenen nicht gerechnet. Ein Orden, der nach Opfern unter seinen Mitgliedern zu suchen begönne, das wäre denn schon eine außerordentliche neue Dimension im Aufarbeitungsprozess.
Werte Ordensleute: Sie imponieren uns.
Nachgeschoben sei, dass eine Fortsetzung dieses Tages mit der gleichen Besetzung für den 28.Febr. 2015 vereinbart wurde.
Wie gefährlich Heilsversprechen sein können, wird immer wieder deutlich auf dem Gebiet der Psychotherapie allgemein wie besonders auf dem der psychotherapeutisch angehauchten Esoterikszene:
http://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/186/toedlicher-blick-in-die-kranke-seele-2505.html
Wir als Missbrauchsopfer sind weit davon entfernt, unmäßige Vergeltung in der Rechtsprechung bei Straftaten im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu fordern- egal welche persönlichen
Rachegefühle wir in uns tragen. Trotzdem oder deshalb gilt: es muss in jedem Fall ein Strafrecht geschaffen werden, dass die Täter nicht auch noch zu Straftaten ermutigt. Manchmal lohnt sich dann
doch der Blick über den Teich, wo ein deutscher Lehrer wegen geplantem (!) Kindesmissbrauch zu 15 Jahren Haft und weiteren bedeutenden Einschränkungen seiner Lebensvollzüge verurteilt worden
ist.
Der Täter muss sich in Deutschland wie im Schlaraffenland gefühlt haben.
Wie Netzwerk B berichtet, gibt es auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Hamburg einen Antrag einer großen Gruppe von Delegierten, die jede Toleranz bei Sexualstraftaten und
Pädokriminalität ablehnen. Siehe hierzu den Link:
https://netzwerkb.org/2014/10/23/keine-toleranz-fur-pado-kriminalitat-und-sexualstraftaten/
Die Begründung allerdings- die spricht für sich und verrät zumindest wenig ernsthafte Diskussion. Alles nur Schein? Alles nur kleinliche Kritik?:
„Begründung:
Für uns GRÜNE war die Pädophilie-Aufarbeitung unserer Parteigeschichte im Wahljahr 2013 eine heikle Angelegenheit, die uns Stimmen gekostet hat. Umso mehr sollten wir
jetzt deutlich machen, dass wir Pädo-Kriminalität und Sexualstraftaten keinesfalls tolerieren, sondern uns geschlossen dagegen zur Wehr setzen. Null Toleranz für
Pädo-Kriminalität und Sexualstraftaten! Aus Sorge um die Arbeitsplatz-Perspektiven von Pädo-Kriminellen und Sexualstraftätern sollten wir die Betroffenen nicht vergessen: Sie vor weiteren Übergriffen zu schützen ist in dem Fall eindeutig das höherwertige Gut.“
Sprachlich eine Katastrophe. Fast möchte man sagen, solche grassen sprachlichen (und inhaltlichen) Fehlleistungen haben wir doch bisher nur der Katholischen Kirche zugetraut. Solche Fehlleistungen erschweren es immer wieder, dem Aufarbeitungswillen der einzelnen Institutionen zu vertrauen.
Bischof Ackermann unterlaufen solche Fehler mittlerweile nur noch selten oder gar nicht mehr. Liegt es an gewonnener Einsicht oder guter Politikberatung? Heißt das auch, dass den Betroffenen in der katholischen Kirche mittlerweile mehr Gerechtigkeit widerfährt als anderswo?
Endlich liegt sie vor uns: die gemeinsame Einladung der von Missbrauch durch Ordensangehörige Betroffenen und von Ordensangehörigen zu einem Thementag "Traumatisierung durch Missbrauch" in Köln. Wir bedanken uns, dass der Orden unsere Anregung aus dem letzten Treffen aufgenommen hat und überdies alle Kosten des Tages trägt. Ein - wie wir meinen- beachtlicher Schritt in Aufarbeitung und Wiedergutmachung.
Fanden die Gespräche mit dem Orden bisher in kleinem Kreise statt, so ist der Kreis diesmal auf Ordensseite deutlich ausgeweitet: Ihre Teilnahme haben unter anderen auch Pater Heitkamp (selbst
Internatsschüler in Bonn in den 60er Jahren) und Pater Cholewszinski (selbst Internatsschüler in Bonn in den 50er Jahren, später kurzzeitig Präfekt in Glanerbrück und Nachfolger von Pater Welzel
in der Internatsleitung in Bonn) zugesagt. Wir freuen uns.
Wir möchten auf die Möglichkeit hinweisen, sich für den neu zu bildenden Betroffenenrat zu bewerben. Was hier etabliert wird, bietet Opfern sexueller Ausbeutung und sexualisierter Misshandlung eine einmalige Chance, sich betroffenenpolitisch zu engagieren. Und das im Sinne eines bürgerschaftlichen Engagements.
Ehrenamt im besten Sinne.
Näheres dazu hier: http://www.beauftragter-missbrauch.de/
Auszug aus der Presseerklärung
“Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch können die Arbeit des
Missbrauchsbeauftragten künftig kontinuierlich begleiten und sich daran beteiligen.
Hierfür wird ein Betroffenenrat auf Bundesebene eingerichtet. Das
Bewerbungsverfahren startet heute. Bewerbungsschluss ist am 21. November 2014.”
Wir begrüßen die Entscheidung der ARD, den Film "Die Auserwählten" auszustrahlen, auch wenn wir um die Verkürzung in der Darstellung der Dämonie eines Gerold Becker und in der Darstellung der Hintergründe des institutionellen Missbrauchs wissen. Das Problem der Wahrung der Persönlichkeitsrechte ist uns sehr bewusst. Aber hier gilt: kein Einzelner kann das alleinige Recht auf Authenzität geltend machen, wenn das Dargestellte vielen genau so oder ähnlich widerfahren ist. Das, was Andreas Huckele in seinem bewegenden Buch "Hört mich denn keiner schreien?" beschrieben hat, hat er tatsächlich nicht als Einziger erlebt- sondern viele Schüler der Odenwaldschule haben dies so und nicht anders erlebt. Hier kann es kein Urheberrecht geben. So traurig das auch ist: das, was Andreas Huckele erlebt hat, ist schicksalhafterweise gleichzeitig "geistiges Eigentum" aller betroffenen Mitschüler, ausdrücklich auch derer, die sich im Betroffenenverein "Glasbrechen" organisiert haben. Ohne das Wort Schicksal überstrapazieren zu wollen, aber sogar wir, die wir in einem katholischen Internat missbraucht wurden, finden uns schicksalhafterweise im "geistigen Eigentum" eines Andreas Huckele wieder und sind daher immer dankbar gewesen für sein frühes Buch und besonders dafür, so früh an die Öffentlichkeit gegangen zu sein.
Der Verein "Glasbrechen" hat sich im Übrigen für den Film und für die Ausstrahlung ausgesprochen. Eine gute Entscheidung, wie wir meinen.
Jetzt steht wohl auch die Teilnehmerliste der Diskussion unter Leitung von Anne Will fest. Die Besetzung heute Abend:
http://daserste.ndr.de/annewill/
Siehe hierzu den interessanten Beitrag der FAZ und die nachfolgenden Kommentare von Lesern:
Im Hintergrund wird um die Ausstrahlung des Films am Mittwoch mit unterschiedlichen Argumenten gekämpft. Einerseits würden wir die mögliche Nicht- Ausstrahlung bedauern, weil der Film
emotional in der Missbrauchsdebatte erreichen könnte, was in der Debatte rational bisher nicht erreicht worden ist. Andererseits verstehen wir als Opfer eines anderen Systems die Opfer, die
durch den Film ihre eigene Lebensgeschichte ohne Möglichkeit der Einflussnahme ausgeschlachtet sehen und damit auch erneut zum Opfer werden (der Film ist zu wenig fiktional, die Personen sind
erkennbar und sozusagen 1:1 in einen Spielfilm übersetzt). Die Opfer, deren Geschichte hier gespielt wird, haben das Recht darüber zu entscheiden, ob der Film ausgestrahlt werden darf oder
nicht.
Bedenklich ist auch, dass der Film die dämonische Gestalt von Gerold Becker in der Person von Ulrich Tukur sicher bestens besetzt hat, dass aber dennoch die wirkliche Dämonie des Mannes nicht gezeigt oder gar aufgearbeitet wird, vielleicht auch nicht dargestellt werden kann. Wir als institutionelle Opfer katholischen Missbrauchs wissen um die Dämonie der Täter, die ja darin besteht, uns selbst am Missbrauch an uns selbst zu (beteiligen)- wissen aber auch darum, wieso es ihnen möglich war: der Missbrauch war durch die höhere Macht des Priesters geheiligt und unsere Opferung schien also gerechtfertigt vor Gott und uns selbst, das repressive System und die Mauern ringsum taten das Ihrige dazu. Sowohl die Öffentlichkeit als auch die Opfer selbst haben also Erklärungsmöglichkeiten für die Verbrechen in der katholischen Kirche finden können- und auch das hat geholfen, um weiter leben zu können. Wie es aber möglich gewesen ist, dass ein geradezu provokant offenes und kritisches, auf Nichteinordnung angelegtes System - die Odenwaldschule ist geradezu das Gegenmodell zum katholischen Internat-, einem Oberverbrecher Becker und anderen alle Möglichkeiten des Missbrauchs von Kindern gestattete, das ist zu wenig aufgearbeitet geschweige denn verstanden. Wir als katholische institutionelle Opfer sind wie alle Missbrauchsopfer für ihr mögliches Leben zerstört worden, aber wir konnten uns in der Regel von der Ideologie von Heiligung und Repression distanzieren und auch intellektuell befreien. Wie viel schwerer es für Betroffene der Odenwaldschule sein mag, die Ideologie der Nähe und der emanzipatorischen Menschheits- Rettung durch Reformpädagogik als notwendige Bedingung des eigenen Missbrauchtwerdens zu durchschauen und auszuhalten, vermögen wir kaum zu ahnen. Einen Hinweis auf diese Schwierigkeit oder auch Unmöglichkeit geben die am Missbrauch nicht unmittelbar beteiligten Lehrer an der Odenwaldschule, die das Offensichtliche und Nahe-liegende weder sehen wollten noch konnten und besonders die, die dem Oberguru Becker nicht folgten und dennoch nichts unternahmen und sich auch heute noch wegducken.
Zur Diskussion siehe folgende Links:
http://pisaversteher.com/2014/09/27/2779/
http://juliaweiler.wordpress.com/2014/09/28/eine-vertane-chance/
https://netzwerkb.org/2014/09/27/so-viel-kaltschnauzigkeit-hatte-ich-nicht-erwartet/
Am 1. Oktober wird die ARD einen Themenabend veranstalten. Beginn: 20.15 "Die Auserwählten" (Film über den Missbrauch an der OWS (Odenwaldschule). Die Hauptrolle (Schulleiter Becker) spielt
Ulrich Tukur. Dann Tagesthemen. Danach "Anne Will" mit Tilman Jens (Ex- Odenwaldschüler), Alice Schwarzer, N.N. und Adrian Koerfer (Ex- Odenwaldschüler und Missbrauchsopfer). Unbedingt
ansehen- meinen wir.
Aus der Ankündigung: Ende der 1970er-Jahre. Begeistert tritt die 29-jährige Petra Grust (Julia Jentsch) ihre Stelle als Biologielehrerin an der Odenwaldschule (OSO) an, der legendären Vorzeige-Einrichtung der Reformpädagogik. Das Vertrauen des charismatischen und berühmten Schulleiters Simon Pistorius (Ulrich Tukur) ehrt sie. Doch der Inter-natsalltag ist irritierend. Schüler und Lehrer beiderlei Geschlechts benutzen dieselben Duschen, junge Schüler trinken Alkohol und rauchen, und ein Kollege hat sogar ein Verhältnis mit einer minderjährigen Schülerin. Petra wird auf den 13-jährigen Frank Hoffmann (Leon Seidel) aufmerksam, der verstört wirkt und offensichtlich Probleme hat. Sie nimmt sich seiner an, findet aber nicht heraus, was mit ihm ist. Mit der Zeit befällt sie ein schrecklicher Verdacht: Sie sieht im Wald einen Lehrer mit einem nackten Jungen; sie sieht, wie Pistorius eine Dusche verlässt, unter der ein verzweifelter Frank kauert. Petra fragt nach. Doch ihre Kollegen wollen von all dem nichts wissen. Auch Franks bester Freund Erik (Béla Gabor Lenz) wird von Pistorius missbraucht. Als er seiner Mutter davon erzählt, muss er die Schule wegen Drogenbesitzes verlassen. Frank ist verzweifelt. Als er erfährt, dass er mit Pistorius sogar die Ferien verbringen soll, droht er mit Selbstmord. Petra begreift mehr und mehr, was Pistorius mit ihm macht. Doch Franks Vater Helmut (Rainer Bock), Vorsitzender des Trägervereins der Schule, glaubt lieber dem scheinbar untadeligen Schulleiter als seinem Sohn und der jungen Lehrerin. Petra bittet ihren Freund, einen Journalisten, Recherchen über den berühmten Reformpädagogen anzustellen. Doch gegen Pistorius' Netzwerk aus Beziehungen bis in die höchsten Kreise ist sie letztendlich machtlos. 30 Jahre später begegnen sich Frank (Patrick Joswig) und Petra (Johanna Gastdorf) wieder. Als Lehrerin hat sie nie wieder gearbeitet. Aus der Vorankündigung der HÖR- ZU.
Hierzu ein interessanter Artikel aus der App der Süddeutschen Zeitung:
Aussenpolitik, 25.09.2014
Katholische Kirche
Test für den Vatikan
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Von Stefan Ulrich
Wenn der Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter den Vatikan unter Beschuss nimmt, dann muss es um einen gravierenden Fall gehen. Die mutmaßlichen Verfehlungen des früheren Erzbischofs und
Diplomaten der Päpste Józef Wesołowski sind ein solcher Fall. Der polnische Geistliche soll in seiner Zeit als Nuntius in der Dominikanischen Republik regelmäßig Kinder missbraucht haben. Zeugen
schilderten, er habe in den Armenvierteln von Santo Domingo Ausschau nach Jungen gehalten und diesen Geld für Sex gegeben. Im Mai erklärte der UN-Ausschuss gegen Folter, der Fall werde zum Test,
ob der Vatikan wirklich massiv gegen Kinderschänder vorgehe. Er müsse den Erzbischof entweder an die Dominikanische Republik ausliefern, oder ihm im Vatikan den Prozess machen. Denn Wesołowski
ist vatikanischer Staatsbürger.
Jetzt hat die Justiz des Papstes eine starke Antwort gegeben. Am Dienstagnachmittag verhafteten Gendarmen Wesołowski auf dem Gelände des Kirchenstaats. Der Vorwurf des Staatsanwalts beim
vatikanischen Tribunal erster Instanz: schwerer Kindesmissbrauch. Wegen seiner angegriffenen Gesundheit kam der 66-jährige Ex-Erzbischof nicht ins Gefängnis, sondern wurde unter Hausarrest
gestellt. Dort muss er jetzt auf seinen Strafprozess warten. Der Fall erregt in Italien großes Aufsehen. Es sei das erste Mal, dass ein ehemals hoher Geistlicher im Vatikan verhaftet werde, heißt
es. Und das auch noch wegen Kindesmissbrauchs. Italienische Kommentatoren loben, dies zeige, dass es Papst Franziskus ernst meine, wenn er "null Toleranz" gegen Pädophile predige.
Vatikan-Sprecher Federico Lombardi betont, der Papst selbst habe angeordnet, die vatikanische Justiz solle schnell und mit der nötigen Strenge gegen Wesołowski vorgehen. Damit wird zugleich klar,
dass der frühere Nuntius weder an die Dominikanische Republik noch an Polen ausgeliefert wird, das dies ebenfalls verlangt hat. In Polen gibt es eine ganze Reihe ähnlicher Skandale, weswegen es
auch zu Verurteilungen kam. Der Fall des Erzbischofs gilt dort aber als der gewichtigste.
Wesołowski, der 1972 in Krakau vom späteren Papst Johannes Paul II. zum Priester geweiht wurde, seit 1999 als Nuntius in verschiedenen Ländern arbeitete und 2013 zwangsweise in den Laienstand
versetzt wurde, kommt nun vor ein irdisches Gericht des Heiligen Vaters. Die Vatikan-Justiz ähnelt dabei in vielen Belangen der italienischen Justiz, etwa bei der Strafprozessordnung und beim
Strafgesetzbuch. Es gibt auch im Vatikan Staatsanwälte, Untersuchungsrichter und drei Gerichtsinstanzen. Die Ermittlungen sind geheim. Die Prozesse selbst werden dagegen öffentlich im Palazzo del
Tribunale an der Piazza Santa Marta abgehalten. Entscheiden die Richter auf eine Gefängnisstrafe, so kann der Vatikan beantragen, den Verurteilten in einem italienischen Gefängnis einzusperren.
Eine Besonderheit gibt es noch in der Vatikan-Justiz: Der Papst kann jederzeit eingreifen und auch gegen die Meinung von Staatsanwälten und Richtern zu Gunsten des Angeklagten entscheiden.
Im Fall Wesołowski will der Vatikan aller Welt beweisen, dass er entschlossen gegen pädophile Priester vorgeht und nichts verheimlicht. Das war nicht immer so, im Gegenteil. Über Jahrzehnte
wurden in vielen Ländern zahlreiche Kinder von katholischen Geistlichen missbraucht. Die Verbrechen wurden oft vertuscht, teilweise mit Wissen und Willen zuständiger Bischöfe. In den vergangenen
Jahren kam das Ausmaß des Skandals ans Licht, zum Beispiel in Irland, den USA und Deutschland. Auch der Vatikan geriet unter Druck. Es war dann Papst Benedikt XVI., der einen Kurswechsel vollzog.
Er traf sich mehrfach mit Missbrauchsopfern, entschuldigte sich für die Verbrechen und versetzte Hunderte verdächtige Priester in den Laienstand.
Franziskus machte rasch klar, dass er diese Linie weiterführen wolle. So empfahl er im April 2013 seiner Glaubenskongregation, in Missbrauchsfällen entschlossen vorzugehen. Auch setzte er eine
Untersuchungskommission unter Vorsitz des Erzbischofs von Boston ein. Ihr gehört die Irin Marie Collins an, die als Mädchen von einem Priester missbraucht wurde. Im Mai sagte Franziskus vor
Journalisten, ein Priester, der Kinder missbrauche, "verrät den Körper des Herren". Es sei so, als halte er eine schwarze Messe ab. Die Kirche müsse da mit "null Toleranz" vorgehen.
Stefan Ulrich
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Nach dem Jurastudium in München und Freiburg, Assessorexamen und Promotion zum Presserecht kam Stefan Ulrich 1994 als Volontär zur Süddeutschen Zeitung. Redakteur im Nachrichten- und im
Außenpolitik-Ressort. Von 2005 bis 2009 Italien- und Vatikan-Korrespondent in Rom. Von 2009 bis 2013 Frankreich-Korrespondent in Paris. In den Auslandsjahren entstanden die Bücher "Quattro
Stagioni", "Arrivederci, Roma!" und "Bonjour la France!". Im Sommer 2013 zurück in die Zentrale nach München, freiwillig. Theodor Wolff Preis. Deutsch-Italienischer Journalistenpreis.
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Tatsächlich ein ungewöhnliches Vorgehen des Papstes: Erzbischof Wesolowski steht wegen Missbrauchsvorwürfen unter Hausarrest im Vatikan. Die andere Seite: Er ist damit auch der weltlichen Justiz entzogen.